Wenn Flaschen fliegen und das Bier spritzt – „dann sind wir am richtigen Ort“

Webseite: http://www.sacrificium.com Foto: Irene Gerber.
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In manchen Clubs ernten die Musiker von «Sacrificium» Pfiffe und Schmährufe. Nicht wegen ihrem Sound, sondern wegen ihrer Inhalte.

Gitarrist Oliver Tesch erinnert sich an ein Konzert in Oelsnitz im Osten Deutschlands: «Es war ein säkularer Bikerclub, und auf der Bühne war schon ein schickes Pentagramm aufgemalt. Als das Publikum dann rausfand, dass wir Christen sind, wurden wir zuerst beschimpft. Das war noch okay, dann wurde uns aber angedroht, dass man uns umbringen würde, wenn wir jemals wiederkommen würden. Mit steigendem Alkoholpegel der Gäste wurden die Beschimpfungen immer deutlicher. Aber ganz so gehasst haben sie uns letztlich wohl nicht, denn ein paar haben sich dann bis morgens um 4 Uhr mit uns unterhalten. Trotz der Gefahr eins, aufs Maul zu kriegen, konnten wir dann Gespräche führen, und es waren nicht schlechte Gespräche. Das sind so die Sachen, die man einfach ausstehen muss.

In einem Jugendclub wurde mit Bierflaschen nach uns geworfen, und der Redner, der auf die Bühne kam, sollte angegriffen werden. Einer wollte auf die Bühne springen und ihn sich schnappen. Das war dann doch sehr spannend.»

Daniel Gerber: Man legt also nicht gerade rote Teppiche für euch aus. Ihr seid da zu viert auf der Bühne und Hunderte Leute bedrohen euch. Was geht einem da durch den Kopf? Turnschuhe anziehen und die Flucht ergreifen?

Mario Henning: Es waren nicht Hunderte, sondern immer nur ein paar wenige, die ausfällig wurden. Das war auszuhalten; ich musste nicht um mein Leben fürchten. Ausserdem bin ich mir ziemlich sicher bin, dass Gott mich da hingestellt hat und dass er sich auch drum kümmert, ob ich da Gefahren ausgesetzt bin oder nicht. Deswegen habe ich eine grosse Sicherheit im Hintergrund und muss keine Angst haben, dass mir was passiert. Ich hab dann auch genügend Antrieb, um auch an einem anderen Ort wieder auf die Bühne zu gehen, wo ich weiss, die Leute mögen das nicht unbedingt, wenn wir sagen, dass wir Christen sind. Aber das Wichtigste ist schon, dass ich genau weiss, da ist einer, der auf mich aufpasst.

Kommt das oft vor, dass Beschimpfungen noch das Anständigste ist, was auf euch einprasselt?
Oliver Tesch: Wenn wir musikalisch gut sind, wird uns zugehört. Wenn wir einen Dreck spielen würden, würden die Leute eher anfangen, dazwischenzurufen. Wenn man seine Sache handwerklich gut erledigt, sind sie auch eher bereit zuzuhören.

Wo werdet ihr als nächstes froh sein um eure Schlagzeugstöcke?
In Polen oder Tschechien könnte ich mir vorstellen, dass die Leute aggressiver reagieren, weil dort die Religion wegen dem politischen System nicht existiert hatte.

Ist es denn mal zu Handgreiflichkeiten gekommen?
Claudio Enzler: Eigentlich nicht. Wir wurden schon ’mal gegen eine Wand gedrückt, aber man muss das ja nicht erwidern. Bisher wurde immer alles verbal gelöst. Zum Glück.

Wie sieht denn so eine verbale Lösung aus?
Kommt drauf an. Das hängt ganz von der Situation ab. Man sollte die Aggressionen einfach nicht erwidern.

Und was geht dir durch den Kopf, wenn ihr spielt gut aber das Publikum Bier hochspritzt?
Ulrike Uhlmann: Ich freue mich. Denn dann weiss ich, dass wir am richtigen Ort sind; da, wo Gott uns haben will. Es ist wichtig, zu den Leuten hinzugehen. Mit ihnen zu reden und für sie zu spielen.

Dann sind christliche Festivals wie «Elements of Rock» für euch eher langweilig?
(Gelächter) Mario Henning: Es ist eine Erholung. Eine angenehme, schöne Sache, wie wenn man nach einem langen, anstrengenden Tag nach Hause kommt und sich in die Badewanne legt. Wir geniessen es schon. Aber unser Platz ist eher die Welt, wenn ich es so christlich sagen darf. So wie Jesus in der Bibel gesagt hat: Geht hinaus in die Welt. Das ist unsere Aufgabe, die wir uns als Band gestellt haben.

Wie sieht die Bandzukunft aus?
Claudio Enzler: Wir haben gerade ein paar neue Lieder aufgenommen und wollen Anfang oder Mitte nächsten Jahres ein Album herausbringen.

Könnt ihr schon etwas zum Inhalt sagen?
Oliver Tesch: Wir hatten die Titelidee «10 Reasons to hate us» («10 Gründe, uns zu hassen»). Wir wollen die Songs so schreiben, dass es noch mehr Reaktionen hervorruft. Nicht mit dem erhobenen Zeigefinger, aber trotzdem die Leute mehr herausfordern. Wir freuen uns auch auf negative Reaktionen. Denn wenn man gar keine erhält, weiss man nicht, was überhaupt los ist.

«10 Gründe, euch zu hassen» – nicht wegen der Qualität, sondern wegen dem Inhalt. Könnt ihr schon ’mal einen Grund sagen?
Es könnten auch zwölf Songs sein, dann würde es einfach «12 Reasons ... » heissen. In einem Lied geht es darum, dass wir Christen oft in Schubladen gesteckt werden und Nichtchristen uns sagen wollen, wie wir uns zu verhalten haben. Und das ist ein Lied dagegen. So im Stil von «Was willst du mir erklären? Du projizierst da etwas hinein, das gar nicht real ist und von dem du keine Ahnung hast. Du kratzt an der Oberfläche, die du selbst gebaut hast. „Christen müssen so und so sein, immer lachen und fröhlich sein und dürfen nicht mal wütend sein.“» Das sind Bilder, die andere in der Familie zum Beispiel über mich haben. Ich darf nicht wütend sein, ich sollte immer fröhlich sein, immer in die Kirche gehen. Lauter solche Klischees. Wir dürfen traurig sein. Wir dürfen wütend sein. Ich glaube, wir sollen manchmal sogar wütend sein über verschiedene Dinge.

Bandmember: Claudio Enzler (Gesang), Ulrike Uhlmann (Gitarre), Mario Henning (Schlagzeug), Oliver Tesch (Gitarre), Samuel Herbrich (Bass).

Diskografie
2002: Cold black piece of flesh
1998: Mortal Fear

Internet: www.sacrificium.com

Sacrificium spielte in der Schweiz am Festival «Elements of Rock». Es soll auch im nächsten Frühling wieder durchgeführt werden.

Infos zu diesem Festival unter www.elementsofrock.com

Datum: 26.04.2004
Autor: Daniel Gerber
Quelle: Livenet.ch

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