Algerien

Youssef: «Ich täuschte Interesse vor»

Youssef* gehört zu den Gemeindeleitern Algeriens. Er berichtete, wie die Christen die Jahre des Terrors überstanden . Youssef war aber nicht immer Christ. Hier erzählt er, wie er seinen Glauben fand.
Die algerische Stadt Oran an der nordafrikanischen Küste. (Foto: Wikipedia)
Wüstenromantik in der Provinz Tindouf.
Das Kap Carbon bei Béjaïa im Nordosten Algeriens. (Foto: Vermondo/Wikipedia)

«Ich wuchs in einem sehr konservativen moslemischen Haus auf. Für mich war klar, dass der Islam die beste Religion ist und Mohammed der letzte Prophet. Und dass es das beste ist, wenn man ein Moslem ist. Natürlich glaubte ich, dass alle Christen, Buddhisten und Hindu in die Hölle müssen.

Vater ermutige mich, den Koran zu lesen und meine Mutter wollte, dass ich ihr am Morgen beim Gebet zuzusehen, so dass ich es lernen konnte. Dann aber verschoben sich meine Prioritäten. Ich wurde ein sehr guter Fussballer und ich sagte mir, ich wähle nun den Fussball und wenn ich älter werde, kann ich das verpasste aufholen und mehr beten und mehr fasten und ein guter Moslem werden, für den Tag des Gerichts.

Auf nach Schweden

Ein Bruder von mir lebte in Skandinavien. Er lud mich ein, ihn zu besuchen. Das war 1977. Ich war von der Schönheit der Natur beeindruckt und wie alles organisiert ist. Gleichzeitig war ich sehr allein. Niemand wollte mit mir sprechen, keiner wollte wissen wer ich bin, geschweige denn, mich einladen. Ich war fremd und einsam. Das kannte ich nicht. Wir waren immer unter Leuten in Algerien.

Ich war nicht strenggläubig aber ich glaubte entschieden an Allah und Mohammed. Eines Tages traf ich in der Stadt auf eine Gruppe Christen. Sie wollten mit mir sprechen, gaben mir ein Traktat, spielten Gitarre und sangen. Sie waren während dem ganzen Monat meiner Anwesenheit die einzigen Einheimischen, die mit mir sprechen wollten. Ich sagte zu meinem Bruder: «Das war der schönste Tag in meinem Leben.» Ich wusste nicht genau, um was es in diesem Glauben von diesen Christen ging. Ich war einfach begeistert, dass sie mich ansprachen. Und dass ich ihnen als Mensch wichtig war. Sie sprachen da etwas von einem persönlichen Gott und von einer persönlichen Beziehung zu Jesus Christus.

Mein Bruder sah das anders: «Nein, nein, das waren Christen. Die rekrutieren hier junge Menschen. Und sie machen eine Gehirnwäsche mit ihnen und schauen, dass sie ihnen Geld abnehmen können. Das ist nicht gut.» Seine Aussage war mir aber egal. Ich wollte einfach Kontakt mit Menschen haben.

Ich täuschte Interesse vor

Wir machten Treffen ab und ich ging hin. Sie luden mich zu sich ein und es gab Kaffee. Die einzigen, die mich zu sich nach Hause einluden, waren die Christen. Und ich war ich schockiert. Sie rauchten nicht. Sie tranken nicht. Sie gingen nicht in die Disco. Ihr Leben war ganz einfach. Ich war erstaunt und fragte sie, warum sie so wären. Ich fragte mich, warum sie das Leben nicht in vollen Zügen geniessen. Sie sagten mir, weil sie Christen seien. Es war das erste Mal in meinem Leben, dass ich den Unterschied sah, zu jemandem, der wirklich glaubt und seinen Glauben auslebt und westlichen Menschen, die nicht glauben. Ich wollte Freundschaft mit diesen Menschen haben. Darum täuschte ich Interesse am Glauben vor. In Wirklichkeit wollte ich einfach Freundschaft mit ihnen haben, bevor ich zurück nach Algerien ging.

Ich las in der Bibel, verstand aber den Inhalt nicht wirklich. Nachdem die Ferien vorbei waren, flog ich zurück nach Algerien. Vor der Abreise sagten meine christlichen Freunde aus Schweden, dass sie mich in Algerien besuchen wollen. Ich fürchtete dann aber, dass sie mit ihrer christlichen Literatur kommen würden. Und in meiner Ortschaft war ich sehr bekannt. Ich musste also eine Lösung finden. Diese bestand darin, dass ich ihnen eine falsche Adresse gab. Eine, die weit weg von meinem Ort war. So dass wenn sie kommen und mich suchen würden, mich nicht finden könnten. So war ich sicher. So hatte ich in meinem moslemischen Land nichts mit Christen zu tun.

Der Tipp

Aber irgendwie begann der Herr an meinem Leben zu arbeiten. Denn was mich wirklich berührte, war das Leben dieser Menschen und das Klang tief in mir drin nach, als ich längst wieder daheim in Nordafrika war.

Ich arbeitete damals an einer Schule. Dort war auch ein Christ aus Ägypten. Er sprach aber nicht sehr offen über seinen Glauben. Aber er gab mir vor meiner nächsten Europareise einen Tipp. Er sagte mir, ich soll mich mit einer Gruppe treffen, die sich «OM» nennt. («Operation Mobilisation»). Die würden mir helfen, das Christentum zu verstehen. Ich legte mir eine Bibel in englischer Sprache zu und ich begann darin zu lesen. Mich faszinierten die Geschichte von Adam und Eva und der Schöpfung. Oder Lot, Abraham und alle weiteren Begebenheiten.

