Evi Allemann

«Mich bedrückt die Situation in Darfur sehr!»

In Darfur geschieht eines der schlimmsten Menschenrechtsdesaster der Gegenwart. Das beschäftigt auch die Berner SP-Nationalrätin Evi Allemann. Die Schweiz habe zwar wenig Einfluss auf die Lage, solle aber Überlebenshilfe leisten, sagt Allemann im Interview.
Evi Allemann gehört seit Dezember 2003 dem Nationalrat an.
Sudans Diktator Omar el-Bashir: Die Menschen in Darfur (Westsudan) können nicht auf ihn zählen.
Die Ortschaft Kokoba nach dem Angriff der Janjaweed-Milizen.
Oft werden die berittenen Janjaweed-Milizen von der sudanesischen Luftwaffe mit Hubschraubern unterstützt.
Am 7. Juli 2004 versprach UNO-Generalsekretär Kofi Annan, die Entwaffnung der Janjaweed und die Friedensbestrebungen zu observieren. Annan damals: «Wenn es ein Problem gibt, kümmern wir uns darum!» Mittlerweile starben – je nach Quelle – zwischen 300'000 und 400'000 Menschen.

«Mich bedrückt die Situation in Darfur sehr!», sagt SP-Nationalrätin Evi Allemann. Bisher sprachen drei Staaten von Völkermord: Frankreich, Nigeria und die USA. Die 28jährige Juristin Allemann tut’s auch: «Die mir bekannten Informationen sprechen alle dafür, dass genau dies in Darfur geschieht: ein Völkermord.» Lesen Sie das Interview mit der Berner Nationalrätin.

Livenet: Wie stehen Sie zur Menschenrechtslage in Darfur?
Evi Allemann: Mich bedrückt die Situation in Darfur sehr. Leider wird hier in der Schweiz viel zu wenig über die Menschenrechtsvergehen in Darfur berichtet. Das Ganze ist für die meisten Medien ein Nebenschauplatz: Weil die Übergriffe in Afrika stattfinden, haben sie nicht dasselbe Gewicht wie wenn sie in einer wirtschaftlich bedeutsameren Region geschehen würden. Dabei sind weit über eine Million Menschen in der Krisenregion Darfur auf der Flucht.

Wie soll sich die Schweiz verhalten?
Die Schweiz hat natürlich wenig direkten Einfluss auf die fundamentalistische Regierung im Sudan. Aber sie kann und soll sich in allen internationalen Gremien aktiv dafür einsetzen, dass die Situation durch ein international koordiniertes Eingreifen entschärft wird. Und sie kann und soll den Flüchtlingen vor Ort Überlebenshilfe leisten.

Verschiedene Hilfswerke und einzelne Regierungen sprechen von Völkermord. Sollte die Schweiz dies aus Ihrer Sicht auch tun?
Es ist natürlich immer schwierig, dies rein aufgrund der Medienberichterstattung zu beurteilen. Doch die mir bekannten Informationen sprechen alle dafür, dass genau dies in Darfur geschieht: ein Völkermord. Den sudanesischen Botschafter ins Bundeshaus zu zitieren, bringt ehrlich gesagt nichts. Denn die Regierung in Sudan wird sich von solchen Aktionen leider nicht beeindrucken lassen. Wir haben es dort mit zynischen Fundamentalisten zu tun. Da muss man schon zu wesentlich effizienteren Mitteln greifen.

Nimmt man die Opferzahl des Südsudans dazu, sind die Genozid-Verbrechen der sudanesischen Regierung noch grösser als die Gräuel von Ruanda. Laut Medienberichten bombardiert die sudanesische Regierung die Zivilbevölkerung. Warum lässt man die Machthaber über viele Jahre gewähren?
Die internationale Gemeinschaft ist überfordert mit den vielen gleichzeitig schwelenden Krisenherde in verschiedenen Weltregionen. Denken wir dabei nur an die Auseinandersetzungen im Nahen Osten, die Atomgelüste von Iran und Nordkorea, den Bürgerkrieg in Kolumbien und so weiter. Die internationale Gemeinschaft neigt dazu, letztlich dort einzugreifen oder zu handeln, wo sie die Gefahr für am grössten hält oder wo wirtschaftliche Interessen der mächtigen Länder am ehesten tangiert sind. Beides ist im Sudan nicht der Fall. Das Versagen der internationalen Gemeinschaft ist eine Katastrophe, denn dieses Nichtstun wird wie in Ruanda wiederum vielen Menschen den Tod oder viel Leid bringen. Es wird traumatisierte Menschen zurücklassen und das Land auf lange Sicht destabilisieren. Das ist eine humanitäre Katastrophe.

