In dieser wichtigen Stelle wird der Reihe nach über das gesprochen, was wir schon in Offenbarung, Inspiration und Erleuchtung eingeteilt haben. Bei allen drei Bezeichnungen spielt der Heilige Geist die entscheidende Rolle. Erstens hat Gott durch seinen Geist den Gläubigen die Wahrheit geoffenbart (entfaltet, enthüllt, bekanntgemacht). Gott kennt ja die Tiefen seiner selbst und ist demnach auch imstande, sie uns zu offenbaren. Zweitens sehen wir dann, dass der Heilige Geist die Wahrheit nicht nur entfaltet, sondern auch in den Personen gewirkt hat, zu denen die Offenbarung kam, also hier in den Aposteln. Sie haben den Geist aus Gott empfangen, so dass sie nicht nur die Wahrheit hörten, sondern auch wussten, was ihnen von Gott aus Gnade geschenkt worden war. Darum redeten sie mit Worten, die ebenso von diesem Geist gewirkt, d.h. inspiriert waren. Weil es derselbe Gott ist, der dies alles bewirkt, sind die Schriften dieser Apostel also ebenso rein, ebenso inspiriert und autoritativ wie die Offenbarung, die sie bekamen. Wir stossen in 1. Korinther 2,13 noch auf eine Übersetzungsschwierigkeit. Es scheint aber, dass wir den Schluss von Vers 13 (»und deuten geistliche Sachen für geistliche Menschen«) im Zusammenhang gesehen am besten folgendermassen übersetzen sollten: (a) »so dass wir geistliche Sachen durch geistliche Worte mitteilen«; oder (b) »und deuten Geistliches (Sachen) für Geistliche (Menschen)«. In der ersten Übersetzung geht es um die Inspiration: Die geistlichen Dinge, über die die Verfasser der Bibel reden, sind nicht in menschlich-unvollkommener Form verfasst, sondern in geistlichen, also von Gott inspirierten Worten. Die »Form« ist ebenso autoritativ und unfehlbar wie der »Inhalt« (falls wir diese Begriffe wirklich voneinander trennen können), denn beide sind geistlich, von Gottes Geist gewirkt. In der zweiten Übersetzung geht es um die Erleuchtung: Nicht jeder Mensch kann geistliche Wahrheiten verstehen, sie können nur geistlich denkenden Menschen zugänglich gemacht werden. Das bedeutet (wie die Verse 14-16 weiter erklären), dass der Geist Gottes nicht nur für die Offenbarung von Gottes Wahrheit und für die Inspiration der heiligen Schriften nötig ist, sondern dass auch diejenigen, die Gottes Wort empfangen, seinen Geist brauchen. Der Bibelleser muss »geistlich« sein, erleuchtet vom Heiligen Geist, denn die Wahrheit kann nur »geistlich«, durch das Licht des Heiligen Geistes, beurteilt und verstanden werden. Wer diese geistliche Erleuchtung besitzt, hat »Christi Sinn« (das rechte Verständnis). Die Inspiration unterscheidet sich also von der Offenbarung und der Erleuchtung. Gott hat »vorzeiten manchmal und auf mancherlei Weise geredet zu den Vätern durch die Propheten« (Hebräer 1,1). Das ist eine Offenbarung; aber wenn alle diese Propheten ihre gesamten Offenbarungen einfach aufgeschrieben hätten, wären dar-aus nicht ohne weiteres »Heilige Schriften« entstanden. Dazu war ausser der Offenbarung die »Inspiration« notwendig. Offenbarung ist die göttliche Enthüllung der Wahrheit, Inspiration ist die göttliche Niederschrift der Wahrheit. Einerseits wurde den Propheten viel geoffenbart, das nicht in inspirierten Schriften festgelegt wurde; andererseits gibt es eine Menge inspirierter Schriften in der Bibel, die keine neue Offenbarung enthalten. Aber es besteht auch ein Unterschied zwischen Inspiration und Erleuchtung. Die Inspiration der Schrift ist nicht zugleich eine Garantie dafür, dass diejenigen, die darin lesen, sie auch verstehen werden. Dazu ist Erleuchtung des Herzens und des Verstandes notwendig (vgl. Lukas 24,31 +32+45). Wie wir schon sahen, verstanden sogar die Bibelverfasser nicht alles, was sie niederschrieben. Und doch waren ihre Schriften vollkommen inspiriert. Es gibt wohl verschiedene Stufen der Erleuchtung, nicht aber eine abgestufte Inspiration. Die Apostel waren mehr erleuchtet als David, und dieser war wiederum mehr erleuchtet als Bileam. Aber die Worte, die wir in der Schrift von Bileam, David und Paulus vorfinden, sind alle gleich inspiriert, gleich göttlich und von gleicher Autorität.
Datum: 05.07.2005
Autor: Willem J. Glashouwer
Quelle: Die Geschichte der Bibel