Autoren und Zusammensteller

Wir haben in Kapitel 2 schon gesehen, dass das erste Buch Mose möglicherweise aus einer Anzahl ganz alter Dokumente (ursprünglich auf Tontafeln festgehalten) zusammengestellt wurde, dass Mose diese Bücher zusammenfasste und dass er die übrigen Bücher des Pentateuchs (1.5. Buch Mose), von Gott inspiriert, selber geschrieben hat. Es ist wichtig festzustellen, dass anscheinend mit der Entstehung der Bibel ein deutliches Wissen heranwuchs, dass diese einzelnen Bücher heilig und als von Gott autorisierte Bücher mit besonderer Sorgfalt und Ehrerbietung zu behandeln sind. Das Gesetzbuch des Mose (der Pentateuch oder die Thora) wurde neben der Bundeslade (der heiligen Lade in Gottes Stiftshütte vgl. 5. Mose 31,2426) und später im Tempel zu Jerusalem sorgfältig aufbewahrt (vgl. 2. Könige 22,8). Josua vollendete wahrscheinlich das 5. Buch Mose, indem er das 34. Kapitel hinzufügte.

Dann schrieb er seine eigene Geschichte (das Buch Josua), fügte diese zu dem "Gesetzbuch Gottes" und legte sie wahrscheinlich ebenfalls in Jahwes Heiligtum (vgl. Josua 24,26). Der nächste Bibelautor war vermutlich der Prophet Samuel, der auf jeden Fall die Gesetze für das Königtum in einem Buch aufschrieb und dieses ebenfalls "vor dem Angesicht Jahwes" niederlegte (1. Samuel 10,25).

Samuel ist eine wichtige Person, weil er eine Prophetenschule leitete (vgl. 1. Samuel 19,20), aus welcher möglicherweise eine grosse Zahl Propheten hervorgegangen sind, die bei der wachsenden Kollektion der heiligen Bücher eine Rolle spielten. So muss das Buch Richter, das dem Buche Josua direkt folgt, zur Zeit Samuels, nachdem in Israel ein König eingesetzt worden war (vgl. Richter 17,6; 18,1; 19,1; 21,25), fertig geworden sein vielleicht von Samuels eigener Hand. Auf jeden Fall wurde die Geschichte des Königs David von Samuel und ausserdem von den Propheten Nathan und Gad beschrieben (1. Chronik 29,29). Die zwei Chronikbücher sind die ersten einer ganzen Reihe prophetischer Bücher über die Zeit der Könige. Ausserdem beschrieben die Propheten Nathan, Ahias und Jedo (= Iddo) die Geschichte des Königs Salomo (siehe 2. Chronik 9,29), Schemaja und Iddo die des Königs Rehabeam (siehe 2. Chronik 12,15), und Iddo fügte die Geschichte des Königs Abia hinzu (siehe 2. Chronik 13,22). Der Prophet Jehu schrieb die Geschichte des Königs Hiskia (siehe 2. Chronik 32,32). Andere Propheten beschrieben die Geschichte des Königs Manasse (2. Chronik 33,19).

Auch die Geschichte der letzten Könige wurde in Bücher geschrieben (2. Chronik 35,27). Diese prophetischen Bücher finden wir nicht in unserer Bibel, sie sind sogar ganz und gar verloren gegangen. Es wird aber in der Bibel immer wieder auf diese unbekannten Bücher hingewiesen, weil sie anscheinend die Regierungszeiten der beschriebenen Könige sehr viel ausführlicher behandelten. Wahrscheinlich sind die biblischen Bücher Samuel, Könige und Chronik Zusammenfassungen, die von Propheten aus den obengenannten, ausführlichen Büchern zusammengestellt und redigiert wurden. Vielleicht wissen wir sogar, wer dieser Redaktor oder diese Redaktoren waren. Der grosse Prophet Jeremia, der kurz vor und während der babylonischen Gefangenschaft (6. Jahrhundert vor Christus) geschrieben hat, wird nirgends als einer der Autoren der Königsgeschichten genannt. Doch hat er sehr viel geschrieben, wie sich in seinen Büchern Jeremia und Klagelieder herausstellt, die das ausdrücklich betonen (siehe Jeremia 30,2; 36,1 + 2 + 18; 45,1 + 2; 51,60 + 63). Auch hat das letzte Kapitel vom 2. Buch der Könige eine grosse Ähnlichkeit mit dem, was Jeremia in Jeremia 39 - 41 und 52 beschreibt. Es ist auch bemerkenswert, dass der Prophet Daniel während seiner Gefangenschaft anscheinend über die Bücher Mose und die Propheten verfügte, von denen er namentlich Jeremia nennt (Daniel 9,2 + 6 + 11). Man kann deshalb wohl annehmen, dass Jeremia den Auszug aus den prophetischen Büchern, wie wir ihn heute kennen, zu dem Buch der Könige machte ein Gedanke, der vom Talmud (siehe weiter unten) gestützt wird.

So sehen wir, wie von Anfang an besondere "Männer Gottes" (wie die Propheten manchmal genannt werden), zum Beispiel Mose, Josua, Samuel und Jeremia, ununterbrochen mit dem Schreiben, Zusammenstellen und Redigieren der Kollektion der heiligen Bücher beschäftigt waren. Während der Gefangenschaft wurde diese Arbeit von anderen grossen Propheten, wie Hesekiel und Daniel, weitergeführt. Manche Ausleger meinen, dass Hesekiel in seinem Buch (Kapitel 13,9) auf ein bestehendes offizielles "Prophetenregister" hindeutet, das sich in den Archiven des Tempels befand (vielleicht eine Liste der genannten Autoren und Zusammensteller der biblischen Bücher?); Hesekiel nennt auch Daniel als einen der wichtigen Diener Gottes (Hesekiel 14,14). Da Daniel selbst (wenn es sich hier in Hesekiel 14,14 um dieselbe Person handelt) anscheinend im Besitz der Bücher Mose und der Propheten (d.h. Josua bis Könige und vielleicht einiger prophetischer Bücher auf jeden Fall Jeremias) war, kann man annehmen, dass die Juden am Ende der babylonischen Gefangenschaft schon weit mehr als den grössten Teil des Alten Testaments besassen.

Nach der Gefangenschaft hat der Priester und Schriftgelehrte Esra offensichtlich auch eine Version der Geschichte der Könige gegeben, und zwar in dem Buch der Chronik. Es ist hauptsächlich die Geschichte des Königreiches Juda und die des Tempels (vgl. Nehemia 12,23). Wir haben es hier mit einem typisch priesterlichen Bericht zu tun, und die Königsbücher berichten aus prophetischer Sicht, so dass beide Bücher wunderbar miteinander harmonieren. Die Bücher der Chronik sind mit dem Buch Esra verbunden, weil die letzten Verse der Chronik die ersten Verse von Esra bilden. Nach Esra folgt dann das Buch des Statthalters Nehemia. Zur gleichen Zeit prophezeite auch der letzte Prophet und Bibelautor nämlich Maleachi. Damit wurde das Alte Testament fertiggestellt. Der babylonische Talmud berichtet: "Nach den letzten Propheten Haggai, Sacharja und Maleachi wich der heilige Geist von Israel."

Datum: 25.10.2005
Autor: Willem J. Glashouwer
Quelle: Die Geschichte der Bibel

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