Das Jahr 2002 in Deutschland: Jahrtausendflut und "Christival"

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Für evangelische Christen in Deutschland war das Jahr 2002 von einer unglaublichen Naturkatastrophe, von Grossveranstaltungen und wegweisenden Entscheidungen der Kirchen geprägt. Ein Rückblick von Christian Starke von der Nachrichtenagentur idea in Wetzlar.

Gebetet: Rund 450‘000 Christen im deutschsprachigen Europa trafen sich am Jahresanfang zum gemeinsamen Gebet an rund 1‘500 Orten. Die Deutsche Evangelische Allianz begrüsste das wachsende geistliche Miteinander über Kirchengrenzen hinweg und die verstärkte Einbindung junger Christen bei der Gebetswoche. Erstmals gab es vereinzelt Gebetstreffen für Kinder.

Gestritten: Um die evangelistische Kampagne "Kraft zum Leben" der amerikanischen Arthur-DeMoss-Stiftung kam es im Januar zu einem Streit. Sie bot mit Hilfe von Prominenten wie dem Golfprofi Bernhard Langer und dem Sänger Cliff Richard gratis eine missionarische Schrift an. Linksorientierte kirchliche Gruppen und einige kirchliche Weltanschauungsbeauftragte rückten die Stiftung in die Nähe einer Sekte. Die Deutsche Evangelische Allianz stellte sich hinter die Kampagne und rief christliche Gemeinden auf, sie missionarisch zu nutzen. Die DeMoss-Stiftung hat bisher mehr als 60 Millionen Bücher mit dem Titel "Kraft zum Leben" in 15 Ländern verbreitet.

Geworben: Mit Inseraten in Zeitschriften und Grossplakaten ging die Evangelische Kirche EKD von März bis August an die Öffentlichkeit. Ziel war es, mit kirchenfernen Menschen ins Gespräch zu kommen. Als Einstieg dienten Fragen wie "Was ist Glück?" und "Sind Fussballer unsere wahren Götter?" Die 1,5 Millionen Euro teure Imagekampagne stiess in den kirchlichen Reihen auf ein unterschiedliches Echo. Während die einen die Kampagne als pfiffig lobten, kritisierten andere, dass sie nur Fragen gestellt habe, anstatt Antworten zu geben.

Gekriselt: Die grösste deutsche Freikirche, der Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden (Baptisten- und Brüdergemeinden), geriet in die schwerste Krise seiner Geschichte. Personalquerelen und ein Schuldenberg führten zu massiven Spannungen. Im Mai trat die gesamte Bundesleitung bei der Tagung des Bundesrates zurück. Als Interimspräsidenten wählte die Versammlung Pastor Siegfried Grossmann und als seinen Stellvertreter Raimund Utsch. Bei einem Sonderbundesrat im November beschlossen die Delegierten eine neue Leitungsstruktur. Künftig soll ein Generalsekretär an der Spitze der Freikirche stehen. Die bisherige Bundeszentrale in Bad Homburg soll aufgegeben und in das Bildungszentrum im brandenburgischen Elstal verlegt werden.

Ermutigt: Zum 11. "Gemeindetag unter dem Wort" versammelten sich am 30. Mai rund 15‘000 Christen in Stuttgart. Das von der Ludwig-Hofacker-Vereinigung in Württemberg ausgerichtete Treffen stand unter dem Motto "Jesus Christus - das Licht der Welt". Die Redner riefen die Besucher auf, ihren Glauben selbstbewusster zu vertreten. Der Vorsitzende der Hofacker-Vereinigung, der EKD-Synodale Volker Teich, bezeichnete den Gemeindetag als "unüberhörbares Zeichen gegen Angst, Resignation und Hoffnungslosigkeit".

Eingemischt: Unter dem Motto "Um Gottes willen konsequent" stand die diesjährige Jahreskonferenz der Deutschen Evangelischen Allianz im thüringischen Bad Blankenburg. Die Redner ermutigten Christen, sich in der Gesellschaft einzumischen. Sie sollten in einer Welt der Korruption, des Wirtschaftsbetruges und öffentlicher Verleumdungen "Zeugen der Wahrheit und Boten der Liebe" sein. An dem Treffen Ende Juli nahmen wie in den Vorjahren rund 3‘000 Christen teil, um sich fünf Tage intensiv mit dem Wort Gottes zu befassen.

