Wie geht es weiter im Sudan?

Die Truppen der afrikanischen Union (AU) sahen oft tatenlos zu, wenn die Zivilbevölkerung angegriffen wurde. Die AU war selbst zu schlecht ausgerüstet und zu klein.
Die 7000 Soldaten der afrikansichen Union sind in Darfur überfordert.
Zerstörtes Haus in Darfur.
Der sudanesische Diktator Omar el-Bashir (links) und UNO-Generalsekretär Kofi Annan. El-Bashir verbot Annan den Einsatz einer UNO-Truppe. Annan gehorchte.

Über 300'000 Menschen mussten in Darfur sterben. Jetzt spricht auch Frankreich von Völkermord. Bald könnte es noch schlimmer kommen: Die Truppen der afrikanischen Union ziehen sich Ende September aus Darfur zurück. Ob die UNO in die Lücke springt ist ungewiss.

Im grössten Land Afrikas ist wenig, wie es sollte. Der Südsudan erholt sich nur langsam vom Völkermord mit über zwei Millionen Toten (1983 bis 2004). Seit 2003 geschieht im Westen des Landes, in Darfur, das gleiche. Zivilisten werden vertrieben, verschleppt, die Dörfer geplündert. 300'000 Menschen starben, über 2,5 Millionen sind auf der Flucht. Die schwarzafrikanische Bevölkerung hat keinen Platz im islamischen, grossarabischen Reich der sudanesischen Regierung. Viele Menschen aus Darfur flüchten in den christlichen und animistischen Südsudan. Die Menschen dort haben sich selbst noch kaum von den Greueln der früheren Jahre erholt. Infrastruktur wie Strassen, fliessendes Wasser oder Strom ist noch kaum vorhanden. Gunnar Wiebalck war im September 2006 im Südsudan. Wir sprachen mit dem Mitarbeiter des christlichen Hilfswerks «Christian Solidarity International»:

Gunnar Wiebalck, wie sieht die Situation im Sudan aus?
Gunnar Wiebalck: Viele der Darfur-Flüchtlinge gelangen in den Südsudan, dahin wo wir oft sind. Diese Flüchtlinge leben unter erbärmlichsten Umständen. Sie berichten von Überfällen der Armee und ihrer Milizen auf die Zivilbevölkerung in Darfur. Die Flüchtlinge kommen im Süden an, ausgezehrt und mit zerfetzten Kleidern. Sie müssen sich von Pflanzen, Blättern von den Bäumen und Insekten ernähren. Dort wo wir waren, gab es seit Monaten keine Nahrungsverteilung. Manche leben unter Bäumen, andere unter Stangen mit einer Plane darüber. Sie konnten aus Darfur nichts mitnehmen. Ihr Schicksal ist ungewiss. Andere flüchteten in den Nordsudan oder nach Tschad. Andere irren in Darfur herum. Die Regierungen Frankreichs und Amerikas sprechen von Völkermord. Die EU sandte einen Sonderbotschafter. Der teilte mit, dass die sudanesische Regierung die Zivilbevölkerung wieder bombardiert. Der Sudan verstösst damit natürlich gegen alle völkerrechtlichen Prinzipien. Das verlangt nach einer UNO-Truppe.

Wie realistisch ist es, dass eine UNO-Truppe kommt? Die UNO kündigte das schon mehrfach an und die sudanesische Regierung verhinderte es.
Noch ist eine 7000köpfige Truppe der afrikanischen Union in Darfur. Diese Soldaten haben nicht die Aufgabe, die Zivilisten zu schützen. Sondern nur die Kampfhandlungen zu beobachten und darüber zu berichten. Ihr grösstes Anliegen ist, sich selbst zu schützen. Ihr Mandat läuft Ende September 2006 ab – also sehr bald. Dann müsste die UNO kommen. Sonst wären keine Beobachter mehr da und die sudanesische Regierung könnte den Völkermord unbeobachtet fortsetzen. Ich rechne damit, dass die Truppe der afrikanischen Union am 1. Oktober einfach die Helme tauschen muss. Den blauen der AU-Beobachtertruppe gegen den weissen der UNO. Und schon ist eine UNO-Truppe im Land. Das ist zu wenig – 7000 Soldaten in einem Gebiet, das so gross ist wie Frankreich...

Die UNO-Truppe hätte immerhin 20'000 Mann. Aber es ist unwahrscheinlich, dass die 7000 durch 13'000 Soldaten aus internationalen Beständen aufgestockt wird. Es bedeutet, dass die Hungersnot weitergeht und Zivilisten bombardiert werden. Und die internationale Gemeinschaft lehnt sich zurück, schliesslich ist aus ihrer Sicht ja jetzt die UNO da. Zumindest hat die bisherige Truppe jetzt neue Helme auf.

