Premiere: Arts+ Symposium

Kunst, Kommunikation und Köpfchen

Das Künstlernetzwerk Arts+ lud zum ersten Symposium mit dem Titel «Form + Geist. Zugänge zu einer Ästhetik der Spiritualität». Was unter den bemalten Fingernägeln und der Schädeldecke brannte, war vor allem Austausch zum Spannungsfeld Kirche, Kunst und Gesellschaft.
Symposium «Form + Geist. Zugänge zu einer Ästhetik der Spiritualität»
Bildbetrachtung
ThinkTank

Die alten, historischen Gemäuer von Montmirail bieten bestes Ambiente für Künstler; grosszügig und doch mit viel Liebe zum Detail wurden die Teilnehmer sogleich ins Thema der Ästhetik versetzt.

Nur Wort oder auch Farbe und Bewegung?

Es scheint eine Hassliebe zu sein. Die Orgelmusik ist fester Bestandteil der Kirche, doch beispielsweise moderner Tanz hat immer noch einen schweren Stand. Der aktuelle Zwingli-Film zeigt gut, wie damals mit Bildersturm und dem exklusiven «Nur das Wort» auch andere Kreativ-Formen aus der Kirche rausgeworfen wurden.

Und doch sind an einigen Orten in Helvetien scheue Aufbrüche zu farbigeren, bewegteren Gottesdiensten zu sehen. Dies erleben auch die Symposiums-Besucher und so bewegten sie in den drei Tagen genau diese Themen; die Gehirnaktivität lief auf Hochtouren.

Thesen, Tanz und Diskrepanz

Astrid Kuenzler, ihres Zeichens Bewegungskünstlerin, moderierte, begrüsste die Teilnehmer und sprach von einer Elefanten-Schwangerschaft des Symposiums von 22 Monaten.

Die 20 Thesen zu «Kunst, Künstler und Kirche» bildeten den Start des Weekends. Beat Rink, Wortkünstler und Leiter der Klassikmusik-Bewegung «Crescendo», stellte die Formulierungen vor, wo zum Beispiel Folgendes stand: «Die Kirche wird so wachsam für heutige Menschen, die mehr denn je nach ästhetischen Erfahrungen suchen. Ästhetik ist für sie aber nicht einfach Mittel zur Erreichung dieser Menschen, sondern Ausdruck einer durchdachten und theologischen Ästhetik und eines 'künstlerischen Innenlebens'.» Dies gab natürlich bereits viel Stoff für Gedanken und Gespräche.

Nahtlos fügte sich das Referat vom wortgewandten Theologen und Philosophen Matthias Krieg an. Er fuhr fort mit «Wiederholung & Ereignis: Wie Kunst und Glaube sich berühren» und rührte weiter in dieser Themenmasse. Anhand diverser Künstler führte er Gedanken aus wie etwa, dass Kunst und Wunder nicht mit dem GPS zu finden sind, sondern am unscheinbaren Wegrand.

Beide Inputs waren treffend, unterhaltsam und tiefsinnig.

Am Runden Tisch und in der Kapelle

Der RoundTable «Künstler und Kunst in der Kirche» diente als Vertiefung des Thesenpapiers. Wichtig sei, zum Beispiel, sich der transformativen Kraft der Kunst für Kirche und Gesellschaft bewusst zu sein. Weitere Aussagen, die anstachelten, waren: «Wenn Gläubige Gott als DIE Quelle der Kreativität sehen, sollten sie eigentlich immer einen Schritt voraus sein und nicht hinterherhinken» oder «Angst blockiert; es gilt, sie zu überwinden, Grenzen zu überschreiten und zwar beidseitig – für Kirche und Kunst».

Historismus sei eine weitere Blockade, wo man in den guten Anfängen steckengeblieben sei und den damaligen Zustand eingefroren habe, so ein weiterer RoundTable-Sprecher.

Zwischen den Programmteilen und Gedanken-Akrobatik bot sich die Gelegenheit, an Liturgien der Kommunität des Gasthauses teilzunehmen. Dies wurde gern genutzt und bot eine hübsche Ergänzung.

ThinkTanks und Austausch

In den ThinkTanks wurden Themen vertieft. So wurde zu «Kulturkirche», «Gott und Design», «Überlebens-Strategie als Künstler» und anderes nachgedacht und ausgetauscht. Durch Beschäftigung mit Bildern wurde es teilweise auch praktisch, ein Raum wurde zur Spiel- und Aktionswiese oder ein Musikstück wurde analysiert.

Die Balance zwischen Leidenschaft und Üben wurde aufgezeigt, oder dass das Leben als Künstler kein Sprint sei, sondern eher ein Marathon.

Im Schluss-Plenum kamen dann auch folgende Statements aus den ThinkTanks zusammen:

- Welche(r) Platz, Plattformen stehen Kirche, Kunst und Gesellschaft zu?

- Kunst ist nicht da, um die «Inhaltsleere» der Kirchen zu kompensieren.

- Zum Glück gibt's den Segen!

- Inwiefern muss Kunst vermittelt, erklärt werden? Verständnis wecken oder Provokation? Wo ist Vermittlung nötig, wo ist ein Werk selbstredend?

Kreatives Formen von Gesellschafts-Formen

Der deutsche Theologe Hannes Langbein erzählte bei «Community-Specific-Art» – Gemeinde als 'soziale Plastik', wie durch Projekte spontan Menschen auf der Strasse oder Senioren zu Kreativem motiviert werden konnten. Weiter berichtete er vom Projekt WOCHENKLAUSUR, das an soziale Brennpunkte geht und es dort schafft, neue, positive Dynamiken zu entwickeln.

Der Vorteil ist, dass die Kunst nicht alle gesellschaftlichen Regeln einhalten muss, provozieren darf und Neues initiieren kann.

Inspirierend, unterhaltsam und tiefsinnig...

…so kann das Symposium zusammengefasst werden. Die Projektleiterin Astrid Künzler ist nach einer ersten Analyse zufrieden: «Unser Ziel wurde erreicht. Nicht nur, dass sich ein Stück Communitas ereignete und Mut zur eigenen professionellen, künstlerischen Sprache freigesetzt wurde. Es wurden auch Thesen formuliert und debattiert, die zukunftsweisend sein dürften. Kunst kann die Gemeinde aus ihrem Funktionsdenken befreien und hilft mit, dass Kirche sein kann, was sie ist – nämlich Menschen in ein Denken und Empfinden über den Ewigen, über Spiritualität, über Jesus hinein zu nehmen.»

Ein festlicher Abend mit künstlerischen Beiträgen, ein gemeinsamer Gottesdienst mit der Kommunität und verschiedene kreative Beiträge, gesungener Segen und Abendmahl rundeten das Wochenende stimmig ab.

Einige Organisationen stellten ihre Projekte vor, was von Ausstellungen in Industriehallen über Konzerte bis hin zu Kirche Kreativ reichte. Ein erwähntes Zitat könnte für die Anwesenden stehen: Ein Künstler schafft es, seine eigene, individuelle Freiheit zu leben!

Zur Webseite:
Arts+.ch

Zum Thema:
ARTS+ Symposium: Eine neue Bewegung in der Kirchen- und Kulturlandschaft
Micha Areggers Kunst: Gnadenfühler und göttliche Luftblasen
LäbesKunst Festival: Eine Oase im Musik-Krieg

Datum: 14.03.2019
Autor: Roland Streit
Quelle: Livenet

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