«Hatte nie ein Problem, Physiker und Christ zu sein»
Harald Lesch (Bild: Wikipedia)
Er ist Astrophysiker, TV-Moderator und Autor. Der
Wissenschaftler Harald Lesch hat kürzlich das Buch «Unberechenbar»
geschrieben. Im Interview mit dem Domradio erläutert er, wo die Grenzen
menschlicher Berechenbarkeit liegen. Genau dann sei es wichtig, eine
Hoffnung ausserhalb der Zahlen zu haben.
Für den Astrophysiker Harald Lesch stehen Glaube und Wissenschaft
nicht im Widerspruch. Die Art und Weise, wie er Physik betreibe, habe
nichts mit seinem Bekenntnis als Christ zu tun, sagte der
Wissenschaftler im Interview mit dem Domradio.
Wie er mit seinem Nächsten und der Welt umgehe, aber sehr wohl: «Ich
hatte noch nie eine Sekunde lang irgendein Problem, Physiker und Christ
zu sein. Ich weiss gar nicht, warum das irgendwie immer wieder
hinterfragt wird.»
Menschen, die ihn zu Glaube und Wissenschaft befragten, ermutige er,
auch mal den Tankwart oder den Supermarkt-Verkäufer danach zu fragen: «Wenn es Gott nur für die theoretischen Astrophysiker gäbe, wäre das
eine sehr kleine Gemeinde. Von der religio soll aber keiner
ausgeschlossen sein.»
Zusammenspiel der Lebensbereiche
Aus Leschs Sicht wurden viele Lebensbereiche in den letzten 200
Jahren ökonomisiert. Der Wissenschaftler findet, dass sich die Menschen
der Technologie nicht unbedingt immer unterwerfen sollen. In
Wirklichkeit gebe es andere Qualitäten, die «unser Leben» ausmachen.
Auch in der Corona-Krise könnten wissenschaftliche Berechnungen für «ziemlich gute Prognosen» sorgen oder bei der Entwicklung eines
Impfstoffs helfen. An «vorderster Stelle» stehe aber trotzdem das
menschliche Verhalten: «Da geht es um das, was wir aus den Werten
unseres Lebens ableiten», findet Lesch. Insgesamt komme es auf ein gutes
Zusammenspiel beider Bereiche an.
Unverständnis und Lob
Nicht nachvollziehen kann Lesch, dass immer noch Menschen die Gefahr
von Corona leugneten. Bundeskanzlerin Angela Merkel spreche von einer
Jahrhundertkatastrophe, in anderen Ländern herrschten «wirklich
katastrophale Bedingungen». Diesen Menschen könnte man weder mit
Argumenten noch mit Zahlen beikommen: «Das hat eigentlich eher was mit
einer grundlegenden Ablehnung von wissenschaftlicher Erkenntnis zu tun.»
In Bezug auf die Corona-Krise lobt Lesch die Gesellschaft
ausdrücklich. Sie nehme ganz erhebliche Einschränkungen hin, um die «wirklich verwundbaren Gruppen» zu schützen. Bei Grippe-Epidemien im 20.
Jahrhundert sei dies so nicht der Fall gewesen. Er hoffe auch in
Zukunft auf diese Solidarität. Jeder müsse in dem Bewusstsein leben,
dass ihm auch etwas passiere. Mit Geduld könne man auch diese «Jahrhundertkatastrophe» zusammen überstehen.