Sie beschäftigen sich selbst mit verschiedenen Krisenherden, zum Beispiel Nordkorea oder Osteuropa; von dort wird ebenfalls wenig über die Menschenrechtslage berichtet. Wie gehen Sie damit um?
Die Menschenrechtslage in Nordkorea ist katastrophal; das ist hinlänglich bekannt. Das Regime in Nordkorea gehört wohl zusammen mit jenem im Sudan zu den absurdesten und grauenvollsten Regimes der aktuellen Weltpolitik. Die Gefahr, welche von Nordkorea als Atommacht ausgeht, ist gross und bedrohlich für die gesamte Region und den Weltfrieden.

Osteuropa ist ein weites Feld: Da gibt es sehr fortgeschrittene Länder, die ich bestimmt nicht wegen Menschenrechtsverletzungen ins Blickfeld rücken würde - ich denke etwa an Slowenien, Tschechien oder Ungarn. Daneben gibt es aber auch Länder, in denen die Menschenrechtsverletzungen zunehmen und primitive Diktatoren ihr Unwesen treiben (Weissrussland) oder eine gelenkte Pseudodemokratie vorherrscht (Russland).

Ich denke, dass es schwierig ist, die Menschen weltweit für alle Konflikte gleichzeitig zu sensibilisieren. Wahrscheinlich müssten wir uns darauf verlegen zu überlegen, wo es am allerschlimmsten ist, wo am allermeisten Menschen leiden müssen und dort mal die Priorität setzen. Dann wären wir sehr rasch in Darfur. Daneben kann man sich auch noch jene Orte vornehmen, wo am ehesten mit Verbesserungen zu rechnen ist, wo es am wenigsten Druck für Verbesserungen braucht. Doch stattdessen stehen immer die gleichen Regionen im Zentrum des Interesses, wie Israel / Palästina und andere praktisch nie, wie Afrika und Lateinamerika. Mit der parlamentarischen Gruppe Osteuropa* versuche ich, im Schweizer Parlament wenigstens ein bisschen das Interesse an unseren unmittelbaren Nachbarn zu wecken.

* www.pg-osteuropa.ch

Website von Evi Allemann: www.eviallemann.ch

Aktion Nothilfe Sudan

Was in Darfur geschieht ist im Südsudan von 1983 bis 2003 passiert. Gemeinsam mit verschiedenen Hilfswerken läuft bei Livenet.ch und Jesus.ch die Hilfsaktion Nothilfe Sudan. Sie hilft im Südsudan und wird von drei Schweizer Werken unterstützt: CSI (Christian Solidarity International), Frontiers und Vision Africa. Letztere ist nicht selber in diesem Land tätig, unterstützt diese Aktion aber publizistisch.

Die Kontonummer lautet: Postfinance 87-96742-1.
Das Konto lautet auf: CSI Schweiz, Sudan-Hilfe, Zelglistrasse 64, 8122 Binz.

CSI ist seit 1992 im Sudan tätig. Mit dem gesammelten Geld wird Hirse gekauft und an die leidende Bevölkerung verteilt. Karawanen bringen die Lebensmittel zum Beispiel in die Marktstadt Warawar im Südsudan, wo jedes bisschen Nahrung Menschenleben retten kann. Die Einkäufe werden vom Werk getätigt und überwacht.

Statistik der Spenden

Das Sammelkonto ist offen seit Dezember 2004. Bisher wurden 16'830.05 Franken gesammelt.

Statistik des Genozids im Südsudan

Tote: über 2 Millionen Menschen
Vertriebene: 5 Millionen Menschen
Versklavte Menschen: jetzt unter 200'000
Das Morden geschieht seit 1983; von Januar 2005 an via Hungerkatastrophe.

Statistik – Genozid in der Region Darfur (Westsudan)

Tote: über 300'000 Menschen (gemäss Washington Post)
Vertriebene: 2,5 bis 3 Millionen Menschen (epd, sda, UN-Schätzung)
Versklavte: noch keine Angaben; gemäss ARD und anderen Quellen passieren «Verschleppungen».Das Morden geschieht seit 2003.

Dank der Dokumentationsarbeit von CSI konnten der Genozid und die Versklavungen im Süden abgebremst werden.

Hintergrundinfos zur Aktion:
www.sudan.livenet.ch
Homepages der beteiligten Organisationen
CSI: www.csi-schweiz.ch
Frontiers: www.frontiers.ch
Vision Africa: www.visionafrica.ch

Datum: 11.11.2006
Autor: Daniel Gerber
Quelle: Livenet.ch

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