PLO-Führung verjagt christliche Politiker

PLO
Yassir Arafat

Islamistische Kräfte prägen nach und nach den Zentralrat der „Palästinensischen Befreiungsorganisation“. Der wendet sich damit vollends ab von der christenfreundlichen Politik seines früheren Präsidenten Arafat.

Schlechte Nachrichten für die Christen im Heiligen Land: Im neuen Zentralkomitee der „Palästinensischen Befreiungsorganisation“ sind sie nun nicht mehr vertreten. Nur zehn Tage nach Arafats Begräbnis in Ramallah hat der designierte neue Präsident Mahmud Abbas zwei führende christliche Mitarbeiter Arafats, Nabil Abu Uda und Rami Zahuri, aus diesem Führungsgremium entfernt. Er macht damit den islamisierten Wählern von Gasa ein Zugeständnis, denn vor allem ihre Stimmen wird er bei der Wahl am 9. Januar brauchen.

Sie werden ihn also auch nicht, wie in den vergangenen beiden Jahren, bei der Weihnachtsfeier in Betlehem vertreten. Die Befürchtungen des dortigen evangelischen Pfarrers Mitri Raheb waren also begründet (wir berichteten). Bei den Christen im Heiligen Land wächst nun die Sorge über ein drohendes Übergewicht radikal-islamischer Kräfte. Diese Entwicklung zeichnete sich bereits während der letzten Jahre von Arafats Amtszeit ab.

Arafats Zugeständnisse an die Islamisten

Die Terrorbewegungen Hamas und Dschihad haben in seinen autonomen Gebieten immer mächtiger aufgetrumpft. Mit Konzessionen versuchte er, sie für sich zu gewinnen. Waren ihm die palästinensischen Christen einst gleichberechtigte Mitkämpfer, so sollten sie sich nun in eine neue Rolle als willfährige Untertanen schicken. Der russischen Auslandskirche wurden Klöster und Pilgerhospize enteignet und dem Moskauer Patriarchat zugeschlagen, christliche Bürgermeister durch Moslems ersetzt. Sogar den neuen, im August 2001 gewählten orthodoxen Patriarchen von Jerusalem, den Griechen Irenaios, hat Arafat nur nach langem Hinauszögern anerkannt. Er hätte einen von ihm abhängigen Araber vorgezogen. Auch seine griechisch-orthodoxe Frau Suha Tauwil trat „auf eigenen Wunsch“ zum Islam über.

Dabei war grade diese Ehe als weiterer Beweis für seine christenfreundliche Haltung gewertet worden. Schon bald nach seiner Wahl zum Führer der PLO im Jahr 1969 räumte Yassir Arafat arabischen Christen beachtliche Mitsprache ein. Anglikanische und lutherische Geistliche erhielten im PLO-Zentralkomitee Sitz und Stimme. an ihre Spitze trat. Dabei ist er selber von Haus aus areligiös und durch nationalistische und links-progressive Leitbilder geprägt. Aber die Palästinenser waren, nachdem sie 1967 die Altstadt von Jerusalem und das Westjordanlandes an Israel verloren hatten, sofort bemüht, die christliche Welt für ihre Sache zu gewinnen.

„Ich fühle mich auch als Christ“

Besonders der evangelisch-reformierte Pfarrer in Kairo, André Pidoux, wurde von Arafat sehr geschätzt. Dieser spielte auch eine wichtige Rolle bei der palästinensischen Jerusalemkonferenz von 1975. Nach ihren Beschlüssen hätten sich die Christen an der Verwaltung der Jerusalemer Altstadt beteiligen können, falls sich Israel von dort zurückziehen sollte. In den siebziger Jahren schlug Arafat sogar eine Art neue „Schweizer Garde“ zum Schutz der christlichen heiligen Stätten von Jerusalem und Bethlehem vor, und noch zu Beginn der ersten Intifada von 1987 bis 1989 trat er betont als Anwalt der palästinensischen Christen auf. In einem Interview für das damalige „idea Schweiz“ beteuerte er im Januar 1988 aus Bagdad: „Ich fühle mich auch als Christ und werde im Heiligen Land alle christlichen Belange mitvertreten. Ich bin Moslem, Jude und Christ!“ Für ihn waren das keine Lippenbekenntnisse, sondern Bestandteil seiner religionspolitischen Kultur.

Trennung statt Einheit

Ihm zur Seite stand dabei der vor einem Jahr verstorbene Jerusalemer Christ Edward Said, ein Vordenker in allen Kirchenfragen. Seine Vision war ein Palästina, das Israelis und Arabern gemeinsame Heimat sein kann, ein befriedetes und auf den ganzen Nahen Osten ausstrahlendes Heiliges Land von Juden, Christen und Moslems. Darum kritisierte Said auch die Oslo-Verträge von 1993, die eine palästinensische Selbstverwaltung vorsahen und von Präsident Clinton und Arafat als grosser Erfolg gefeiert wurden. Denn er erkannte als einer der ersten die drohende Rückwendung zu einem radikalen politischen Islam, aber auch Judaismus, und befürchtete, dass sich Israel und die neuen Selbstverwaltungsgebiete erst recht auseinander und gegeneinander entwickeln würden. Die neue Intifada, weitere Selbstmordattentate und die Errichtung des Zauns zu den autonomen Gebieten haben ihm inzwischen nur zu sehr Recht gegeben. Die islamistischen Kräfte erstarkten.

Arafat musste erkennen, dass sie sich auch durch die erwähnten Konzessionen nicht vor seinen Wagen spannen liessen, sondern letztlich gegen ihn kämpften. Gerade der für beide Seiten so schreckliche Verlauf der zweiten Intifada, besonders in den Jahren 2002/03, führte ihm das vor Augen. So kehrte er zu seiner altbewährten prochristlichen Politik zurück.

Wie weiter?

Doch diese Rückbesinnung kam zu spät. Ausser einem guten Angedenken hinterlässt Arafat den Christen in seinem Land kein auch nur halbwegs zukunftsweisendes Erbe. Nach seinem Tod zeichnet sich ab, ein seine Nachfolger in der PLO wie in der arabischen Selbstverwaltung erst recht mit den radikalen Moslems von Hamas und Dschihad zusammenfinden, und im politischen Islam haben palästinensische Christen genauso wenig Platz wie Juden. Auch der Entwurf für die Verfassung eines künftigen Palästinenserstaates verankert nicht einmal die elementarsten religiösen Grundrechte seiner christlichen Bürger. Der Rausschmiss jener beiden Vertrauten Arafats aus dem Zentralrat der PLO ist dafür nur ein Zeichen. Besonders die evangelischen Christen in den autonomen Gebieten zeigen sich von dieser Entwicklung sehr betroffen.

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Heinz Gstrein, langjähriger Nahost-Korrespondent in Kairo, ist heute wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut G2W – Glaube in der 2. Welt, Zürich.

Datum: 25.11.2004
Autor: Heinz Gstrein
Quelle: Livenet.ch

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