Ihr
Schwarzweiss-Foto ging um die Welt: Mit neun Jahren wurde Kim Phúc nackt und
schreiend fotografiert, schwer verletzt durch Napalm, mit hilflos
ausgebreiteten Armen. Das Bild wurde zum Symbol für die Grausamkeit des
Krieges. Heute setzt sich die 55-Jährige als Unesco-Botschafterin für Frieden
und Versöhnung ein.
Herzog von Kent überreichte die Preisskulptur an Kim Phúc.
Es geschah am 8. Juni 1972. Und nein, das ist nicht
ewig her. Für Phan Thị Kim Phúc ist dieses Datum bis heute gegenwärtig. Sie war
als Neunjährige mit ihrer Grossmutter und Geschwistern in dem Dorf Trảng Bàng,
als ein Angriff der eigenen Soldaten schiefging. Ein paar Napalm-Brandbomben
der Südvietnamesen landeten hinter der Grenze im eigenen Gebiet und trafen die
damals Neunjährige. Der Pressefotograf Nick Út war dort, um den Angriff zu
dokumentieren. Er fotografierte die bekannte Szene, in der das Mädchen nach dem
«friendly fire» aus dem Dorf floh. Út wurde für sein Foto mit dem Pulitzerpreis
ausgezeichnet. Kim Phúc leidet noch heute an den Schmerzen des Angriffs vor 47
Jahren – aber sie überlebte.
Die
Frau hinter dem Foto
Das berühmte Foto von Kim Phuc.
Út brachte sie damals ins Krankenhaus. 30 Prozent
ihrer Haut waren vom zähflüssigen Napalm verbrannt. Kaum jemand räumte Kim Phúc
Überlebenschancen ein, doch das Foto erwies sich als Segen für sie: Zwei Jahre
lang wurde sie im Krankenhaus behandelt. 17 Operationen musste sie über sich
ergehen lassen. Kim Phúc überlebte. Zehn Jahre lang war sie voller Bitterkeit
und Hass, bis sie – inzwischen als Pharmaziestudentin in Saigon – in der
Bibliothek über eine Bibel stolperte. Sie las darin und die Botschaft der Bibel
traf ihr Herz. Sie lernte Vergebung für sich selbst kennen und für andere, selbst
für diejenigen, die ihr Leben ruiniert hatten. Die vietnamesische Regierung
erlaubte Kim Phúc, ihr Studium in Kuba abzuschliessen. Dort lernte sie zum
einen ihren Mann kennen, zum anderen konnte sie mit ihm zusammen auf dem
Rückflug von ihrer Hochzeitsreise bei einer Zwischenlandung politisches Asyl
beantragen. Sie lebt heute mit ihrer Familie in Kanada.
Gerade ihre christliche Prägung half der jungen
Frau, sich nicht nur als Kriegsopfer zu verstehen. Sie gründete die Kim Phúc
Foundation, und unterstützt damit seit fast 30 Jahren vom Krieg versehrte
Kinder, Schulen, Waisenhäuser und medizinische Einrichtungen auf der ganzen
Welt. Und sie engagiert sich als «Botschafterin des guten Willens» bei der
Unesco für Friedensprojekte.
Immer
wieder instrumentalisiert
Kim Phúc und ihr weltbekanntes Foto wurden von
Anfang an immer wieder instrumentalisiert. Das beginnt mit dem gewählten
Ausschnitt des bekannten Bildes. Denn das Mädchen war nicht auf der Flucht vor
feindlichen Angriffen. Sie war von den eigenen Truppen getroffen worden und
wurde von Reportern und Kriegsfotografen begleitet – nicht von Soldaten. Auf
dem vollständigen Bild wird das deutlich, denn da kümmert sich ein Begleiter
zuerst einmal um seinen aufgenommenen Film mit vielen interessanten Aufnahmen.
Sven Felix Kellerhoff von der «Welt» weist in einem interessanten Artikel darauf hin.
Die vietnamesische Regierung schlachtete das Foto
immer wieder für ihre eigene Propaganda aus. Einerseits war dies fürchterlich
für die junge Frau, andererseits ermöglichte es ihr eine medizinische
Behandlung und ein Studium, das sonst nicht möglich gewesen wäre.
Letztlich trieb das Ganze auch Blüten in die christliche
Szene hinein. 1996 trat Kim Phúc auf einem Vietnam-Veteranentreffen auf John
Plummer. Der Methodistenpfarrer behauptete, einer der Verantwortlichen für den
Angriff auf das Dorf Trảng Bàng gewesen zu sein. Und er bat Kim Phúc um
Entschuldigung, die sie ihm gewährte. Im Nachhinein stellte sich heraus,
dass Plummer das Ganze nur inszeniert hatte – doch die Vergebung durch die
betroffene Kim Phúc wird dadurch um nichts kleiner.
Jeder
kann Vergeben lernen
In der Zeitschrift Publik Forum betont Eva-Maria
Lerch: «Die versehrte Frau hat beschlossen, 'kein Kriegsopfer mehr zu sein' und 'aus einem Kriegsleben ein Friedensleben' zu machen». Genau das unterstrich Kim
Phúc vor ein paar Tagen in Dresden. Dort wurde ihr am 11. Februar der Dresden-Preis verliehen. Der Friedenspreis, der
jährlich zum Jahrestag der Zerstörung Dresdens verliehen wird, honoriert
besondere Leistungen gegen Konflikte, Gewalt und Eskalationen. Kim Phúc hat ihn
wirklich verdient. Bei der Preisverleihung unterstreicht sie laut Publik Forum:
«Wenn selbst ein kleines Mädchen nach so einem Erlebnis Liebe, Hoffnung und die
Fähigkeit zur Vergebung lernen kann, dann kann es jeder.»