Wunder in der Luft

Wunder in der Luft
Kolibri

Einige der bestbekannten und meistbewunderten Gottesgeschöpfe können fliegen. Unübertroffen sind sie allein schon wegen ihrer Mannigfaltigkeit, ihrer Farben sowie ihres Gesanges; dazu kommt noch ihre ungeheure Vielzahl. Letzteres betrifft vor allem die Insekten. Wer hat als Kind nicht schon einmal an einem heiteren Sommertag hinter einem bunten, schillernden Schmetterling hergejagt?

Doch noch erstaunlicher sind die wissenschaftlichen Fakten über viele dieser kleinen fliegenden Wunder.

Der Wanderinstinkt

Der Vogelzug ist von schwindelerregender Erstaunlichkeit. Die Vögel kennen Ziel und Kurs haargenau. Sie wissen bis ins Detail, wo sie nisten, wo sie Futter finden und wo sie den Winter verbringen. Eine Art des Strandläufers reist beinahe 16 000 Kilometer ins Winterquartier.

Die arktische Seeschwalbe unternimmt jährlich zwei Reisen von fast 18 000 Kilometern von einem Polargebiet zum anderen, und das ohne Kompass und Landkarte.

Zugvögel haben ein eingebautes Navigationssystem. Da sich eine Kursabweichung fatal für sie auswirken würde, müssen sie die Ablenkung durch den Wind ständig korrigieren. Die Menschen haben sie verschiedentlich durch raffinierte Versuchsanordnungen zu irritieren versucht; alle Versuche schlugen jedoch fehl.

Die Klappergrasmücke

Das Klappern ist sicher nicht das Wichtigste an diesem kleinen gefiederten Freund, doch der Wanderinstinkt der Klappergrasmücke ist frappierend. Nachdem sie in Deutschland den Sommer verbracht hat, zieht es sie in wärmere Gegenden, wobei sie ihre elterlichen Pflichten sträflich zu vernachlässigen scheint, denn sie lässt ihre Jungen allein zurück.

Erst Wochen später machen sich die jungen Grasmücken auf den Weg, um über Tausende von Kilometern durch unbekannte Gebiete und ohne fremde Hilfen wieder mit ihren Eltern zusammenzutreffen. Offensichtlich verfügen sie über ein eingebautes Navigationssystem, das geographische Länge und Breite sowie den Sternenhimmel in seine Berechnungen einbezieht. Mit unübertrefflicher Präzision treffen sie zur rechten Zeit am rechten Ort ein. 1

Die Möwen

Wenn wir über die Wunder des Universums nachdenken, kommen uns so alltägliche Kreaturen wie Möwen recht uninteressant vor - gehören sie doch zu den Müllmännern Gottes, die sich überall herumtreiben, wo es Wasser gibt, und oft auch dort, wo keines ist. Wer schon einmal über den Ozean gefahren ist, hat gesehen, wie die Möwen das Schiff verfolgen, um irgendetwas Essbares zu ergattern. Da fliegen sie dann - mitten auf dem Ozean und fernab von Land und Süsswasser.

Das wirft die interessante Frage auf: Was trinken die Möwen, wenn sie Tausende von Kilometern vom Land entfernt sind? Die Vermutung, dass sie Meerwasser trinken, können wir getrost verwerfen. Tränken sie Salzwasser, so hätten sie nur eine kurze Lebenserwartung. Aber Wasser brauchen sie.

Die Antwort ist höchst erstaunlich. Sie trinken tatsächlich Salzwasser, denn es bleibt ihnen keine Alternative. Das Salzwasser passiert eine Filtermembran, die sich als äusserst effektive Entsalzungsmaschine erweist. Das Salz wird als Tränentropfen aus den Möwenaugen ausgeschieden. Und das übrige, jetzt salzfreie Wasser kann in den Stoffwechselkreislauf einbezogen werden.

So einfach ist das; doch Menschen können Vergleichbares nur unter enormem Kostenaufwand fertig bringen.

Muschelragout

Als Junge habe ich oft Freunde in Brewster Beach in Massachusetts besucht. Bei Ebbe wird der Strand dort mehr als einen Kilometer breit. Wir gingen dann auf das Watt hinaus und gruben nach Venusmuscheln; das sind besonders grosse Vertreter dieser zweischaligen Weichtiere.