Angenommen, die UNO würde nun Truppen senden – würde da eine Wiege der Geborgenheit entstehen?
Das ist leider nicht anzunehmen. Selbst wenn die UNO mit 20'000 Mann anrücken würde. Zuerst müsste sie sich zurecht finden. Sie müsste Unterstände bauen, sie müsste sich eingraben, sie müsste sich sichern gegen Überfälle der Regierung. Wenn sie das nach Monaten geschafft hätte und sich erfolgreich eingenistet hätte, Würde wohl das passieren, was uns neulich der Präsident des Südens, Salva Kiir, sagte: Die Regierungsmilizen würden sich einfach wieder nach Süden bewegen und dort die Bevölkerung angreifen. So wie sie es bis vor zwei Jahren taten, durch Überfälle, durch Menschen in die Sklaverei verschleppen, durch abbrennen von Dörfern, durch Völkermord. Es ist nicht davon auszugehen, dass eine Wiege der Geborgenheit entstehen würde, sondern der Konflikt würde sich einfach ein paar Hundert Kilometer in den Süden verlagern. Das Friedensabkommen im Süden wurde unter eine UNO-Truppe in Darfur leiden. Die Zukunft im Sudan ist wenig versprechend.

Von 1983 bis 2004 geschah ein Völkermord im Südsudan. Seit Januar 2005 herrscht mehr oder weniger Frieden. Im Jahr 2011 kann der Süden wählen, ob er ein eigener Staat werden will. Wie beobachten Sie das?
Es gibt zwei Möglichkeiten. Die erste: Der Süden würde mit dem Norden eine Einheit bilden wollen. Geschehen würde das mit grösster Wahrscheinlichkeit nur, wenn die Abstimmung manipuliert würde. Die zweite Möglichkeit ist die: Wenn sich eine amtlich registrierte Mehrheit für einen unabhängigen Südsudan ergeben sollte, würde der Norden die Kampfhandlungen sofort wieder aufnehmen. Denn die Regierung in Khartoum würde es auf keinen Fall zulassen, dass der Süden, mit seinem Öl, selbständig würde.

Aktion Nothilfe Sudan

Was in Darfur geschieht ist im Südsudan von 1983 bis 2003 passiert. Gemeinsam mit verschiedenen Hilfswerken läuft bei Livenet.ch und Jesus.ch die Hilfsaktion Nothilfe Sudan. Sie hilft im Südsudan und wird von drei Schweizer Werken unterstützt: CSI (Christian Solidarity International), Frontiers und Vision Africa. Letztere ist nicht selber in diesem Land tätig, unterstützt diese Aktion aber publizistisch.

Möglichkeit zu einer Spende

Die Kontonummer lautet: Postfinance 87-96742-1.
Das Konto lautet auf: CSI Schweiz, Sudan-Hilfe, Zelglistrasse 64, 8122 Binz.

CSI ist seit 1992 im Sudan tätig. Mit dem gesammelten Geld wird Hirse gekauft und an die leidende Bevölkerung verteilt. Karawanen bringen die Lebensmittel zum Beispiel in die Marktstadt Warawar im Südsudan, wo jedes bisschen Nahrung Menschenleben retten kann. Die Einkäufe werden vom Werk getätigt und überwacht.

Statistik der Spenden

Das Sammelkonto ist offen seit Dienstag, dem 7. Dezember 2004.
Bisher wurden 16830,05 Franken gesammelt.

Statistik des Genozids im Südsudan

Tote: über 2 Millionen Menschen
Vertriebene: 5 Millionen Menschen
Versklavte Menschen: jetzt unter 200'000
Das Morden geschieht seit 1983; von Januar 2005 an via Hungerkatastrophe.

Statistik – Genozid in der Region Darfur (Westsudan)

Tote: über 300'000 Menschen (gemäss Washington Post)
Vertriebene: 2,5 bis 3 Millionen Menschen (epd, sda, UN-Schätzung)
Versklavte: noch keine Angaben; gemäss ARD und anderen Quellen passieren «Verschleppungen».
Das Morden geschieht seit 2003.

Dank der Dokumentationsarbeit von CSI konnten der Genozid und die Versklavungen im Süden abgebremst werden.

Hintergrundinfos zur Aktion:
www.sudan.livenet.ch

Homepages der beteiligten Organisationen
CSI: www.csi-schweiz.ch

Frontiers: www.frontiers.ch

Vision Africa: www.visionafrica.ch

Datum: 22.09.2006
Autor: Daniel Gerber
Quelle: Livenet.ch

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