Abschiedskonzert

Gossau Gospel Choir sagt Ade

Der sogar international erfolgreiche «Gossau Gospel Choir» gab nach 30 ereignisreichen Jahren am Sonntag, 24. November in der FEG «Stami» St. Gallen sein Abschiedskonzert. «Mr. Gospel» Urs Leuenberger gab uns vorher Einblick in die Beweggründe und sein Befinden, berichtete über Höhepunkte und machte eine Bestandsaufnahme der Gospelmusik.
Lied während des Abschiedskonzertes vom Gossau Gospelchor
Urs Leuenberger

Vereine kommen und gehen, Zeiten und Geschmäcker ändern sich – aber Gospel kennt kein Verfalldatum. Trotzdem gab der Gossau Gospel Choir sein Abschiedskonzert «30 Wonderful Years». Ein volles Haus mit 500 Besuchern, viel Gospelmusik, Rückblicke der Gründerin «Manu» Rast mit Bildern und Videos, Interviews, Ehrungen, das grosse Finale mit allen anwesenden Ex-Sängern/-innen auf der Bühne sowie der anschliessende Apéro gaben dem Abschiedskonzert des Gossau Gospel Choir am Sonntagabend in der «ausverkauften Stami» einen würdigen, farbenfrohen Rahmen.

Livenet befragte Leiter Urs Leuenberger zu den Hintergründen der Auflösung.

Urs Leuenberger (63), nach 30 Jahren und unzähligen Konzerten im In- und Ausland «soll jetzt Schluss sein, der Verein will sich auflösen». Weshalb?
Urs Leuenberger: Wir hatten 30 grundsätzlich wunderbare Jahre mit vielen Höhepunkten, dies möchte ich vorausschicken. Über all diese Jahre durfte ich dem Gospelchor als musikalischer Leiter und Dirigent vorstehen. Ich bin sehr dankbar und möchte Gott die Ehre geben, dass ich den Chor 30 Jahre lang leiten durfte. In der letzten Zeit erhielten wir leider immer weniger Konzertanfragen, letzten Dezember noch keine einzige für das erste Halbjahr 2019. Früher hatten wir 20 bis 30 Auftritte pro Jahr. Wir haben uns aber immer als Bühnenchor verstanden; Gospelmusik hat eine Botschaft, soll Emotionen wecken und die Herzen der Zuhörer – sowohl Erwachsener wie auch Kinder – berühren. Dies war immer unsere Identität, die nun «auf dem Spiel stand». Dann gab es gewichtige Austritte aus dem Chor wie etwa auch von meiner musikalisch herausragenden Stellvertreterin. Weiter kamen in letzter Zeit etliche Ausfälle aus gesundheitlichen, familiären oder anderen Gründen dazu. Leider ging auch die Verbindlichkeit bei den wöchentlichen Probebesuchen zurück; kurz «die Luft wurde dünner». Deshalb kam der Vereinsvorstand zum Schluss, dass es an der Zeit sei, einen Schlussstrich zu ziehen. Mir tut das etwas weh, doch es ist der richtige Entscheid.

Ist Gospelmusik noch zeitgemäss?
Die Angebote und Ansprüche sind gestiegen und das Konsumverhalten hat sich «digitalisiert»; selbst Weltklasse-Formationen kämpfen mit halbleeren Sälen, obwohl Gospelmusik an sich gesellschaftlich anerkannt ist. Die Verlässlichkeit hat stark gelitten, das sagen mir querbeet Musikerkollegen, Vereinsleute und auch Pastoren.

Woran mag das liegen?
Das hat wohl eben mit dem Zeitgeist zu tun, mit dem Konsumverhalten, mit unserem Komfort. Alles soll sofort verfügbar sein. Zunehmender Individualismus und abnehmende Verbindlichkeit haben auch die christliche Szene voll erfasst. Gospel ist aber mehr als Musik, es ist Evangelium pur; Lieder wie «I Surrender All», «Every Praise» oder «Amazing Grace» haben solch eine tiefe Kraft: Es geht um Jesus und Gottes Liebe zu uns Menschen; das bleibt aktuell.

Muss sich Gospelmusik dem Zeitgeist anpassen?
Inhaltlich sicher nicht. Aber ich gebe zu, der Zeitgeist ist 'ne Knacknuss. Was auffällt: Zeitlich genau definierte Gospelprojekte, sagen wir mit fünf bis acht Proben inklusive abschliessendem Auftritt vor Publikum, stehen hoch im Kurs, das zieht. Auch Synthesen etwa mit Gospel und Country oder «Gospel meets Rock» wirken wohl attraktiv.

Ein kurzer Rückblick. Was waren Highlights?
Die Auslandkonzerte in Deutschland, Österreich, England oder Ungarn gehören bestimmt dazu; zwei Wochen in Spanien mit einer Jazz- und Tanzformation und gut sechs Auftritten, dann sicher der Trip nach Dubai (Vereinigte Arabische Emirate, VAE) mit unvergesslichen Auftritten inklusive als Überraschungscoup einer Übertragung im arabischen Fernsehen.

Und in der Schweiz?
Da kommen mir die Auftritte an der EXPO 2002 in der Westschweiz, auf der Hauptbühne des Openair St. Gallen, am Summerdays Festival Arbon, an der Snowboard-WM in Davos und bei der Meisterfeier des FC St. Gallen im Jahr 2000 auf dem Marktplatz in den Sinn. Dann die vielen Konzerte mit «Cracks» wie Malcolm Green, John Brack oder Bishop Freddy Washington sowie mehrere Auftritte beim Zirkusgottesdienst des Zirkus Knie. «Fenster zum Sonntag» begleitete uns ein Jahr lang, die 5 eigenen CD's, die wir produzieren durften, Projekte mit zwei bekannten Big Bands, sowie das Projekt «Gospel meets Klassik» im Zusammenspiel mit Streichern… Trotzdem zählen für mich die «normalen Auftritte» genau gleich, das möchte ich betonen.

Was war über alle Jahre Ihr «Motor»?
Die Gospelmusik selber mit ihrer Dynamik und Authenzität. Und natürlich die tägliche Arbeit mit Sängern und Musikern; zu erleben, wie sie Fortschritte machen, hat mich immer wieder bewegt.

Wie geht es weiter?
Ich habe ein Pensum von 40 Prozent bei der Heilsarmee und leite dort eine Sozialberatungsstelle. Seit meiner Kindheit bin ich mit der Heilsarmee verbunden und arbeitete schon früher mit Jugendlichen oder Randständigen zusammen. Das 20%-Engagement in der reformierten Landeskirche Flawil als Gospelmusiker bleibt bestehen; und nach wie vor leite ich den Gospelchor Flawil und die Brassband Blaukreuzmusik Herisau, veranstalte Gospel- und Wellnessferien für «Surprise-Reisen» und gebe Workshops. Ich bin aber auch offen für neue Musikprojekte. Vorerst nehme ich es etwas ruhiger; aber mein Herz schlägt weiterhin für den Gospel.

Hier hören Sie ein Lied von dem Gossau Gospel Choir:

 

Weitere Informationen:
Gossau Gospel Choir

Zum Thema:
Gospel in der Bar: Singen, wo die Menschen sind
Mit 300 Mitwirkenden: David Phelps mit grossem Chor und Sinfonieorchester in Bern
Gospelchor «Shelomith»: Gospels singen, glauben und leben

Datum: 13.12.2019
Autor: Rolf Frey
Quelle: Livenet

Werbung
Livenet Service
Werbung