Dabei haben wir oft fasziniert den Möwen zugeschaut. Die wissen ganz genau, wo sich eine Venusmuschel dicht unter der Wasseroberfläche befindet. Von hoch oben können sie vielleicht die winzigen verräterischen Öffnungen ihrer Atemröhren erkennen. Die Vögel kamen dann wie ein Sturzkampfbomber herabgeschossen und schnappten mit grosser Sicherheit die unglückliche Muschel. In elegantem Bogen ging es danach wieder in die Höhe.

Doch gab es nun ein Problem. Die Muschel war sicher verpackt. Wie konnte die Möwe an die fette Mahlzeit gelangen, die zwischen den dicken Schalen steckte? Doch auch dafür wusste sie Rat. Nachdem sie eine von ihr für ausreichend befundene Höhe erreicht hatte, liess das schlaue Tier die Muschel fallen, legte die Flügel an und überliess sich ebenfalls der Schwerkraft. Gewöhnlich zerbrach die Schale beim Aufprall auf den Strand. Die Möwe breitete die Flügel aus und ergriff die Beute, ohne dabei zu landen. Oben in der Luft verzehrte sie dann die leckere Muschel, die nirgends besser schmeckt als in Neuengland.

Wer hat dem Vogel das beigebracht?

Ein Jäger in Südamerika wurde durch die Angstschreie eines Vogels angelockt. Eine Giftschlange kroch auf dessen Nest zu. Der Vogel flog für kurze Zeit weg und kam mit einem beblätterten Zweig zurück, den er quer über sein Nest legte. "Die Schlange wand sich am Stamm empor und glitt dann auf dem Ast auf das Nest zu. Gerade wollte sie zustossen, als sie plötzlich den Kopf zurückwarf, als habe sie einen tödlichen Schlag erhalten; sie kehrte blitzschnell um und eilte so schnell sie konnte den Baum hinab. " Später erfuhr der Jäger, dass die Blätter von einem Busch stammten, der ein für Schlangen tödliches Gift enthält. Der Anblick und der Geruch der Blätter hatten die Schlange in die Flucht geschlagen. 2

Haben Sie schon einmal miterlebt, wenn ein Vogel das Theaterstück "Gebrochener Flügel" aufführt? Wenn eine Katze auf einen Baum zuschleicht, der ein Nest mit Jungvögeln beherbergt, muss die Vogelmutter alle Hebel in Gang setzen, um ihre Kinder zu beschützen. Sie setzt sich auf den untersten Zweig und fliegt dann vom Baum weg, wobei sie sich fortwährend auf den Boden fallen lässt, als sei einer ihrer Flügel gebrochen und sie daher so gut wie flugunfähig. Keine Katze, die ihren Namen verdient, lässt sich eine derart leichte Beute entgehen. Doch auf diese Weise wird der Räuber vom Nestbaum weggelockt. Raten Sie einmal, wer den Kürzeren zieht!

Der Kolibri

Er kann schweben, blitzschnell tauchen, und vorwärts wie rückwärts, senkrecht nach oben wie nach unten oder auch seitwärts fliegen oder aber sich kopfüber fallen lassen, wenn er einem Verfolger entkommen will. Nur mit ausgebreiteten Flügeln segeln kann er nicht. Seine Flügel schwirren schneller als die jedes anderen Vogels. Er erzeugt dabei ein summendes Geräusch, daher heisst er auf Englisch "Summvogel". Sein Herz schlägt 126mal pro Minute. Kein Kolibri wiegt mehr als 30 Gramm, die kleinsten nur zwei Gramm. Sein Gehirn ist zwar winzig, aber im Verhältnis zum Körper das grösste unter allen Vögeln.

Während ihres Wanderzuges fliegen einige Kolibris die 800 Kilometer über den Golf von Mexiko, ohne eine Verschnaufpause einzulegen. Mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 40 Stundenkilometer brauchen sie in 20 Stunden ein Gramm ihres aufgespeicherten Körperfetts auf. Wenn das keine "ökonomische Fahrweise" ist!

Der Webervogel

Diese wahren Meisterkonstrukteure bauen ihre Nester mit unglaublichem Geschick. Sie häkeln und weben und knüpfen die verschiedensten Materialien fest zusammen; dann verankern sie ihre Meisterwerke mit verknoteten "Tauen" und verbinden sie durch Hängebrücken.