Zurückgetreten: Zu einem Paukenschlag kam es Anfang September in der Ökumene. Die hannoversche lutherische Landesbischöfin Margot Kässmann erklärte ihren Rücktritt aus dem Zentralausschuss des Weltkirchenrates in Genf. Sie begründete ihren Schritt damit, dass das Gremium zu sehr auf Forderungen der orthodoxen Kirchen eingegangen sei. Sie hatten eine Vorherrschaft westlicher Kirchen beklagt. Künftig sollen demokratische Mehrheitsentscheidungen in ein Konsensverfahren umgewandelt und ökumenische Gottesdienste durch "konfessionelle und interkonfessionelle Gebete" ersetzt werden. Frau Kässmann sieht darin einen Rückschlag für die Ökumene.

Gestartet: Am 1. Oktober ging von Hamburg aus das weltweit erste Bibelfernsehen auf Sendung. Im Programm dreht sich alles um die Heilige Schrift. Rund um die Uhr können die Zuschauer Bibellesungen, Dokumentationen, Spielfilme, Musik- und Quizsendungen sowie Gesprächsrunden sehen. Initiator ist der Bonner Verleger Norman Rentrop, dessen gemeinnützige Rentrop-Stiftung auch die Mehrheit an der Bibel-TV-Stiftung hat. Die Programme sind über eine digitale Satellitenanlage und sonntags für zweimal eine halbe Stunde auf dem Kabelsender NBC zu empfangen.

Gefeiert: Eine "Invasion" junger Christen erlebte die Stadt Kassel vom 2. bis 6. Oktober: Mehr als 20‘000 Dauerteilnehmer und rund 5‘000 Tagesgäste besuchten den Jugendkongress "Christival". Sie beteten, sangen und feierten Jesus Christus. 8‘000 Teilnehmer gingen evangelistisch auf die Einwohner der nordhessischen Grossstadt zu: Sie verschenkten ein Jesus-Video und ein Buch mit Auszügen aus dem Neuen Testament. Ein grosses Lob zollte der Kasseler Oberbürgermeister Georg Lewandowski den Veranstaltern und Teilnehmern: "Was wir in den fünf Tagen an frischer und frommer Festival-Atmosphäre erlebt haben, hat die Menschen unserer Stadt begeistert. "

Getagt: Die EKD-Synode ging im November auf ihrer diesjährigen Tagung in Timmendorfer Strand der Frage nach "Was ist der Mensch?" In einer Kundgebung sprach sich das "Kirchenparlament" dafür aus, die Würde jedes Menschen in der ganzen Spanne seines Lebens zu schützen. Darin wird das kirchliche Nein zur Präimplantationsdiagnostik und zur aktiven Sterbehilfe bekräftigt. Ausserdem zog die Synode einen Schlussstrich um die jahrelange heftige Auseinandersetzung zur Seelsorge in der Bundeswehr. Der Beschluss für eine einheitliche Regelung der Militärseelsorge habe "kirchengeschichtliche Bedeutung", so der Präses der Synode, Jürgen Schmude.

Gesteigert: Das Interesse an der Willow-Creek-Bewegung, die entkirchlichte Zeitgenossen mit der christlichen Botschaft erreichen will, ist weiter gestiegen. Am Willow-Creek-Kongress vom 21. bis 23. November in Oberhausen nahmen mehr als 8‘000 Christen teil. Damit verdoppelte sich die Teilnehmerzahl gegenüber dem Treffen vor zwei Jahren. Der Gründer und Leiter der Willow Creek-Gemeinde in Chicago, Bill Hybels, empfahl, suchende Menschen in Kleingruppen einzuladen. Diese seien missionarisch besonders wirkungsvoll. Willow Creek habe innerhalb weniger Jahre 1‘000 solcher Gruppen eingerichtet.

Datum: 31.12.2002
Quelle: idea Deutschland

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