Mit einer perfekten
10-Punkte-Leistung sorgte Katelyn Ohashi (21) erst vor kurzem für einen
Internet-Hype. Die Kunstturnerin, die von einem japanischen Vater und einer
deutschen Mutter abstammt, wuchs in Seattle (USA) auf. Schon im Alter von zwölf
Jahren schaffte sie es in die Gymnastik-Nationalmannschaft. Doch nicht alles verlief nach dem berühmten Bilderbuch…
Katelyn Ohashi
Als Katelyn Ohashi wegen einer Verletzung aus der Elite-Gymnastik
ausstieg, fühlte sie sich erleichtert. «Ich war froh, verletzt zu sein.» Nach
ihrem Triumph am «American Cup» 2013 erlitt sie eine Schulterverletzung und
anschliessend eine Rückenverletzung. Währen zwei Jahren war sie ausser Gefecht
gesetzt.
Der Schlag wäre für jeden aufstrebenden Sportler wohl erdrückend gewesen
und hätte eine Identitätskrise ausgelöst. Aber für Katelyn bedeutete dies das
Ende von unerträglichem Druck und Schamgefühl, dem sie über das Internet
ausgesetzt war.
Verletzung war Erleichterung
«Nach meinem ersten und vorerst letzten Wettbewerb bei den Erwachsenen
wurde mir gesagt, dass ich vielleicht nie wieder Gymnastik machen kann», sagte
sie zu «Good Morning America». «Es war, als ob mir ein grosses Gewicht
abgenommen wurde.»
Nun konnte sie ohne all die Kameras ihre Liebe zum Sport wiederentdecken
und einfach das Leben geniessen. Sie konnte einen Burger und Pommes frites
essen, ohne sich schuldig zu fühlen und sich Sorgen zu machen, dass sie als mollig
dargestellt wird – denn wegen ihrer Figur wurde sie im Internet lächerlich gemacht.
Katelyn Ohashi
Während ihres ersten Jahres nach der Rückkehr sagte sie zu ihrem
Trainer: «Ich will einfach nicht wieder grossartig sein. Als ich grossartig
war, hatte ich daran keine Freude. Ich war nicht glücklich. Warum sollte ich
dorthin zurückgehen wollen?»
«Ich wollte wieder ein Kind
sein»
Ihr Selbstvertrauen schwankte wegen den Fankritiken, die sich auf ihr
Aussehen oder ihr Gewicht und die Form ihres Körpers konzentrierten. Sie wollte
Junk-Food essen und trainierte ständig nach dem Essen, so dass sie die
Gewichttests bestand, um nicht aus dem Team geworfen zu werden.
Doch so war sie nach den Verletzungen nicht wirklich enttäuscht.
Vielmehr machten sie die inneren Selbstzweifel durch die zerfleischenden
Kommentare von «Fans» fertig. So nahm sie den Rückzug aus der Gymnastik
an. «Ich wollte wieder erleben, wie es ist, ein Kind zu sein», erinnert
sich Katelyn.
«Niemand wusste jemals wirklich, was ich durchmachte, und ich konnte nie
sagen,
was mit mir los war. Ich konnte mich selbst nicht akzeptieren. Ich war
froh,
verletzt zu sein.»
Erst im Laufe der Zeit fand sie durch einen anderen Coach zur Freude
am Sport zurück: «Es
brauchte ein anderes Ziel und einen anderen Weg, um endlich wieder
Freude und
Liebe im Sport zu finden. Dadurch konnte ich wieder wie ein Mensch
fühlen. Ich
hatte diese Art von Glück schon lange nicht mehr gespürt.» Diese Freude
sieht man ihr förmlich an, etwa bei ihrer 10-Punkte-Leistung (siehe
Video unten).
«Beziehung zu Gott
verbessern»
Vor kurzem sagte sie in einem Interview: «Ich habe das Neue Testament der
Bibel gelesen, weil ich versuche, meine Beziehung zu Gott zu verbessern. Jemand
sagte mir einmal: 'Ich vertraue nicht den Menschen hier unten, sondern
Gott da oben.'»
Und auch den «Body-Shamern» will sie entgegenhalten: «Ich hatte nie das
Bedürfnis, mich mit Make-up zu präsentieren, weil ich glaubte, dass ich an
meinen Fähigkeiten gemessen werden sollte. Nach diesem Wettbewerb gab es so
viele Kommentare, dass mein Haar nicht perfekt war. Ich habe einen grossen
Wettbewerb gewonnen und die Leute interessierten sich nur dafür, wie ich
aussehe.»