«Um zu glauben, musst du nicht in Israel gewesen sein, aber…»
Die Altstadt von Jerusalem mit dem Felsendom im Vordergrund
Welche Auswirkungen hat ein Besuch in Israel auf den persönlichen Glauben? Und warum wird in aller Welt über Israels Politik diskutiert? Anlässlich seiner Buchveröffentlichung sprach Livenet mit dem Autor Assaf Zeevi.
Diese Tage erschien im SCM
Verlag das Buch «Lass das Land
erzählen – eine Reise durch das biblische Israel» von Assaf Zeevi. Im Livenet-Talk spricht Chefredaktor Florian Wüthrich mit ihm über
Themen, welche auch das Buch behandelt.
Europäische Christen und die jüdische
Sichtweise
Assaf Zeevi (Bild: kultour.ch)
Assaf Zeevi wurde in Israel geboren und wuchs in
einer jüdischen Familie auf. Für ihn ist es natürlich, die Welt aus jüdischer
Perspektive zu betrachten. Später heiratete er eine nichtjüdische Frau aus
Deutschland, mit der er eine Zeit lang in Deutschland lebte, bevor sie zurück nach Israel zogen. In den Jahren in Europa lernte er dann auch die europäische,
christliche Sichtweise kennen. «Dabei sind mir gewaltige Unterschiede
aufgefallen.»
Um für europäische Christen die Brücke zum jüdischen Denken und zur biblischen Umwelt zu
erschliessen, schrieb er nun das Buch. Heute lebt Assaf am Bodensee, arbeitet bei Suprise Kultour, führt Reisegruppen durch das Land der Bibel und ermöglicht ihnen dadurch
auch einen Zugang zur jüdischen Denkweise.
Eintauchen in das Land und die Geschichte
Ausgangslage des Buches ist die Geschichte
Abrahams, wie er sich zum verheissenen Land aufmachte. «Du kannst diese
Geschichte einfach auf dem Sofa lesen. Du kannst aber auch emotional mit
Abraham mitwandern und gedanklich in die Landschaft eintauchen.» Wie wir eine
solche Geschichte lesen ist immer geprägt von der Brille unserer Erfahrung und
unseres Denkens. «Beim Lesen der Bibel kannst du irgendeine Brille aufsetzen.
Die Frage ist jedoch, ob du durch sie ein klares Bild erhältst.»
Das Buch stelle keine Kenntnisse voraus. Es
stelle vielmehr Fragen wie beispielsweise: «Wie haben die Leute damals in diesem Land
die Geschehnisse verstanden?» Diese Frage soll beim Betrachten biblischer Texte gestellt werden.
Und hierzu muss der Kontext einbezogen werden. Bei den Geschichten der Könige,
Propheten, bis hin zu Jesus, kann der Kontext zuweilen eine Hauptrolle zum
richtigen Verständnis einnehmen.
Wozu hilft eine Reise nach Israel?
Die Frage, inwieweit eine Reise nach Israel für
einen Christen wichtig sei, kennt Assaf wohl. «Um zu glauben, musst du nicht in
Israel gewesen sein», drückt sich Assaf vorsichtig aus. «Um ein korrektes
Verständnis zu haben, kommst du um einen Aufenthalt in Israel aber nicht
herum.»
Manche Geschichten in der Bibel werden konkret
und präzise, wenn die Schauplätze bekannt sind. Als spontanes Beispiel erläutert Assaf
die Geschichte vom Barmherzigen Samariter. «Das ist ein Gleichnis, eine
beispielhafte Geschichte, mit der Jesus etwas illustrieren wollte.» Den Weg zu
kennen, auf welchem der Mann überfallen wurde, und zu verstehen, was es
heisst, dort bei 40 Grad am Strassenrand zu liegen – da wird die Geschichte
greifbar. «Dabei geht es im bekannten Gleichnis nicht um Barmherzigkeit», macht Assaf auf den jüdischen Kontext aufmerksam. «Die am Verletzten vorbeigezogenen Personen waren ein Priester und ein Levit, beide Diener im Tempel. Sie hatten Angst, dass er ihnen in den Händen sterben könnte. Priester und Leviten unterliegen strengen Reinheitsvorschriften und dürfen im Regelfall keine Toten berühren, es ist ein Verbot aus der Tora», erläutert er weiter. «Sie haben sich für das Einhalten eines Gottesliebe-Gebotes entschieden, auf Kosten eines Nächstenliebe-Gebotes. Jesus schildert hier eine absurde Entscheidung und äussert sich eigentlich zur damals heissen Diskussion unter den Weisen: Gottesliebe vs. Nächstenliebe. Der barmherzige Samariter ist eine indirekte Antwort Jesu auf die Frage, was das wichtigste Gebot ist. Un das ist nur ein Beispiel von unzählig vielen.»
Die Bibel ist glaubwürdig
«Das Buch spricht von ziemlich allen wichtigen
übriggebliebenen oder wiedergefundenen Resten aus der Welt der biblischen Archäologie»,
erklärt Assaf. «Man muss aber nicht Archäologe sein, um die Begriffe zu
verstehen. Das Buch ist in einer Alltagssprache geschrieben.» Es werden viele
Belege angeführt, welche die Richtigkeit der Bibel bezeugen. Man kann durch die
Wissenschaft viel bestätigen, um von der Glaubwürdigkeit der Bibel überzeugt zu
werden.
Der Leser wird reingenommen in die jüdische,
insbesondere die rabbinische Welt. Assaf hat schon öfters bemerkt, wie Pastoren
aus Ausbildungsstätten kommen, die «noch Potential haben, ein besseres
Verständnis der jüdischen Wurzeln und des jüdischen Denkens zu entwickeln».
Daraus ergeben sich unzählige Erkenntnisse. Warum hat Gott beispielsweise
seinem auserwählten Volk ausgerechnet dieses Land gegeben? Und vieles weitere.
Ein persönliches Buch
Buchcover «Lass das Land erzählen» von Assaf Zeevi (Bild: SCM Hänssler)
«Als ich in Israel lebte, dachte ich nie daran,
welch emotionale Diskussionen auf der Welt über Israel geführt
werden.» Assaf war dann erstaunt, dies zu hören. Ihm fällt es schwer, dieses
Phänomen zu erklären, schliesslich wird über kein anderes Land in vergleichbarer
Weise diskutiert.
Das Buch «Lass das Land erzählen» beinhaltet auch
persönliche, biographische Elemente von Assaf. Im Livenet-Talk erzählt er von
der Vergangenheit seiner Familie. Für Juden hat sich die Zeit in den
vergangenen Generationen stark verändert. Assaf ist ein Israeli und hat damit
ein Land, wo er hingehört. «Meine Vorfahren hatten dies nicht. Das ist ein
grosser Unterschied und hat enorme Auswirkungen auf meine Identität.»
Weiter kamen im Livenet-Talk der Zionismus, die Errungenschaften
Israels in Vergangenheit und Gegenwart und der Ausblick auf künftige Ereignisse zur Rede.