Die Meise

Dieser Vogel wird nicht so sehr durch die Kälte als vielmehr durch den Hungertod bedroht; nach 24 Stunden ohne Nahrungsaufnahme stirbt er. Unser Herr hat gesagt, dass der himmlische Vater die Vögel des Himmels versorgt (Matth. 6,26), und daher leben die Meisen noch immer, vergnügt und ohne sich um den morgigen Tag Gedanken zu machen. Alles ist liebreiche Gnade und schwebende Leichtigkeit.

Das Flughuhn

Das Flughuhn brütet seine Eier in der Wüste Namib aus, wo die Temperaturen bisweilen auf 75 Grad Celsius ansteigen können. Die Glucke kühlt sich in dieser Gluthitze selbst, indem sie ihre Kehle heftig vibrieren lässt, um möglichst schnell die Luft austauschen zu können. Noch erstaunlicher ist, wie das Männchen täglich für die Jungen Wasser herbeischafft. Jeden Morgen fliegt es zum Trinken zu einem weit entfernten Wasserloch. Wegen der 39 vielen an den Wasserstellen lauernden Feinde halten sich die meisten Vögel dort nur für Sekunden auf.

Vater Flughuhn aber bleibt länger, damit sich seine Brustfedern voll Wasser saugen können. Diese Federn sind so beschaffen, dass sie Wasser für den Transport zu den Jungen aufnehmen können. Dann fliegt er schwer mit Wasser beladen zurück - manchmal bis zu 80 Kilometer. Sobald er ankommt, stürzen sich die Jungen auf ihn, da sie instinktiv wissen, wo das kostbare Wasser zu finden ist. 3

Der Buntspecht

In den Kiefernwäldern der US-Bundesstaaten Georgia und Florida bohrt der Buntspecht das Loch für sein Nest nicht in morsche Bäume, sondern in lebende. Er wählt eine Stelle ziemlich tief unten am Stamm. Das Holz ist so hart, dass manchmal mehrere Vögel zwei Jahre lang daran arbeiten. Dabei läuft aus den obersten Holzschichten ein harziger Saft. Der Buntspecht verteilt diesen Saftstrom über die ganze Öffnung, indem er kleine Rinnen für ihn bohrt, durch die er fliessen kann. Das gelbe Harz macht die Höhle, in der der Vogel seine Jungen gross zieht, deutlich sichtbar.

"Bitte eintreten", denkt die Klapperschlange. Sie ist eine gute Kletterin und auf das Ausrauben von Nestern spezialisiert. Und da sich die Höhle unten am Stamm befindet, ist sie für die Schlange äusserst leicht zu erreichen. Aber - und nun kommt das grosse Aber - der Harzgeruch ist dem Reptil dermassen zuwider, dass es beim Näherkommen mit einer Rückwärtsrolle zu Boden gleitet und sich auf und davon macht. 4

Der Monarchfalter

Was kann an einem so kleinen Schmetterling Besonderes sein! Doch man höre und staune: Nachdem der Schmetterling in den Tannen einer bestimmten Hochebene in Zentralmexiko überwintert hat, fliegt er in nördlichere Breiten, weil ihm der dortige Sommer besser gefällt. Auf der Reise legt er gerade so viele Pausen ein, dass er seine Eier an bestimmte Wolfsmilchgewächse legen kann, was für seine Spezies die Arterhaltung gewährleistet.

Dann geschieht das Erstaunliche. Sobald der Winter naht, fliegt die neue Generation auf besagte Hochebene in Zentralmexiko, obwohl sie nie zuvor dort gewesen ist. Wer weist ihnen den Weg? Von ihrer Geburt an hatten sie keinen Kontakt zu den älteren Monarchfaltern; niemand konnte ihnen den Weg zeigen. Doch mit unbeirrbarer Sicherheit ziehen sie in das angestammte Winterquartier.

Fortsetzung: Die Ameisen

1 Michael E. Long, Secrets of Animal Navigation, National Geographik Magazine, Juni 1991, Seite 76.
2 J. Sidlow Baxter, Awake, My Heart (Grand Rapids: Zondervan Publishing House, Nov. 1978), Seite 36.
3 Entnommen aus Creatures of the Namib Desert, National Geographic Video, erzählt von Burgess Meredith, 1977.
4 Entnommen aus The Living Planet: The Northern Forests, Time-Life Video, erzählt von David Attenborough, 1987.

Datum: 13.10.2006
Autor: William Mac Donald
Quelle: Ein Gott der Wunder tut

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