Studie: Kanton Zürich weniger christlich als die übrige Schweiz

Zürich - Christliche Religiosität ist in Zürich wie in der ganzen Schweiz nach wie vor die prägende religiöse Kraft. Allerdings habe der Kanton Zürich deutlich "geringere christliche Religiosität", konstatiert der Religionswissenschaftler Jörg Stolz in seinem am Mittwoch publizierten Bericht "Individuelle Religiosität, Kirchenbindung und Einstellungen zu den Kirchen im Kanton Zürich". Er entstand mit finanzieller Unterstützung der Evangelisch-reformierten Kirche des Kantons Zürich.

In einem Zehnjahresvergleich stellt Jörg Stolz in seiner Studie eine Verschiebung von jenseitigen zu diesseitigen Religionsvorstellungen fest. In diesem Zeitraum ging die von der Studie erfasste "christliche Religiosität" zurück und nahm die "immanente Religiosität" zu. Immanent Religiöse glauben nicht an ein Jenseits, einen Gott in einer anderen Dimension oder ähnliches. Stattdessen verlegen sie ihre Religiosität auf das Diesseits: So sind sie unter anderem der Meinung, Gott sei nichts anderes als "das Gute im Menschen".

Parallel dazu hält der Forscher fest, dass in der Schweiz in den letzten zehn Jahren der Einfluss christlich-religiöser Vorstellungen auf das tägliche Leben abgenommen hat. Diese Abnahme ist besonders stark festzustellen bei den Familienfesten, der Wahl des Lebenspartners, der Bewertung von Politik und der Einstellung zum Geschlechtsleben. Dagegen sind religiöse Vorstellungen laut Studie sehr wichtig geblieben, wenn es um Krankheit, die Bewältigung schwieriger Lebenssituationen oder die Einstellung zur Natur geht.

Für die Bindung der Menschen an eine Kirche sind laut Studie vor allem drei Faktoren verantwortlich: christliche Religiosität, Werte und Kontakt. Im Kanton Zürich haben laut Studie 40 Prozent der Reformierten und 39 Prozent der Katholiken angegeben, dass sie sich als "Gemeindeglied" fühlen. Im Vergleich mit der übrigen deutschen Schweiz bildet Zürich in dieser Hinsicht das Schlusslicht.

Gemeinschaft mit Kirche "nicht nötig"

Betrachtet man die Kirchenbindung jedoch individualistisch, so wechselt das Bild: 58 Prozent der reformierten Mitglieder fühlen sich ihrer Kirche stark verbunden, wenn diese die Werte vertritt, die ihnen persönlich wichtig sind. Ein weiterer wichtiger Indikator: Zwei Drittel der Reformierten sehen in der Kindererziehung eine wichtige Aufgabe. Wobei lediglich 29 Prozent, typisch für Reformierte, im Unterschied zu 43 Prozent bei der römisch-katholischen Kirche, die Auffassung teilen, dass "Kirche eine Gemeinschaft sei, die sie nötig hätten".

Markant ist laut Jörg Stolz der Anteil der Menschen, die zwar formell Kirchenglied sind, die aber die Gemeinschaft der Kirche nach eigenen Angaben "nicht nötig" haben. So stimmten 93 Prozent der befragten Reformierten der Aussage zu, dass sie auch "ohne Kirche an Gott glauben" können, und 84 Prozent nahmen für sich in Anspruch, auch "ohne Teilnahme an kirchlichen Veranstaltungen Mitglied sein" zu können.

Austrittsneigung
Die Bindung an die eigene Kirche zeigt sich auch darin, ob man darüber nachdenkt, in der Kirche zu bleiben oder aber auszutreten. Im Kanton Zürich haben 49 Prozent der Reformierten und 39 Prozent der Katholiken schon einmal daran gedacht, aus ihrer Kirche auszutreten. Im Vergleich: Die Austrittsneigung liegt in der Schweiz insgesamt bei 28 Prozent, wobei die Reformierten mit 34 Prozent über dem Durchschnitt liegen. Der Kanton Zürich nimmt den Spitzenplatz ein und überflügelt sogar Basel.

Datum: 26.07.2002
Quelle: Kipa

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