Porträt:

Flüstern für die Stimmlosen

Der Auftritt von Pranitha Timothy gehörte zu den bewegendsten beim Willow-Creek-Kongress in Leipzig. Die ungewöhnliche Christin engagiert sich seit 15 Jahren gegen moderne Sklaverei in Indien. Mehr als 800 Familien hat sie seitdem zum Teil unter Einsatz ihres Lebens befreit.
Pranitha Timothy erzählte ihre eindrückliche Geschichte am Willow-Creek-Kongress.

Ihr Name ist in Indien für viele Sklaven ein Synonym für Hoffnung. Pranitha Timothy arbeitet für die Organisation «International Justice Mission». Mit dieser Internationalen Mission für Gerechtigkeit befreit die junge Frau zusammen mit ihrem Team – bestehend aus Ermittlern, Anwälten und Sozialarbeitern – jedes Jahr Hunderte Sklaven und begleitet sie bei der Wiedereingliederung in die Gesellschaft. Schätzungsweise 14 Millionen Menschen leben in Indien als Sklaven. Damit will sich Timothy nicht abfinden: «Auch sie sind nach dem Ebenbild Gottes geschaffen und haben daher ihre Würde.»

«Ich hasste Jesus …»

Dabei tat sich die heute 39-Jährige lange Zeit schwer mit dem christlichen Glauben. Ihre Eltern waren Ärzte auf einer Missionsstation. Und weil es in dem Dorf keine Schule gab, schickten ihre Eltern sie auf ein Internat. «Ich hasste Jesus dafür, dass er mich von meinen Eltern trennte, und schwor mir, nie Christ zu werden», berichtet sie. Pranitha fühlte sich wertlos und versucht das zu kompensieren, indem sie andere schlecht behandelte. Schliesslich wurde sie sogar der Schule verwiesen, machte dann aber doch den Abschluss und studierte Sozialpädagogik. Aber ihr Leben blieb dunkel. Irgendwann merkte sie, dass es nur eine Hoffnung gibt – Jesus. «Er war der Einzige, der sagte: Komm, wie du bist! Er hat mein Herz verwandelt.» Auf die Frage, was sie künftig tun solle, erhielt sie die Antwort in einem Gottesdienst, als der Pfarrer einen Abschnitt aus dem Propheten Jesaja las: «Ich habe dich gerufen …, dass du … die Gefangenen aus dem Gefängnis führen sollst» (Jesaja 42,6–7). «Ich fühlte mich persönlich angesprochen, für die Bedrückten Gerechtigkeit wiederherzustellen», erinnert sie sich. Das war der Anfang ihres Engagements gegen Sklaverei.

Schockdiagnose: Krebs!

Aber nur wenige Wochen später wurden diese Pläne radikal durchkreuzt. In ihrem Kopf wurde ein Tumor gefunden, der bereits ins Rückenmark ausgestrahlt hatte. In einer komplizierten Operation konnte der Tumor zwar entfernt werden. «Aber ich hatte 60 % meiner Muskelkraft auf der rechten Seite eingebüsst und keine Kraft mehr im Gesicht und in den Schultern.» Ausserdem verlor sie für zwei Jahre ihre Stimme. Zweifel machten sich breit, ob sie sich getäuscht hatte, als sie Gottes Ruf vernahm. Doch dann fiel ihr die Verheissung aus Jesaja 42,1–2 ein: «Siehe, das ist mein Knecht … er wird das Recht unter die Heiden bringen. Er wird nicht schreien noch rufen, und seine Stimme wird man nicht hören auf den Gassen.» Das war genau ihre Situation. Zwar hatte sie keine Stimme. Aber Gottes Beauftragung galt nach wie vor. Da war sie sich sicher.

Ich weiss mein Leben in Gottes Hand

Inzwischen hat sie ihre Stimme zurück – dünn und zerbrechlich. Aber in Indien ist sie längst zu einem Symbol geworden. Denn ganze Familien werden in dem riesigen Land über Generationen in Steinbrüchen, Ziegeleien und Textilfabriken zu Schwerstarbeit gezwungen – und das, obwohl Sklaverei offiziell verboten ist. Mehr als einmal geriet Pranitha bei Begegnungen mit Sklavenhaltern in Lebensgefahr. Trotzdem denkt sie nicht ans Aufhören. «Ich weiss mein Leben und das meiner Familie in Gottes Hand», sagt die zweifache Mutter. Und sie erlebt auch Erfolge, etwa wenn Gespräche mit einflussreichen Politikern gut verlaufen. Der grösste Triumph für sie ist aber, wenn sie sieht, dass ehemalige Sklaven wieder ein selbstbestimmtes Leben führen: «Wenn Kinder plötzlich zur Schule gehen können und einst versklavte Männer zu Leitern ihrer Gemeinschaft gewählt werden, dann sind das Zeichen für die Grösse unseres Gottes.»

Datum: 24.02.2014
Quelle: Idea Spektrum Schweiz

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