Ich war beeindruckt, dass Jesus in allem einmalig war. Ich wusste aber nicht, wie man Christ wird. Als Moslem hatte ich die Vorstellung, man müsste nach Rom gehen und dort würde es dann ein spezielles Gebet über der Person geben und dann wäre man Christ. Eine solche öffentliche Geschichte wollte ich aber nicht.

Meine Familie war nicht sonderlich glücklich darüber, dass ich oft in der Bibel las. Sie fragte mich, warum ich darin lese. Ich sagte: «Ich lese darin, damit ich mein Englisch verbessern kann.» Es war ja eine englische Bibel.

Der Trick des Pakistaners

1979 ging ich für ein Jahr nach Schweden, an eine Universität. Ich spürte, wie der heilige Geist an mir arbeitete. Auch wenn ich das damals wohl noch nicht in diesen Worten gesagt hätte. Ich wusste nicht so genau was geschah. Ich wollte aber einfach mehr über den christlichen Glauben wissen. Ich hatte Fragen über Jesus, den Sohn Gottes. Ob Jesus der einzige Weg zu Gott ist.

In einer Gemeinde war eine Gruppe, die Ausländern den christlichen Glauben näher bringen wollten. Dort traf ich einen konvertierten Moslem aus Pakistan. Er wusste, dass ich sehr stark am christlichen Glauben interessiert bin. Bei sich zu Hause empfing er mich sehr warmherzig. Er kochte ein feines Essen. Später, nach einem Gespräch über meine Interessen fragte er mich, ob wir gemeinsam in der Bibel studieren wollen. Ich sagte: «Ja.» In meiner Kultur hat man, wenn man Gast ist, eine Frage grundsätzlich mit «Ja» zu beantworten. Wir begannen also ein kurzes Bibelstudium. Ich verstand nichts. Dann erklärte er mir wie man Christ wird und fragte ob ich das auch werden wolle. Ich war in seinem Haus und hatte ja zu sagen ... Er sagte, dass wir nun beten würden und dass ich ihm nachbeten soll. Aber ich fühlte nichts in meinem Herzen. Er dagegen war ein charismatischer Mensch, hüpfte ihm Raum herum und rief gelegentlich «Halleluja!». Seine Freude war riesig.

Die Familie war schockiert

Ich dagegen schaute ihn mit grossen Augen an und ich fragte mich, was nun mit dem los ist. Was hatte ich bloss getan, dass der so «crazy» ist? Dennoch bin ich Gott dankbar. Mein Gebet war zwar nicht wirklich aus meinem Herzen heraus. Aber ich war in den richtigen Händen. Dieser junge Pakistani war ein Mann des Gebets und er widmete sich Gott zu Hundert Prozent. Er machte mich mit anderen Familien in Schweden bekannt. Ich besuchte sie, und ging dann mit ihnen in ihre Gemeinde. Ihr Lebensstil beeindruckte mich tief. Irgendetwas an ihnen war übernatürlich. Ich war zwei Monate mit diesen Menschen zusammen und fühlte, wie sich etwas in meinem Leben veränderte. Ich wusste nicht wie, ich wusste nicht warum – aber ich fühlte es. Mein Leben als Christ wurde tief und ernsthaft.

1980 besuchte ich dann in Paris eine Evangelisation. Dabei fühlte ich den Ruf, nach Algerien zurückzugehen, um meinen Leuten von Jesus Christus zu erzählen. In meinem Leben kriegte ich das Evangelium durch das Leben der Christen mit und ich verstand das Evangelium durch ihre Leben.

Als ich meiner Familie sagte, dass ich nun ein wiedergeborener Christ bin, waren sie schockiert. Sie meinten, ich bringe eine neue Religion. Sie glaubten nicht, dass es das echte Christentum ist. Denn sie meinten, Christen können tun, was sie wollen. Und das Sündigen gehe völlig in Ordnung. Da ich das nicht tat, glaubten sie, ich wäre kein Christ. Ich erklärte ihnen dann, was es heisst, Christ zu sein. Und ich betete für sie. Abgelehnt wurde ich von ihnen nicht. Wir haben eine gute Beziehung und ich bete, dass auch sie zu Christus kommen.

Ex-Terroristen und Ex-Imame kommen

Wir haben ein offenes Haus und viele kommen uns besuchen. Meine Familie hat Hunderte von Christen kennen gelernt. Zum Beispiel frühere Imame und Terroristen – einfach alles mögliche. Ich möchte nun auch sehen, wie auch sie zum Glauben kommen. Gott hat grosses in meinem Leben getan. Es ist die Arbeit des Heiligen Geistes.

Mittlerweile bin ich mehr als 25 Jahre Christ. Mehr als mein halbes Leben. Und ich habe keinen Tag bereut. Das einzige was ich bereue ist, dass ich Jesus nicht schon als Kind kennen gelernt habe.

* aus Sicherheitsgründen bleiben wir bei seinem Vornamen. Er tritt damit öffentlich auf, auch im Internet.

Youssef spricht am Samstag, 29. September am 20-Jahr-Jubiläum von OM (Operation Mobilisation). Das Programm beginnt um 9.30 Uhr in Aarau, an der Delfterstrasse 14 in der Freien Christen Gemeinde. Infos. www.ch.om.org

Youssef arbeitet in der Schweiz auch mit der HMK (Hilfsaktion Märtyrerkirche) zusammen.

Datum: 29.09.2007
Autor: Daniel Gerber
Quelle: Livenet.ch

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