Luther-Bibel bald auch in Harry-Potter-Sprache?

Theologieprofessor Michael Schibilsky ist Initiator des Projekts „Bibel in gerechter Sprache“.

2006 soll die „Bibel in gerechter Sprache“ erscheinen. Als „gerecht“ bezeichnen sie die Herausgeber vor allem deshalb, weil sie feministische Forderungen übernimmt und auch dem Antisemitismus entgegenwirken will. Ist das gerecht?

„Die neue Bibelübersetzung würdigt Gottes weibliche Seite“, rühmt „Die Welt“ das neue Übersetzungsprojekt von mehr als 50 evangelischen und katholischen Theologinnen und Theologen aus Deutschland, Österreich, der Schweiz und den USA. Am Projekt beteiligen sich renommierte Wissenschafter wie der Bielefelder Professor Frank Crüsemann, seine Bochumer Kollegen Klaus Wengst und Jürgen Ebach sowie Luise Schottroff aus Berkley (USA). Sie wollen bis Ende des Jahres ihre Übersetzungen vorlegen. Danach werden die Texte in ausgewählten Gemeinden geprüft und Überarbeitungen angeregt.

„Ein Privatprojekt“

Initiator des Projekts ist der evangelische Theologe und Vizepräsident der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Michael Schibilsky. Er hat vergeblich versucht, die Deutsche Bibelgesellschaft für das Projekt zu gewinnen. Ihr Leiter Walter Klaiber, Bischof der Evangelisch-methodistischen Kirche, hält die Sache für ein Privatprojekt.

Dieses sticht vor allem dadurch hervor, dass es Anreden Gottes wie „Herr“ und „Vater“ durch weibliche Begriffe ergänzt oder ersetzt. Wenn vom Vater die Rede ist, fügen die Übersetzer an vielen Stellen noch eine Mutter hinzu oder bevorzugen geschlechtsneutrale Bezeichnungen wie „Ursprung“, der oder die „Ewige“. Ausserdem sollen weibliche Gottesnamen wie „Bärenmutter“ (Hosea 13,8) und „Hebamme“ (Ps 22,10) stärker betont werden.

Zeitgeist – oder was?

Ausserdem soll es in der neuen Übersetzung Apostelinnen, Jüngerinnen und Diakoninnen geben. Weiter sollen Stellen, die nach modernem Verständnis antisemitisch wirken, korrigiert werden. Seit Jahrzehnten verlangt die so genannte feministische Theologie Korrekturen der Bibelübersetzungen. Der Direktor des Katholischen Bibelwerkes in Stuttgart, Franz-Josef Ortkemper, hät die feministische Theologie „zwar für berechtigt“ (Focus), „aber übertreiben sollte man das nicht“. Modern ist das Unterfangen auch insofern, als man die Übersetzung einzelner Bücher sponsorn kann. Die Sponsoren werden dann im Anhang dieser Bücher namentlich aufgelistet.

Kommentar

Wieviel Konzessionen an die feministische Theologie?

Die ersten biblischen Texte oder deren Vorlagen sind wohl über 3000 Jahre alt. Sie wurden in einer Kultur, Sprache und Denkart verfasst, die sich von der unsrigen stark unterscheidet. Es gibt daher immer wieder Versuche, die Bibel auch in unsere Denkweise und Vorstellungswelt zu übersetzen. Dahinter steht oft das evangelistische Interesse. Solche Versuche sind zulässig, sofern klar gemacht wird, dass es sich eigentlich nicht um Übersetzungen, sondern um Übertragungen des biblischen Urtextes handelt.

Wenn man aber von Übersetzung spricht, so setzt man voraus, dass eine Arbeit gemeint ist, die die Aussagen des hebräischen und griechischen Textes von Altem und Neuem Testament möglichst genau und ungeschminkt in unsere Sprache übersetzt. Dies ist nicht einfach, da für wichtige biblische Begriffe in unserer Umgangssprache oft kein entsprechendes Wort mehr zur Verfügung steht. Oder weil es einen ganz andern Sinn bekommen hat, man denke nur schon an das Wort Sünde. Für viele Bibelpassagen sind auch verschiedene Übersetzungen möglich.

Ausserdem gibt es in der Überlieferung oftmals unterschiedliche Varianten, und man muss sich für eine davon entscheiden. Eine gute Übersetzung liefert in solchen Fällen Anmerkungen und Erklärungen. So kann auch das aus heutiger Sicht bestehende Problem gelöst werden, dass das Neue Testament meistens nur männliche Bezeichnungen (oder sächliche wie beim Heiligen Geist) für den dreieinigen Gott kennt, oder für Jünger und Apostel. Oder wie man Stellen verstehen kann, die aus heutiger Sicht antisemitisch wirken. Dies ermöglicht den Lesenden, sich möglichst weit zur ursprünglichen Aussage vorzuarbeiten, hilft ihnen aber auch, diese Stellen zu verstehen. Dass die Bibel oftmals auch Aussagen macht, die uns befremden, darf uns nicht irritieren, sondern soll uns herausfordern.

Um diesen Zugang zum Urtext bemüht sich zwar auch die „Bibel in gerechter Sprache“. Sie macht es sich dabei auch nicht leicht und versucht, mit Erläuterungen das Verständnis der Texte zu erleichtern. Dass die Deutsche Bibelgesellschaft dem Schibilsky-Projekt kritisch gegenüber steht, ist dennoch verständlich, denn es macht zuviel Konzessionen an die feministische Theologie, wenn es sich deren Forderungen nach einer „geschlechtsneutralen“ Bibel beugt. Denn wir müssen den Anstoss ertragen, dass die Bibel auch in der Geschlechterfrage nicht die heutige Sicht widerspiegelt.

Website: www.bibel-in-gerechter-sprache.de

Datum: 02.04.2004
Autor: Fritz Imhof
Quelle: Livenet.ch

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