Ist Schenken eine riskante Sache?

Geschenke

Die Augen des Mädchens strahlen, während es seine glitzernde Barbie in die lila Kutsche unter den Christbaum setzt. Die Eltern lehnen sich seufzend zurück: Der Einkaufsmarathon an den Adventssamstagen hat sich gelohnt.

Leider sind solche Weihnachtsszenen wie diese nur der Idealfall. «Schenken ist eine riskante Sache», weiss Friedrich Rost, Erziehungswissenschaftler an der Freien Universität Berlin.

Enttäuschungen lassen sich nicht immer vermeiden. Geschenkideen müssen reifen, damit das Präsent zum Gegenüber passt, seine Wünsche und Träume möglichst erfüllt. «Powershopping» bis kurz vor Weihnachten ist daher selten von Erfolg gekrönt. Sinnvoller sei es, bereits über das ganze Jahr nach passenden Präsenten zu suchen, rät der 56-jährige Wissenschaftler: «Spontaneität ist beim Schenken nicht angebracht.»

Geschenk muss materiell angemessen sein

Das Schenken ist weit mehr als der Austausch einer Ware. «Es bekräftigt soziale Beziehungen», hat der Mainzer Kultursoziologe Professor Gerhard Schmied erforscht. Und es offenbart etwas über die eigene Identität: Der Abteilungsleiter, der seiner Sekretärin zu Weihnachten statt edler Pralinen eine Tafel Allerwelts-Schokolade auf den Schreibtisch legt, wird seinen Ruf als Geizkragen so leicht nicht mehr los. Doch teure Gaben können das Gegenüber ebenfalls beschämen: «Ein Geschenk muss materiell angemessen sein, sonst geht es schnell in Richtung Almosen», gibt der 65-jährige Experte zu bedenken.

Warten können

Seine Enttäuschung über ein Präsent sollte ein Beschenkter möglichst nicht zeigen, rät Erziehungswissenschaftler Rost. Dieses Gebot gelte jedoch umso weniger, desto inniger das Verhältnis zueinander sei.

Manchmal möchte der Geber eine Veränderung bewirken - indem er zum Beispiel seiner Frau, die sich in seinen Augen immer in gedeckten Farben unsichtbar macht, einen knallroten Pullover schenkt. «Wenn sie diesen nicht mag, ist es angebracht über die missliebige Gabe und Erwartungen an den anderen zu sprechen», sagt der 56-Jährige. Zu lernen, mit Enttäuschungen umzugehen und warten zu können, bis sich ein Wunsch erfüllt, sei ein «wesentlicher Nebeneffekt» des Schenkens - gerade für Kinder.

Menschen etwas Gutes tun

Der Austausch von Präsenten symbolisiert jedoch zu Weihnachten mehr als nur Dank und Freude: «Jesu Geburt ist das Geschenk Gottes. Diese unerwartete Gnade gibt der Mensch weiter, indem er anderen etwas Gutes tut», erläutert Professor Rainer Kampling, katholischer Theologe an der Freien Universität in Berlin, die theologische Grundlage.

Zum wichtigsten kollektiven Schenktermin im Jahr wurde Weihnachten allerdings erst mit dem Beginn der bürgerlichen Gesellschaft im 19. Jahrhundert, als breitere Bevölkerungsschichten zu mehr Wohlstand gelangten. Durch die Einführung des Feiertags und das festliche Arrangement habe der Termin eine besondere Wertigkeit bekommen. «Die Beziehung zu Jesu Geburt ist relativ locker», ist Religionssoziologe Schmied überzeugt.

Im südlichen Europa lassen sich die religiösen Bezüge noch stärker verfolgen: So beschenken sich die Spanier am Dreikönigstag - in Erinnerung an die drei Weisen aus dem Morgenland, die dem Christkind ihre Gaben zur Krippe brachten. War ursprünglich Bischof Nikolaus mit seinen mildtätigen Gaben das Vorbild der Schenkenden, etablierte sich im 19. Jahrhundert der Weihnachtsmann. «Er soll den Gaben den Charakter des Aussergewöhnlichen verleihen - sie als ein Geschenk des Himmels präsentieren», erklärt Schmied.

Vorsicht „Antigeschenk“

Es gibt aber auch das «echte Antigeschenk» - der Wink mit dem Zaunpfahl in Engelpapier und Schleifchen: Ein Duden für das Kind mit Rechtschreibproblemen sollte ebenso tabu sein wie ein Fitnessgerät für einen Mann mit Figurproblemen. «Das signalisiert: So wie du bist, gefällst du mir nicht», warnt Rost. Den anderen mit seinen Vorlieben in den Mittelpunkt der Überlegungen zu stellen, ist daher immer noch der beste Weg zu einem schönen Geschenk.

Datum: 26.11.2005
Quelle: Epd

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