Von Gott abhängig sein – mehr als eine fromme Floskel?
In
Krisenzeiten gewinnt der Glaube meist mehr Tiefe als auf der Sonnenseite des
Lebens. Viele lernen die Bedeutung der Abhängigkeit von Gott erst, wenn
Situationen ihrer Kontrolle entgleiten.
Was meinen Christen eigentlich mit ihrem
Bekenntnis, von Gott abhängig zu sein? Eigentlich ist jeder Mensch von Gott
abhängig – ob er sich dessen bewusst ist oder nicht. Ist diese Aussage eine
fromme Floskel oder steckt da mehr dahinter?
Müssen wir auf Kontrolle verzichten?
«Meine Zeit steht in seinen Händen», lautet ein
altes Lied, welches viele Gläubige mit Überzeugung singen. Erneut: Was bedeutet
das? Wenn unser Leben in Gottes Hand ist, weshalb sollten wir Geld für unsere
Sicherheit ausgeben? «Wir müssen unsere Verantwortung wahrnehmen!» heisst es
dann. Das kann schon verwirren.
Hin und wieder hören wir, wie Menschen sich in
die Abhängigkeit Gottes begeben, indem sie beispielsweise darauf verzichten,
einen Gottesdienst vorzubereiten, um von Gottes Wirken abhängig zu sein. Ob und
wann dieses Vorgehen sinnvoll ist, ist an dieser Stelle nicht das Thema. Nur:
Wenn unsere Abhängigkeit von Gott nicht tiefer geht, als Gott die Verantwortung
eines Gottesdienstes zu übertragen, hat Gott in unserem Leben wenig Einfluss.
Und ganz grundsätzlich stellt sich doch die Frage: Müssen wir auf Kontrolle
verzichten, um von Gott abhängig zu sein?
Wir haben nicht alles im Griff
Eigentlich ist die Sache einfach: Es gibt Dinge,
die wir im Griff haben, während anderes ausserhalb unserer Kontrolle liegt.
Beim Autofahren können wir uns an die Verkehrsregeln halten und damit eine
gewisse Sicherheit gewährleisten. Wir können aber nicht beeinflussen, ob ein
betrunkener Fahrer mit 150 Stundenkilometern frontal in unser Auto crasht. So
sehr wir unsere Verantwortung wahrnehmen, sind wir ständig Risiken ausgesetzt.
Im Strassenverkehr erkennen wir normalerweise
einfach, was in unserer Verantwortung liegt und wo wir auf Gottes Schutz
Vertrauen dürfen/müssen. In anderen Lebensbereichen ist dies schwieriger. Und
genau hier beginnt das Abenteuer des Glaubens.
Sich von Gott führen lassen
Ein lebendiger Glaube bedeutet, sich von Gott
führen zu lassen. Dabei erfahren wir, wie Gott uns auf Wege führt, bei denen die
Sicherheit nicht in unseren Händen liegt. Glaube führt zum Risiko und oft
besteht Gottes einzige Verheissung darin, uns nie zu verlassen.
Gerade in Zeiten, wo es einem den Boden unter den
Füssen wegzieht, zeigt sich, ob jemand verstanden hat, was es heisst, von Gott
abhängig zu sein. In dieser Abhängigkeit werden wir ruhig und zuversichtlich –
selbst dann, wenn wir keine Gewissheit über den Ausgang haben. Wer auf Gott
vertraut, erfährt seine Führung. Diese besteht oft in erster Linie darin, uns
an sein Herz zu ziehen, wo wir zur Ruhe kommen.
Glaube heisst Loslassen
Können wir eine Situation nicht kontrollieren, sind
wir gut beraten, sie loszulassen und Gott zu vertrauen, dass er uns
hindurchführt. Christen können in Friedenszeiten bekennen, von Gott abhängig zu
sein, während sie in Krisen wie verbissen kämpfen, ohne auf den Verlauf des
Geschehens überhaupt einen Einfluss zu haben. Sie können sich einfach nicht
eingestehen, dass sie keine Kontrolle über eine Sache haben.
Doch dann gibt es auch Christen, die durch
Krisenzeiten hindurchgehen und dabei nicht aus der Ruhe zu kriegen sind. Im
Vertrauen, dass Gott sie in jeder Lebenssituation begleitet, nehmen sie ihre
tägliche Verantwortung wahr, ohne sich stressen zu lassen, manches nicht
kontrollieren zu können. Das Schlüsselwort ist Vertrauen. Gott überlassen, was
wir nicht zu Tragen imstande sind – darin zeigen wir echten Glauben.
Krisen sind Trainings-Camps des Glaubens
Betrachten wir unsere Krisen als Trainings-Camps
des Glaubens. In ruhigen Zeiten, wo wir uns auf der Sonnenseite des Lebens
wähnen, verstehen wir oft nicht, was Abhängigkeit von Gott bedeutet. Aber in
Krisen, wo unsere Entscheidungen und Handlungen keine Lösung herbeiführen
können, lernen wir, auf Gott zu vertrauen. Damit werden wir vorbereitet und in
neue Dimensionen des Glaubens geführt.
Krisen können als persönliche Bedrohung
verstanden und dagegen gekämpft werden oder als Gradmesser des Glaubens und als
Chance, Gott nahe zu kommen. Gerade in den aktuellen Herausforderungen sehnt
sich die Welt nach Menschen, die gelernt haben, von Gott abhängig zu sein und
in ihm zu ruhen. Genauso werden in künftigen Krisen, diejenigen Salz und Licht
sein, welche die aktuelle Krise als Trainings-Camp des Glaubens annehmen.
Wovon sind wir abhängig?
Wie reagieren wir, wenn Gott ruft, finanzielle
Sicherheit aufzugeben oder öffentlich gegen den Strom der Gesellschaft zu
schwimmen? Und was geht in uns vor, wenn der Gehorsam gegenüber Gott uns dazu
bringt, unsere Träume beerdigen zu müssen? In solchen Situationen zeigt sich, wovon
wir abhängig sind und wie tragfähig unser Glaube ist.
«Was bestimmt mein Leben?» Manchmal ist es eine
grosse Herausforderung, diese Frage ehrlich zu beantworten. Werde ich von meinen Zielen und Träumen bestimmt? Bin ich abhängig davon, ein leidfreies
Leben zu haben? Strebe ich nach Ansehen, Erfolg oder Wohlstand? Oder bin ich
bereit, von Gott abhängig zu sein und das Risiko einzugehen, dabei einen hohen
Preis zu bezahlen. Letztlich ist klar: Nur in der Abhängigkeit Gottes finden
wir echte Erfüllung in unserem Leben.