Wirbel um ein Fetzen Papier

Jesus-Papyrus: Viel Lärm um Nichts?

Ein kleines Papyrus-Fragment sorgte in den vergangenen Tagen für grosse Schlagzeilen. Auf dem Schnipsel steht: «Jesus sagte zu ihnen, meine Frau…». Inzwischen mehren sich die Stimmen, die von einer «unbeholfenen Fälschung» reden.
Jesus

Den kleinen Papyrus hatte die Religionswissenschaftlerin der amerikanischen Harvard-Universität, Professor Karen King, der Weltöffentlichkeit präsentiert. Es soll sich um einen Dialog zwischen Jesus und seinen Jüngern handeln, in dem es um die Frage geht, ob Maria als Frau würdig sei, ein Jünger Jesus zu sein, was Jesus gemäss Papyrus bejahte. Das Schriftstück ist in koptischer Sprache verfasst, einer späten Form des Altägyptischen.

Eine Fälschung?

Der englische Forscher Francis Watson von der Universität Durham ist überzeugt, dass das Papyrus-Schriftstück eine moderne Fälschung ist. Watson behauptet, dass alle Satzfragmente auf dem Blatt aus dem in koptischer Sprache verfassten Thomas-Evangelium, einer Sammlung angeblicher Jesusworte, kopiert und neu zusammengestellt wurden. Die Wortwahl lasse eindeutig auf einen Autor aus der Neuzeit schliessen, meint Watson. «Das ist die gängige Sicht vieler Spezialisten – nicht nur meine.»

Watson hat den achtzeiligen Jesus-Papyrus Wort für Wort, Satzglied für Satzglied zerpflückt und mit dem Thomas-Evangelium verglichen – und weist nach, dass sämtliche Einzelteile dort zu finden sind, schreibt der «Sonntagsblick».

Auch in einem Beitrag im «L´Osservatore Romano», der offiziellen Vatikan-Zeitung, ist von einer «unbeholfenen Fälschung» die Rede. In der Zeitung steht eine Analyse von Alberto Camplani, der an der Sapienza-Universität in Rom tätig ist. Auch er zweifelt die Echtheit des Papyrus an.

Der Zürcher Theologie-Professor Jörg Frey teilt diese Skepsis, so der «Blick». «Der Verdacht erhärtet sich, dass es schlicht eine moderne Fälschung ist», sagt er. Ihm sind noch weitere verdächtige Details aufgefallen. So ist das Papyrusstück sehr gerade geschnitten und kaum zerfetzt, wie man es erwarten würde. Ausserdem ist die Schrift auf der Rückseite auffällig stark verblasst. «Wenn das Stück einem Codex entstammt, müsste man eher annehmen, dass die Schrift vorne und hinten etwa gleich gut lesbar ist», analysiert Frey.

Aufgebauscht

Obwohl King selbst eine vorsichtige Interpretation ihrer Entdeckung anmahnte, waren die Meinungen schnell gemacht. «An der Echtheit der Zeilen gibt es kaum Zweifel», jubelte etwa das Magazin «Der Spiegel». Einige Publikationen mahnten schon an, dass das Christentum dadurch in seinen Grundfesten erschüttert werde.

Inzwischen scheint auch Karen King ihr Sensationsfund nicht mehr ganz geheuer zu sein. Sie gibt zu bedenken, dass für eine «abschliessende Beurteilung» noch weitere Untersuchungen notwendig seien. Besonders wichtig sei die Zusammensetzung der Tinte.

Kommentar

Nachrichtenwert steigern

Von Claas Henningsen

Es ist schon bemerkenswert: Da taucht ein koptischer Papyrusschnipsel auf, vier Jahrhunderte nach der Zeit Jesu, und der scheint Spekulationen zu Jesus dem Christus zu nähren. Dabei haben wir schon genug zu tun, wenn wir uns auf die von frühen Christen geprüften Berichte der Evangelisten über Jesus einlassen wollen.

Manches, was uns in der Flut der Informationen aus Internet, Fernsehen, Radio und Zeitung begegnet, zeugt davon, dass die Verbreiter der Nachricht zu wenig darauf achteten zu prüfen, ob das, was geschrieben wird, der Desinformation oder der Information dient. Manchmal, so scheint mir, wird da einfach so eine Information in beliebige Foren abgeladen. Diese Beliebigkeit ermüdet, da dient Jesus einfach nur dazu, um den sogenannten Nachrichtenwert zu steigern. Jesus plus Spekulation bedeutet immer noch ein gesteigertes Interesse.

Bei Jesus hätten die Paparazzi mit ihren Teleobjektiven viel und wenig zugleich zu tun gehabt. Er war da, wo man nicht hinging, bei den Kranken, Gemiedenen, Ausgestossenen und Verachteten. Er war als Lehrender auf Wanderschaft mit den Freundinnen und Freunden, die ihn begleiteten. Viel Raum für Heimlichkeiten gab es da vermutlich nicht. Denn Jesus wollte die maximale Aufmerksamkeit für eines: sein Zeigen auf die Liebe und den barmherzigen Blick Gottes auf den Menschen. Die Liebe Gottes, die in seiner Menschwerdung gipfelt.

Datum: 02.10.2012
Autor: Bruno Graber
Quelle: Livenet / Stimme Russlands / Blick / Sonntagsblick / L'Osservatore Ramone / Märkische Allgemeine

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