«Ich entdecke Storys, die ich nie hätte erfinden können»
Lukas Zünd (Bild: zVg)
Bekanntlich
ist jeder Mensch einzigartig und das gilt auch für Pfarrpersonen. Mit Pfr.
Lukas Zünd haben wir einen Filmemacher vor uns, der in Glaube und Kunst keinen Widerspruch
sieht.
Der Weg zum reformierten Pfarrer in Bäretswil im
Zürcher Oberland beschritt Lukas Zünd (41) erst vor ein paar Jahren. Zuvor war
er in der Filmbranche tätig, jetzt ist er hauptamtlich Pfarrer, doch seinen
ersten Beruf hat er nicht aufgegeben. Aktuell lanciert er gerade seinen ersten
langen Dokumentarfilm «Die dritte und vierte Generation». In beiden Berufen spürt er Gott und seinem
Handeln in der Welt nach.
Passen Kunst und Gott zusammen?
Von seiner Mutter bekam Lukas einen ernsthaften
und leidenschaftlichen Glauben vorgelebt und sein Vater legte ihm ästhetische
Dinge nahe. «Er zeigte uns Architektur und bewertete beim Spazieren die Häuser,
die wir sahen.» Als Kind hatte Lukas das Gefühl, dass Christen keinen Geschmack
haben, während den Leuten, die ein Auge für das Schöne haben, der Glaube an
Gott nicht wichtig ist. Das fand er seltsam.
Nachdem Lukas an seinem fünfzehnten Geburtstag
von seinem Grossvater eine Kamera geerbt hatte, wurde das analoge Fotografieren
zu einer Leidenschaft, die ihn bis heute nicht losgelassen hat. In dieser Zeit
begann er auch Bücher von christlichen Denkern zu lesen, die ihm aufzeigten,
dass Kunst durchaus etwas mit Gott zu tun hat. Dies alles bewegte Lukas dazu, in
Zürich Kunst zu studieren.
Nach Polen, um Regisseur zu werden
«Ich ging nach Polen, um Filmregie zu studieren»,
beschreibt Lukas seinen weiteren Weg. «Die Filmhochschule Lodz ist eine der
ältesten Filmschulen, viele weltweit bekannte Regisseure und Kameramänner lernten
hier ihr Handwerk.» Es war aber auch die Region, die ihn faszinierte. «Immer
schon hatte ich mich für den ehemaligen Ostblock interessiert.» Nachdem er ein
Jahr lang Polnisch gelernt hatte, begann er sein Studium. «In Polen gab es
unter Kulturschaffenden eine grössere Offenheit für Glaubensthemen.» So fühlte
er sich wohl, auch wenn er als evangelischer Christ dort ein Exot war. «Die
Offenheit für Spiritualität in der Kunst hat mich inspiriert und gab mir das
Gefühl, am richtigen Ort zu sein.»
In diesen Jahren lernte er auch etwas Russisch.
Damals konnte er nicht ahnen, dass ihm dies Jahre später noch von Nutzen sein
würde. Im April 2022 nahmen er und seine Frau ukrainische Flüchtlinge im
Pfarrhaus auf. Sieben Monate später ist die fünfköpfige Familie immer noch im
Pfarrhaus, jetzt auch noch mit dem Baby des Pfarrehepaars.
«Der Bestatter» und «Tatort» waren nie das Ziel
Da Lukas in Polen studiert hatte, gab es dabei
keine Gelegenheit, in der Schweizer Filmszene ein Netzwerk aufzubauen. Nach
seiner Rückkehr stellte sich dies als Herausforderung dar. Um das nötige Geld
für den Lebensunterhalt verdienen zu können, übernahm er neben dem Realisieren
verschiedener kleinerer Filmprojekte irgendwelche Jobs. Irgendwann bekam er als
Script/Continuity-Supervisor Aufträge in Regie-Teams bei «Der Bestatter» oder «Tatort».
«Ich wusste aber immer: Das mache ich nicht bis 65.» Lukas wollte ja
ursprünglich mit der Kunst die Inhalte des Glaubens vermitteln. So erstarkte
der Wunsch, auch noch Pfarrer zu werden.
«Ich möchte als Pfarrer Schüler sein von Zwingli
oder Calvin»
2015 startete Lukas sein dreijähriges Studium
– der Lehrgang Quest war gerade frisch für Quereinsteiger konzipiert worden. Neben
der Universität Zürich besuchte er einzelne Module an der staatsunabhängigen
Theologischen Hochschule in Basel. Ein Professor dort beeindruckte ihn besonders
– Armin Sierszyn, ein reformierter Theologe. Als Lukas vernahm, dass er früher
Pfarrer in Bauma war, fuhr er eines Sonntags kurzerhand ins Zürcher Oberland in
den Gottesdienst – und blieb dort für sein einjähriges Praktikum (Vikariat). «Da
merkte ich definitiv, dass die reformierte Kirche meine geistliche Heimat ist.»
Gleichzeitig fand der St.Galler eine Heimat im Zürcher Oberland. 2019 wurde
Lukas ordiniert und landete nach ein paar Stellvertretungen als Pfarrer in
Bäretswil.
«Ich möchte als Pfarrer Schüler sein von Zwingli
oder Calvin», sagt Lukas. «Wie sie, sehe auch ich meinen Auftrag darin, ein
Diener des Wortes Gottes zu sein.» Lukas glaubt an die Bibel als Gottes Wort
mit lebensverändernder Kraft. «Ich sehe es als meine Aufgabe, Menschen aufs
Evangelium hinzuweisen.» Damit spricht er von der historischen Tatsache, dass
Jesus sein Leben für uns Menschen gab und so Gottes Vergebung und inneren
Frieden möglich machte. Und auch davon, dass Jesus von den Toten auferstanden
und heute real gegenwärtig ist in seiner Kirche.
Gott ist der Autor der besten Geschichten
In all seinem Schaffen möchte Lukas Menschen
helfen, zu einem lebendigen Glauben zu finden. Dieser führt nicht zuletzt auch zu
einer neuen Lebensqualität. «Ich erlebe das gerade bei einer Person, die ich
auf den letzten Tagen des Lebens begleite. Sie wehrt sich nicht gegen das
Sterben, weil sie sich freut, bald Jesus Christus sehen zu können.» Zu sehen,
welche Auswirkung ein lebendiger Glaube hat, motiviert ihn, weiterhin zu
erzählen, was Gott für uns getan hat.
Auf Gott hinzuweisen ist für Lukas aber nicht nur
die Aufgabe als Pfarrer, sondern auch als Regisseur und überall sonst. Gerade
durch Kunstformen können gewisse Dinge auf einzigartige Weise vermittelt
werden. Das beinhaltet die Schönheit des Lichts beim Fotografieren oder das
Verfilmen von Geschichten, welche die Realität des Glaubens widerspiegeln. «Ich
entdecke Storys, die ich nie hätte erfinden können. Sie kommen aus der Realität
und lassen für mich keinen anderen Schluss zu, als dass Gott der Drehbuchautor
dieser Geschichten ist.» Letztlich ist Gott der Handelnde und wir die
Entdeckenden.