«... dann kam die lächerlichste Armee der Welt!»

Können Kriege Spass machen? Eine makabre Frage, die sich verbietet. Eigentlich. Ausser man hört diesem Zeitzeugen zu:


JERICHO: Lageplan und Turm an der Stadtmauer

«Arnold, Sylvester, Franco und ich sind enge Freunde. Wir wohnen sehr Nahe und treffen uns täglich. Eigentlich gehört auch Mike dazu. Doch der ist etwas abgehoben. Er nennt sich drum eben manchmal «Iron Mike» und das ist physisch halt doch ganz einfach Unsinn. Wir sind so eine Art Präventiv-Rausschmeisser. Denn wir verhindern, dass überhaupt jemand rein kann.

Wir Jungs haben noch immer dicht gehalten. Da konnten die Angreifer noch lange mit solchen Dingen wie Rammböcken oder Feuerpfeilen kommen. An uns sind diese Spielzeuge noch immer abgeprallt. Wenn so was auf uns zugekommen ist, sind wir zusammengestanden wie echte Männer. Auch «Iron Mike» hat dann einfach seine Klappe gehalten und so mussten sie ihre Füsse in die Hand nehmen.

Die können den Rammbock ins Korn werfen

Wir sind aus echtem Schrott und Pfeffer – na ja, das ist so eine Redensart. Eigentlich sind wir aus etwas ganz anderem. Aber egal. Gegen uns kann man eh den Rammbock ins Korn werfen.

Wir standen da also eines wunderschönen Tages und machten Witze darüber, welche Typen wir heute präventiv rausschmeissen, respektive gar nicht erst ... na ja, sie wissen schon.

Die lächerlichste Armee der Welt

Da entdeckten wir die lächerlichste Armee der Welt. Von welchem Stamm oder Volk die nun wieder herkamen ... Keine Ahnung. Wir haben ja schon die unglaublichsten Kampfmethoden kennen gelernt. Aber diese schlug sämtliche Rekorde.

Diese Leute begannen um unsere Stadt zu marschieren. Zuerst dachte ich noch, dass die uns von hinten angreifen würden. Das wäre zwar klug gewesen. Wäre, denn sie marschierten ja einfach dorthin. Man konnte sie von überall sehen. Doch sie liefen einfach weiter im Kreis um unsere Stadt herum. Zugegeben, es hatte ein paar ganz kräftige Typen dabei. Aber gegen Arnold, Iron Mike und mich? Da hätten diese Herausforderer auch ganz einfach Forefait geben können.

Die Wandervogel-Krieger

Ob sie sich einfach zeigten um in der Nacht anzugreifen? Naja, wir wären gerüstet. Aber da hätten sie sich doch gar nicht zu verraten gebraucht ...

Es kam aber anders. Am nächsten Tag marschierten diese Krieger wieder eine Runde um unsere Stadt und dann war der Ofen wieder aus. Ende Vorstellung. Langsam begannen wir uns zu amüsieren.

Auch am dritten Tag spulten diese Wandervogel-Krieger ihren Umrundungsmarsch ab. Witzig, witzig. Ich hatte mittlerweile herausgekriegt, dass sie Hebräer sind.

Sollten wir sie noch ernst nehmen? Hatten sie Angst vor uns, dass sie nicht angriffen. Vermutlich schon.

Tag vier. Das gleiche Bild. Wir lachten beinahe Tränen. Zum Glück nicht ganz. Denn dann hätten wohl wieder ein paar Leute einen neuen Kult eröffnet und uns als Wunder gefeiert. Ach ja, ich habe mich noch gar nicht vorgestellt. Sorry. Ich bin Hugo, einer der vielen Steine der Stadtmauer von Jericho. Und Sie wissen ja, wie sensibel Menschen auf weinende Steine reagieren. Keine Ahnung warum ...

Knock-out

Iron Mike riss Spruch um Spruch. Und auch ich fragte mich, ob die wohl wollten, dass uns schwindlig würde, weil sie immer um unsere Stadt liefen? Egal. Am siebten Tag waren sie dann besonders fleissig. Sie liefen siebenmal um uns rum. Diesmal machten sie einen gewaltigen Krach ...

Vielmehr weiss ich nicht mehr. Ich habe da eine Gedächtnislücke. Plötzlich erhielten wir irgendwoher einen unglaublich gewaltigen Schubser. Dann ging ich k.o.

Als ich wieder zu mir kam, war ich an einem ganz anderen Ort. Bauarbeiter brachten mich gerade in die richtige Position. Hoch über mir wurde dann ein Tempel gebaut und heute sind wir – jawohl, Iron Mike, Arnold, Sylvester, Franco und auch andere Mauersteine sind auch da – einige der meistfotografierten Persönlichkeiten der Welt. Naja, Steinpersönlichkeiten; aber trotzdem. Wir stehen in der Klagemauer. Ich bin der 47. von links und der 23. von unten.

Datum: 19.02.2006
Autor: Daniel Gerber
Quelle: Livenet.ch

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