Livenet-Talk «LebensMUTig»

Fallenlassen ist nicht das gleiche wie Aufgeben

Roland Hardmeier, Monika Riwar, Nelly Simmen: Die drei Referenten sprechen im Livenet-Talk übers Leiden, über Vertrauen an einen verborgenen Gott und das Geheimnis, sich vertrauensvoll in Gottes Hände fallen zu lassen.
Monika Riwar, Roland Hardmeier und Nelly Simmen (Bild: Livenet)

Am 16. Juni veranstaltet «Glaube und Behinderung» in Sursee eine Fachtagung zum Thema «LebensMUTig». Im Livenet-Talk spricht Florian Wüthrich mit drei Referenten über den Anlass und vor allem über die entsprechende Thematik. Was macht das Leben lebenswert? Wie gehen wir mit Schicksalsschlägen und Leid um?

Roland Hardmeier: Dem verborgenen Gott vertrauen

Durch sein Fachwissen und das eigene Erleben zeichnet sich Roland Hardmeier als Hauptreferent aus. «Ich freue mich, etwas von meiner theologischen Arbeit weiterzugeben als jemand, der selbst mit Einschränkungen lebt.» Ihm gehe es darum, wie unser Vertrauen an einen verborgenen Gott wachsen kann. In dunklen Zeiten wurde ihm die Beschreibung Gottes als «verborgener Gottes» wichtig. «Dabei habe ich gelernt, dass Verborgenheit nicht dasselbe ist wie Abwesenheit. Dieses Wissen hat mein Gebetsleben verändert, ich versuche nicht mehr, Kontakt mit Gott herzustellen, sondern reagiere auf seine Anwesenheit.»

Wie Psalmisten in widerlichen Umständen an Gott festhielten, mache sie zu Vorbildern. «Ich war auch am Punkt, wo ich nichts Schönes mehr beten, sondern nur noch zu Gott schreien konnte», erzählt Roland Hardmeier. Seit 20 Jahren leidet er an Tinnitus, Migräne, Sehstörungen und ständigem Schwindel. In den vergangenen zehn Jahren war er zwischen null und 50 Prozent arbeitsfähig. «Ich bin reiseunfähig und auch sonst stark eingeschränkt.» All dies kann dazu führen, an Gott und am Leben zu (ver)zweifeln.

Monika Riwar: Gott hat in jeden Menschen etwas hineingelegt

Monika Riwar, fachliche Leiterin des bcb (Bildungszentrum christliche Begleitung & Beratung) und Theologin, freut sich auf die Fachtagung. Als Beraterin ermutigt sie Menschen, die unter Einschränkungen leiden. «Ich selbst wurde bisher vom Leben verwöhnt. Von schweren Krisen, wie Roland und andere sie kennen, blieb ich verschont. Ich habe zwar auch meine Krisen, aber nicht in diesem Mass.» Wenn es darum geht, Gestaltungsmöglichkeiten zu finden, habe sie viel von ihren Ratsuchenden gelernt. «Ich bin überzeugt, dass Gott in jeden Menschen etwas hineinlegt und mit ihm unterwegs ist.»

Nelly Simmen: Sich Gedanken zum Lebensende machen

Nelly Simmen ist Pflegefachfrau und Palliativ Care Expertin. «In meinem Workshop werde ich etwas von meinem Wissen weitergeben und die Anwesenden sollen sich Gedanken zum Lebensende machen.» Kommt dieses nahe, fallen bei vielen Menschen die Masken. Nelly Simmen beobachtet oft, wie Unwesentliches in den Hintergrund tritt und Menschen sich aufs Wichtige fokussieren. «Wenn die Leute noch Geschäfte abschliessen, Menschen treffen und Dinge erleben können, kann dies eine wichtige und wertvolle Zeit sein.»

In der Palliativ Care wird versucht, das Leiden zu lindern und die Lebensqualität hoch zu halten. Nach der Diagnose einer unheilbaren Krankheit dauert das Leben noch unterschiedlich lang. «Es ist eine Phase, in welcher viele Entscheidungen getroffen werden müssen.» Betroffene und Angehörige sollen Hilfe empfangen, um nicht in den Strudel medizinischer Machbarkeit zu kommen. «An diesem Punkt geht es nicht mehr um Heilung um jeden Preis, sondern um Lebensqualität für die verbleibende Zeit.»

Menschen sehnen sich nach Gerechtigkeit

Leidende Menschen sehnen sich nach Besserung und oft auch nach Gerechtigkeit. «Kein Himmel kann Auschwitz wieder gut machen», zitiert Roland Hardmeier die deutsche Theologin Dorothee Sölle und kommentiert: «Ich glaube nicht, dass dieser Satz wahr ist.» Er ist überzeugt, dass Gott im jüngsten Gericht Gerechtigkeit aufrichten wird und glaubt, dass es deshalb auch die Hölle gibt – nicht um Menschen zu strafen, sondern, um Gerechtigkeit zu schaffen. Alle offenen Fragen werden dann beantwortet sein.

«Gerechtigkeit ist eine tiefe Sehnsucht von Menschen.» Monika Riwar teilt die Hoffnung, dass Gott einmal Gerechtigkeit herstellen wird. «Gott hält es aus, dass es jetzt noch nicht so ist und lässt uns diesen Zustand mit ihm aushalten – bis zum Tag, an dem er die ganze Gerechtigkeit schaffen wird.» Bis dahin müssten wir das Leid aushalten.

Sich vertrauensvoll in Gottes Hände fallen lassen

Wieviel muss ich zur Verbesserung beitragen und was kann ich Gott überlassen? «In der Palliativ Care geht es immer um die Frage, wie weit wir uns anstrengen und für eine Verbesserung kämpfen sollen und wann wir einfach aushalten und akzeptieren müssen.» An dieser Stelle bringt Nelly Simmen das bekannte und hilfreiche Gebet rein: «Gib mir Mut zu verändern, was ich verändern kann. Gib mir Gelassenheit, zu lassen, was ich nicht verändern kann und gib mir die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.»

Jeder Mensch habe eine Verantwortung und eine Gestaltungsmöglichkeit fürs eigene Leben. «Es gibt aber auch Schicksalsschläge, die man nicht kontrollieren kann.» Irgendwann lassen sich Leidende vertrauensvoll in die Hände Gottes fallen. Das darf keinesfalls mit Aufgeben verwechselt werden. Die Talk-Gäste sind sich einig, wie wichtig dieser Moment sein kann und wie wenig Verständnis Leidende von ihrem Umfeld dabei oft erfahren.

Hier geht's zum gesamten Livenet-Talk:

Zum Thema:
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Datum: 15.03.2022
Autor: Markus Richner-Mai
Quelle: Livenet

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