«Bei jedem Einschlag schauen wir, ob wir Freunde dort haben»
Adi und Faustus Furrer (Bild: praisecamp.at / frutigen.ch)
Der Konflikt im Nahen Oste spitzt sich zu. Deshalb hat Livenet-Chefredaktor Florian Wüthrich zwei Nahost-Kenner für eine Einschätzung der Lage zum Talk (hier geht's zum Youtube-Video) eingeladen. Faustus Furrer war früher Verteidigungsattaché in Israel und sein Sohn Adrian ist Inhaber von Mideast-Tours.
Adi
Furrer ist als Freund vieler Menschen in Nahost besorgt über die aktuelle Situation. «Ich habe viele palästinensische und israelische Freunde. Wir
haben eine App, in der wir im Minutentakt sehen, wo die Raketen einschlagen und
wir schauen, ob wir Freunde in der Gegend haben.» Eine
neue Stufe der Eskalation erkennt Faustus Furrer darin, dass die Raketen
mittlerweile bis nach Jerusalem und Tel Aviv reichen.
«Es
bedeutet, dass die Hamas mittlerweile Raketen erhält, die soweit reichen, nicht
mehr die selbstgebastelten, die sie einst hatten. Die Qualität, Zielgenauigkeit
und Reichweite wird immer besser. Das braucht ein technisches Know-how, das sie
von irgendwo haben. Das kommt über den Philadelphia-Korridor oder das Meer. Sie
sind der verlängerte Arm des Iran. Sie werden immer näher kommen.» Das ist für
Israel alarmierend.
«Israel
geht schweren Zeiten entgegen»
Am
Montag war einerseits der Jerusalem-Tag, bei dem der Sieg im Sechs-Tage-Krieg
gefeiert wird, andererseits war das Ramadan-Ende nahe. Faustus Furrer: «Da
spielt vieles rein, eine so instabile Regierung hatte man noch fast nie, das
gibt einen Anreiz zum Zündeln. Viele im Gazastreifen meinen, sie können einmal
zurück nach Jerusalem.»
In
Apostelgeschichte 9 wird Lod erwähnt. Adi Furrer macht dazu im Livenet-Talk einen kleinen Exkurs: «Ein muslimischer
Freund von mir sagt, er wolle dahin zurück. Er war noch nie da, sein Vater auch
nicht, aber frühere Vorfahren von ihm – das Ganze geht über Generationen
zurück.»
Vier
Wahlen in zwei Jahren zeigen die innenpolitische Instabilität auf. «Bis 2035
werden 30 Prozent der Bewohner ultra-orthodox sein, 22 Prozent israelische
Araber und der Rest mehrheitlich säkulare Israeli», bilanziert Adi Furrer. «Das
wird unglaublich schwierig. Araber und Ultra-orthodoxe sind sich spinnefeind
und die säkularen haben mit ihnen gar nichts zu tun.»
Hoffnung
auf brüchigen Waffenstillstand
«Die
jungen Menschen haben wenig Perspektive», beobachtet Faustus Furrer. «60
Prozent der jungen Araber in der Westbank sind zwischen 16 und 25 Jahre alt.
Sie schliessen an der Universität ab aber erhalten keine Stelle. Sie wollen
weg.» Diesmal
werde es nicht einfach sein, erklärt Faustus Furrer: «Europa verhandelt mit dem
Iran wegen dem Atomabkommen, für sie ist die Hamas eine Nebenerscheinung. Die
Dimension des Konflikts wird zunehmen.» Die Hamas anerkennt Israel nicht. Diese Faktoren, gepaart
mit der Zerstrittenheit und Optionslosigkeit, seien der Horror.
Adi Furrer
erinnert sich: «Wir sagten vor wenigen Wochen: Corona ist vorbei, nun wird das
politische Nachgeholt.» Eine
gute Lösung sei in naher Zukunft nicht ersichtlich. Religion, Wasserwege,
Wirtschaftswege und die Zerstrittenheit in der Knesseth – die Ansichten sind weit
voneinander entfernt.
Demografische
Entwicklung verschärft Konflikt
Faustus
Furrer hält weiter fest: «24 Prozent der Einwohner Israels sind heute Araber.
Die arabische Bevölkerung nimmt deutlich zu, sie haben viel, viel mehr Kinder.
Auch wenn es keinen Krieg mehr geben würde, würde das zu einem innenpolitischen
Problem.»
Adi
Furrer erklärt: «Auf dem Tempelberg beten die Muslime in Richtung Mekka und an
der Klagemauer beten die Juden. Jesus starb geografisch gesehen in ihrem Rücken.
Alle müssten etwas umkehren.» Als
Christ sei es wichtig, zur Verbindung beizutragen. Jesus würde heute auf die
Juden und Palästinenser zugehen. Adi Furrer: «Wenn er könnte, würde er nach
Gaza gehen.» Faustus Furrer: «Wenn Jesus im Gazastreifen wäre, würde er das was
geschieht, nicht 'cool' finden.»
«In
jedem Krieg – es sind immer Menschen!»
Zum Schluss des Gesprächs, das Sie unten in ganzer Länge anschauen können, spricht Florian Wüthrich nochmals die emotionale Dimension an. Auch er selbst hat Freunde, unter anderem die Familie Oppliger in Tel Aviv (Gründer von KitePride, Tabea Oppliger war z.B. Anfang Jahr in einem Livenet-Talk zu Gast), mit denen er mitleidet. Noch viel mehr Beziehungen in die Region haben Faustus und Adi Furrer. Entsprechend ist Adi Furrer zum Ende des Talks zu Tränen gerührt, als er an sie denkt. «In
jedem Krieg – es sind immer Menschen, all jene, die nun in den
Bunkern sitzen!»
Sehen Sie sich hier den Livenet-Talk zum Thema an:
Datum:
14.05.2021 Autor: Daniel Gerber Quelle: Livenet
Kommentare
Submitted by Piit on 15. Mai 2021 - 23:18.
Schön, dass hier auch die leidende palästinensische Bevölkerung eine Stimme bekommen hat. Nur Jesus Christus kann Menschenherzen so verändern dass aus Hass und Gewalt Versöhnungsbereitschaft und Liebe werden kann. Eine ehrliche Aufarbeitung der Geschichte und eine Abkehr von der Apartheid Politik wäre hilfreich.
Submitted by Annika on 14. Mai 2021 - 16:45.
Vielen Dank für den sehr guten Bericht und Talk zum aktuellen Thema!
Kommentare