Bedürfnisbefriedigung ausserhalb der Partnerschaft
«Du bist alles, worauf ich gehofft hatte, alles was ich brauche», sang Joe Cocker. Und die Beatles trällerten: «Alles was du brauchst, ist Liebe.» Meine Partnerin und die Liebe zu ihr ist alles, was ich brauche. Tatsächlich?
Partnerschaft und Liebe haben einen hohen Stellenwert in unserer
Gesellschaft. Das ist wunderbar. Nie würde ich mich 200 Jahre
zurücksehnen in eine Zeit, wo ich meine Frau nach wirtschaftlichen
Kriterien ausgesucht hätte («kann sie gut Ziegen melken und ist sie eine
fleissige Bäuerin?») und die Liebe normalerweise nur eine sehr
untergeordnete Rolle gespielt hat.
Hohe Erwartungen
Die Kehrseite unserer Liebesgesellschaft sind ausgesprochen hohe
Erwartungen an die Partnerschaft. Erwartungen, die in aller Regel nicht
zu erfüllen sind. Unser Gegenüber kann niemals alle unsere Bedürfnisse
befriedigen. Liebe ist eben nicht alles, was wir brauchen.
Eine neue Studie hat gezeigt, dass es für das Gelingen unserer
Partnerschaft deutlich wichtiger ist, wie wir unsere Partnerschaft
wahrnehmen, als wie unser Partner tatsächlich ist. Die subjektive
Wahrnehmung machte bis zu 45 Prozent des Beziehungserfolgs aus, während
Persönlichkeitsmerkmale keinen messbaren Einfluss auf die Beziehung
hatten.
Welchen Massstab lege ich an?
Wie wir unsere Beziehung wahrnehmen und beurteilen, hängt aber in
erster Linie vom Massstab ab, den wir anlegen. Dieser Massstab sind unsere
Erwartungen. Wir beurteilen unsere Partnerschaft immer im Verhältnis zu
dem, was wir von ihr erwarten. Wenn nun die Erwartungen unrealistisch
hoch sind, haben wir ein Problem.
Spielpartnerin, Buchclubpartner, Sexualpartnerin, Gebetspartner,
Tennispartnerin, Serienguckpartner, Geschäftspartnerin,
Diskussionspartner… Natürlich wissen wir alle, dass unser Partner nie
alles sein kann, was wir brauchen. Und trotzdem glauben wir manchmal,
alle unsere Bedürfnisse müssten in unserer Partnerschaft erfüllt werden.
Mit diesen übersteigerten Erwartungen legen wir einen zu strengen
Massstab an unsere Beziehung. Dadurch werden wir unzufrieden und unsere
Partnerschaft leidet darunter.
Bedürfnisse anders ausleben
Um unsere Partnerschaft zu entlasten, ist es hilfreich, einige
unserer Bedürfnisse zumindest teilweise ausserhalb der Partnerschaft
abzudecken. Beispielsweise unser Bedürfnis, etwas zu lernen. Oder unser
Bedürfnis nach sozialen Kontakten. Das Bedürfnis nach Anerkennung, nach
Spiritualität, oder nach Freiheit.
Natürlich hat die Bedürfnisauslagerung auch Grenzen. Die Befriedigung
gewisser Bedürfnisse kann nicht ausgelagert werden, ohne der
Partnerschaft Schaden zuzufügen. Und es ist ja schliesslich auch schön,
wenn wir einander viel geben können. Aber wie so oft geht es darum, das
richtige Mass zu finden.
Zum Weiterdenken
Welche Bedürfnisse könntet ihr ausserhalb eurer Partnerschaft abdecken, um eure Beziehung zu entlasten?