Der Begegnungstag der Ref. Kirche Solothurn in der Vergangenheit (Bild: Ref. Kirche Solothurn)
Viele Kirchen überlegen sich, wie sie die heutigen Menschen abholen
können. Neue Formen wie Krabbel-Gottesdienste, thematische Diskussionsabende
oder Film-Events haben sich teilweise bereits etabliert. Inwiefern die Corona-Umstände zu ihren Filmgottesdiensten führten,
erfahren wir von der Reformierten Kirchgemeinde Solothurn.
Kürzlich veranstaltete die Stadtkirche Solothurn an einem Samstag vier Filmgottesdienste
mit zwei Dokumentarfilmen. Die Idee entstand durchs Wegfallen des jährlichen «Begegnungstages»
während der Fastenzeit. So konnte dennoch ein Angebot gemacht werden, und die
Besucherzahlen gaben dem kreativen Versuch recht. Sie waren höher als in den
Vorjahren.
Das Team zeigte Filme zur Fastenkampagne «Klimagerechtigkeit –
jetzt», was ein positives Vorwärtsschauen in der angesagten Thematik
aufzeigte. Diese gelungene Gottesdienstform könnte sich zu einem festen
Bestandteil des Kirchenjahres entwickeln.
Solothurner wünschen sich kirchliche Gemeinschaft
«Du kannst das! Eine Schule in Indien verlässt bisherige
Bildungskonzepte und bildet Frauen ohne Schulbildung zu Solaringenieurinnen aus»
und «Können wir Wege umkehren? Ermutigende Beispiele aus verschiedenen Ländern,
dass es funktionieren könnte mit der Energiewende» las man im Beschrieb, der
für die zwei Filme Interesse weckte.
Und tatsächlich, es liessen sich einige Besuchende von dieser Gottesdienstform
ansprechen, die sonst nicht an den sonntäglichen Kirchenfeiern teilnehmen.
Livenet war im Austausch mit den Pfarr-Personen Alexandra Flury-Schölch und
Koen De Bruycker.
Alexandra Flury-Schölch
Wie war die Besucherzahl, verglichen mit herkömmlichen
Gottesdiensten und diesem Jahr mit Corona?
Alexandra Flury-Schölch und Koen De Bruycker: Die Filmgottesdienste, die wir im März 2021 durchführten, sind eine
kreative Idee, die aus den Corona-Beschränkungen hervorging. Normalerweise
machen wir jedes Jahr um diese Zeit in der Stadtkirche Solothurn einen Tag der
Offenen Türe zum Thema der Fastenkampagne von Brot für alle. Leider konnten wir
wegen Covid-19 bereits zum zweiten Mal diesen Begegnungstag nicht anbieten.
Das Thema der Fastenkampagne «Klimawandel – Klimagerechtigkeit» erschien uns
aber so wichtig, dass wir das Thema auf keinen Fall auf der Seite lassen
wollten. Filmgottesdienste waren eine Möglichkeit, die den Schutzmassnahmen
gerecht wurden.
Angesichts dessen, dass wir dieses ganz neue Format nur knapp eine Woche
und nur online beworben hatten, war die Zahl der Besuchenden mit rund 40
Personen hoch. Die meisten kamen an jenem Samstag während der Marktzeit oder am
frühen Abend. Es kam eher nicht die treue Sonntagsmorgengemeinde, sondern
Menschen, die bisher in coronafreien Zeiten zu kulturellen Veranstaltungen
kamen.
Was sind Ihre Spezialitäten gegenüber einem normalen Kino-Besuch?
Die Filmgottesdienste sind keine Umetikettierung eines Filmabends,
trickreich in die einzige Veranstaltungsform umgewandelt, die zurzeit erlaubt
ist. Es waren Gottesdienste. Allerdings wissen die Solothurnerinnen und
Solothurner inzwischen, dass die Gottesdienste in der Stadtkirche eine grosse
Vielfalt aufweisen, von traditionell-klassisch über meditativ-poetisch bis
szenisch-experimentell. Der Unterschied zu einem Predigtgottesdienst bestand darin, dass die
Predigt durch einen Kurzfilm ersetzt wurde; dieses Mal aufgrund des aktuellen Themas
der Fastenzeit, durch zwei verschiedene Dokumentarfilme zum Thema «Alternative
Energien», die von Menschen erzählen, die versuchen mit den Folgen des
Klimawandels zu leben und kreative Lösungen zu finden.
Die Herausforderung und die Kunst bestand darin, biblische Texte zu
suchen, die auf die Filme hinführen und die beim Schauen des Films einen
inneren Dialog auslösen und den biblischen Text mit den im Film gezeigten
Realitäten in Verbindung bringen: Biblische Texte, Gebet und Kerzenritual
führten zum Film. Stille, Gebet und Segen gaben Raum für alle Filmgedanken.
Hätten wir wie nach Gottesdiensten oder Konzerten ein Kirchenkaffee oder Apéro
angeboten, wären sicher Gespräche über den Filminhalt entstanden; das Bedürfnis
wäre da gewesen.
Koen De Bruycker
Gab es spezielle «Corona-Folgen», zum Beispiel ein grösseres Bedürfnis nach
Veranstaltungen oder Ähnlichem?
Das Bedürfnis nach Gemeinschaftserlebnissen – und sei es mit Maske und
Sicherheitsabstand – ist da, für Gottesdienste ebenso wie für andere
Veranstaltungen mit Kopf- und Seelennahrung. Nach unseren Beobachtungen wird
die Obergrenze von 50 Personen fast immer erreicht.
Sollte die Idee der Filmgottesdienste wieder aufgenommen und
weitergeführt werden, würden wir empfehlen, erzählende Filme zu wählen; es gibt
ja auch erzählende Dokumentarfilme. Geschichten sprechen ohne Erklärung für
sich und berühren. Für die Einbettung eines Films in eine sinnliche Atmosphäre
und in eine Stimmung mit Kerzen, Musik, wenigen Impulsen und Momenten der
Stille haben wir positive Rückmeldungen erhalten. Verglichen mit früheren Filmabenden kamen eindeutig mehr Besuchende, das
lässt auf das Bedürfnis nach einer Feier und nach einem besinnlichen Rahmen
schliessen. Dass dennoch andere Menschen angesprochen wurden als bei
klassischen Gottesdiensten, lässt vermuten, dass die Medien Bild und Film
einige Menschen mehr ansprechen als das gesprochene Wort.
Wie sehen die Pläne für weitere Filmgottesdienste aus?
Da wir beide ab Sommer 2021 nicht mehr an der Stadtkirche tätig sein
werden, ist dies offen. In unseren neuen Tätigkeitsfeldern im Unteren Leberberg
und bei Mission 21 werden wir die ersten Gehversuche mit Filmgottesdiensten
vermutlich wieder aufnehmen. Die Stadtkirche Solothurn versteht sich als eine Offene Kirche und eine
Plattform zur Begegnung. Daher werden neben den traditionellen kirchlichen
Formen neue und andere Formate angeboten. Dazu gehört zum Beispiel die Reihe
«Musik & Poesie», «Tanz! oder Sing! für dich und eine bessere Welt» oder
auch der «Miteinandertag» im März zur Kampagne von Brot für alle.
Zu den Personen:
Alexandra Flury-Schölch war 20 Jahre lang Pfarrerin in der Stadtkirche
Solothurn und ist seit Januar 2021 Studienleiterin bei Mission 21. Koen De Bruycker ist seit 15 Jahren Pfarrer in
der Stadtkirche Solothurn und wird noch bis Sommer 2021 mit diesem Schwerpunkt
tätig sein.