Mutter ist die Beste – und Billigste

Was ist eine Mutter „wert“? In Deutschland umgerechnet 3000 Franken monatlich, meint der ADAC. Und nach einer Schweizer Studie ist die unbezahlte Arbeit der Frauen rund doppelt so wertvoll wie die der Männer. Nur: Wo bleibt dafür die Anerkennung?
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Muttertag - heute werden viele Vorstätze gemacht, dass man von nun seine Mami oder seine Frau mehr unterstützen will. Mehr Zeit, Aufmerksamkeit, Mithilfe, Zuneigung, Komplimente... Wir wünschen Ihnen das Gelingen! Denn die Mütter haben es wirklich nötig und auch verdient. Allen Müttern wünschen wir einen relaxten Tag!

Sie war Direktorin einer Grund– und Kindergartenschule in Strassburg und hat sich bewusst für den Beruf der Mutter und Hausfrau entschieden: Martine Liminski. Zusammen mit ihrem Mann, dem Journalisten Jürgen Liminski, hat sie jetzt das Buch „Abenteuer Familie“ herausgegeben (Sankt-Ulrich-Verlag, Augsburg), das über Erziehung, Familienpolitik und Liebe zwischen Eltern und Kindern reflektiert. Im Folgenden die Gedanken der zehnfachen Mutter über die Arbeit der Familienfrau.

Der ADAC rechnet’s vor

Ich bin eine so genannte Nur-Hausfrau. Eine von rund zehn Millionen in dieser Republik. Das sind zehn Millionen Stimmen, denken die Politiker. Zehn Millionen Konsumenten plus Haushalt, rechnen die Kaufleute. Zehn Millionen Dummerchen, sagen sich die Werbefritzen. Zehn Millionen Mülltonnen, kalkulieren die Stadtkämmerer. Zehn Millionen Splitting-Faktoren, schreiben die Steuerbeamten mit spitzem Bleistift. Zehn Millionen Leser, murmeln die Journalisten. Also immerhin die Anerkennung als Funktionsträger, als zehn Millionen Marktfaktoren. Aber wer oder was bestimmt den Marktwert? Ausgerechnet die Zeitschrift ADAC-Motorwelt stellt diese Frage. Wieviel ist eine Mutter wert? Und sie berechnet anhand einer Universitätsstudie den Wert der deutschen Hausfrau: rund 1850 Euro im Monat, bei einer Wochenarbeitszeit von durchschnittlich 70 Stunden. Keine Spur von einer Vier-Tage-Woche. Mutter ist die Beste – und die Billigste. Ein Rechtsanwalt mit dem Spezialgebiet Hausfrauen-Unfälle meinte einmal zum Muttertag: „Eine Hausfrau ist im Schnitt 30 Prozent weniger wert als ein beliebiger Arbeitnehmer. Im Falle eines Unfalls wäre ich lieber ein Auto als eine Hausfrau. Das hat wenigstens einen Marktwert.“

Aber wehe, wenn sie fehlen

Das ist nicht sehr feinfühlig, aber es stimmt wohl. Hausfrauen und Mütter, die wirklichen Motoren der Gesellschaft, werden von den meisten Politikern und Journalisten geflissentlich übersehen. Sie stehen in der Regel nicht auf der Rampe, tummeln sich nicht in Talkshows. Sie gehören zu jener Grau– oder Dunkelzone, in der die Selbstverwirklichung angeblich nicht möglich ist und in der die Armut blüht, die materielle und die geistige. Aber wer so denkt, hat keine Ahnung. Vielleicht auch kein richtiges Zuhause. Jedenfalls keines, in dem man die Seele baumeln lassen kann, in dem man um seiner selbst willen geliebt wird, in dem es nicht darauf ankommt, was man hat, sondern dass man ist.

