Zurück zu den eigenen Gefühlen

«Du musst gar nicht stark sein»

Weinend sass die Krankenschwester im Stationszimmer der Chirurgischen Abteilung und konnte sich nicht mehr beruhigen. Sie spürte, dass sie total am Ende war.
Ich stand dauernd unter Hochspannung und lief am Limit.
Befreiend: Ich muss gar nicht stark sein!

In meinen Diensten hatte die Arbeit an Umfang und Komplexität dermassen zugenommen, dass meine Kolleginnen und ich dauernd unter Hochspannung standen und am Limit liefen. Mein Körper wehrte sich dagegen. Ich litt an Bauchkrämpfen, war dauernd angespannt und konnte auch nach Dienstende das Stressdenken nicht mehr ablegen. In mir rotierte es weiter und kam nicht zur Ruhe. Das stresste mich nur noch mehr.

„Organisch ist alles in Ordnung“

Bei einem kurzen Spitalaufenthalt zur Abklärung der Bauchkrämpfe wurde kein organisches Problem gefunden. Meine innere Unruhe jedoch stieg auf ein unerträgliches Mass an. So suchte ich professionelle Hilfe bei einem christlichen Therapeuten. Während drei Monaten arbeitete ich nicht. Das kleinste Geräusch störte mich enorm, zum Beispiel wenn die Vögel pfiffen. Ich konnte keine Entscheidungen mehr treffen. Schon mit der Frage, welchen Tee ich trinken wolle, war ich überfordert. Sorgenberge türmten sich auf wegen Dingen, die früher selbstverständlich waren. Häufig packten mich Ängste zu Themen wie Altwerden, Tod, Krankheit usw.

Heilsame Schrecken

Es dauerte lange, bis ich wieder Schritt für Schritt ins Leben resp. die Realität zurückkehrte. Es galt zu lernen, die Gefühle wieder zuzulassen und sie vor Gott zu bringen, den Kontakt zu ihm zu suchen, auch wenn ich den Eindruck hatte, mein Gebet reiche nur bis an die Zimmerdecke. Nach und nach lernte ich mein innerstes Fühlen und Denken immer besser kennen, und so oft erschrak ich dabei. Ich entdeckte Stolz, Hochmut, Rachsucht, Verdorbenheit, Versagen, Sünde und Leistungsdenken, das negative Denkmuster, alles im Griff haben zu wollen, und vieles mehr.

Dann durfte ich erleben, dass Gott wirklich gnädig ist und mich vorbehaltlos liebt, wie er es in der Person von Jesus Christus gezeigt hat, und dass meine Zeit wirklich in seinen Händen steht und er alles im Griff hat. Ich merkte wieder, dass mein himmlischer Vater mich auch dann liebt, wenn ich keine Leistung erbringen kann.

Atempause in den Bergen

Nach drei Monaten also ging es wieder an einen Einstieg ins Berufsleben, schön langsam, zuerst mit 20, schliesslich mit 80 Prozent. Anfangs war ich mit nur zwei Patienten total überfordert. Ganz langsam und unter vielen Kämpfen lernte ich, wieder mehr auf meine Fähigkeiten und auch Gottes Hilfe zu vertrauen. Eines aber wurde schnell klar: Unter dieser beruflichen Belastung konnte und wollte ich nicht länger arbeiten. Ich kündigte meine Stelle, einfach so „ins Blaue hinein“.

Als ich dann auf einer Alp für zwei Monate eine Praktikumsstelle bekam, fanden das viele ziemlich verrückt. Ab sofort bildeten Haushalt, Käse- und Butterherstellen, Heuen, Jassen und Spazierengehen meine Aufgaben. Dazu kamen Kühemelken, Hundstreicheln, In-die-Berge-Staunen etc. Es war herrlich, jeden Tag eine neue Blume zu entdecken. Bei meiner Bewerbung an der Klinik SGM sagten mir alle: „Genau dich können wir brauchen, du musst gar nicht stark sein.“

Empfindsam für andere

Manchmal fällt es mir heute noch schwer, das zu glauben. So darf ich jetzt in der Arbeit mit Menschen viel lernen, gehe mit ihnen auch einen Prozess durch (man nennt dies Therapie) und sitze mit ihnen im gleichen Boot. Es ist manchmal schwierig, Schwächen zuzugeben und Beziehungen einzugehen, wenn man sich selber schlecht fühlt. Es ist eine Gratwanderung: Man möchte sich auf jemanden einlassen, muss sich aber auch abgrenzen. Auch ertappe ich mich, dass ich wieder in negative Denkmuster zurückfalle und mich und Gott anzweifle, ihm mein Vertrauen entziehe. Zum Glück hat er viel Geduld mit mir.

Folgende Verse aus der Bibel wurden mir in dieser Zeit wichtig:

„Vertraue auf ihn allezeit, o Volk! Schüttet vor ihm aus euer Herz! Gott ist unsere Zuflucht.“ (Psalm 62, Vers 9)

„Ein Mensch sieht, was vor Augen ist. Gott aber sieht das Herz an.“ (1. Samuel, Kapitel 16, Vers 7)

„So demütigt euch nun unter die mächtige Hand Gottes, auf dass er euch erhöhe zur rechten Zeit. Alle eure Sorgen werfet auf ihn, denn er ist besorgt für euch“ (1. Petrus, Kapitel 5, Verse 6-7)

Autorin: N.N. (der Redaktion bekannt)
Quelle: Stiftung für Ganzheitliche Medizin
Bearbeitung: Livenet.ch

Datum: 23.04.2008

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