Sicherheit finden

Intimität heisst das Schlüsselwort. Das passt wirklich nicht zu unserer Bühnenwelt, in der immer neue Kulissen das Szenenbild verändern. Und dennoch: Intimität ist das Grundmuster der Familie. Intimität verdichtet und verwirklicht sich in dem Gefühl, geborgen, geschützt und existentiell in Sicherheit zu sein. Hier kann ich leben, hier kann ich sein, mit all meinen kleinen Fehlern.

Einmal fand ich abends nach der Rückkehr vom Elternabend auf dem Bett einen Zettel von Mimi, gerade erste Klasse: „Lieba mama, ich frohie mich, wal du mich das Leben geschenk has.“ Vermutlich hat Arnaud, der an diesem Tag auf die Kleinen aufpasste, ihr das erklärt, und ich weiss nicht, worüber ich mich mehr gefreut habe, über die Spontaneität des Herzens mit den kleinen Fehlern oder über die Botschaft selbst. Es war eines jener Gänseblümchen für den permanenten Muttertag, es war ein Stück Zuhause. In solchen Momenten spüre ich, dass Gott mich in meiner Berufung als Mutter nicht im Stich lässt.

Anerkennung durch die Statistik

So weit Frau Liminski. Die Wertschätzung durch ihre Tochter hat jetzt auch das Statistische Bundesamt der Schweiz auf seine Weise und in seiner Sprache bestätigt. Eine neue Studie zum volkswirtschaftlichen Wert von Haus– und Familienarbeit, einem bislang wissenschaftlich vernachlässigten Bereich, vorgelegt.* Ihr Ergebnis lautet: „Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass wenn man bei der Berechnung des Bruttoinlandproduktes (BIP) die unbezahlte Arbeit berücksichtigt hätte, deren Wert zwischen einem Drittel (Opportunitätskostenansatz) und etwas mehr als der Hälfte (Spezialistenansatz) des schweizerischen BIP von 1997 entsprechen würde. Bemerkenswert ist, dass der Anteil der Frauen an der Wertschöpfung ungefähr doppelt so hoch ist wie jener der Männer, d.h. die unbezahlte Arbeit der Frauen ist rund doppelt soviel wert wie die der Männer.“

1 Frau = 2 Männer

Wörtlich schreiben die Verfasser dazu: „Bewertet man die unbezahlten Tätigkeiten mit den Durchschnittslöhnen von mehreren aus verschiedenen Fachkräften gebildeten Äquivalenzgruppen, erhält man einen Wert von 215'235 Mio. Fr., was 57,9 Prozent des BIP der Schweiz von 1997 entspricht. Davon entfallen auf die Frauen 141'260 Mio. Fr. (38,0 Prozent) und auf die Männer 73'975 Mio. Fr. (19,9 Prozent). Die zweite Perspektive beschäftigt sich mit der Frage, wie hoch der Einkommensverlust der Leute ist, wenn sie – anstatt erwerbstätig zu sein – einer unbezahlten Arbeit nachgehen. Auf dieser Fragestellung beruht der Opportunitätskostenansatz. Dessen Anwendung mit Marktlöhnen für Erwerbstätige und potentiellen Löhnen für Nichterwerbstätige führt zu einem Wert von 139'347 Mio. Fr. oder 37,5 Prozent des BIP der Schweiz. Der Anteil der Frauen an dieser Wertschöpfung beträgt 85'938 Mio. Fr. (23,1 Prozent), jener der Männer beläuft sich auf 53'409 Mio. Fr. (14,4 Prozent).“

Nur schlagen sich diese Rechenbeispiele in der Wirklichkeit kaum nieder. Warum eigentlich nicht?

Quelle: Stiftung für die Familie

* „Monetäre Bewertung der unbezahlten Arbeit. Eine empirische Analyse für die Schweiz anhand der Schweizerischen Arbeitskräfteerhebung“ ist im Internet abrufbar unter: http://www.statistik.admin.ch/

Datum: 12.05.2002
Autor: Fritz Imhof

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