Gemeinden

Räume der Ruhe

Stille

Menschen, die Dinge auf den Punkt bringen, empfinden wir als Wohltat. Sie sprechen aus, was viele ahnen und spüren, aber nicht so recht in Worte fassen können. Ich selber geniesse es, solche Menschen in meinem Umfeld zu haben. Manchmal geht es um Dinge, die mich selber betreffen. Manchmal sind es biblische Zusammenhänge, die jemand so zusammenfasst, dass ich nur sagen kann: Ja, so ist es. Manchmal sind es auch Dinge, die unser Zeitgeschehen betreffen. Plötzlich kann ich mich viel besser einordnen und verstehen. Es geht dann wieder leichter.

Menschen, die etwas auf den Punkt bringen, hat es immer gegeben. Friso Melzer, der an vielen Stellen die Zeit ab Mitte des 20.Jahrhunderts zu erfassen suchte, formulierte die Konsequenzen, die eine zunehmende Technisierung hat. Er nannte drei Dinge: Die Technisierung, der wir sehr viel Angenehmes verdanken, bewirkt erstens eine Beschleunigung der Zeit (alles geht schneller), zweitens eine Erweiterung des (Lebens-)Raumes etwa durch Mobilität und drittens die Zerstörung von Gemeinschaft. Dass Friso Melzer dies Mitte des vergangenen Jahrhunderts erahnte, hat fast prophetische Dimensionen.

Christliche Gemeinden sind ein Ort, an dem immer wieder versucht wird, Verheissungen, aber auch Grundgefährdungen unserer Zeit nachzuspüren und Schlussfolgerungen zu ziehen. Die Antwort auf eine beschleunigte Zeit liegt in einer stabilen Gemeinschaft. Wurzelboden solcher Gemeinschaft ist die elementare Freiheit, die in eine frei gewählte Verbindlichkeit führt. Solche Räume der Gemeinschaft sind «entschleunigte» Räume. Es sind Orte, deren Raum Grenzen kennt (und deshalb so etwas wie Beheimatung möglich macht), und es sind Orte, wo den Chaosmächten Einhalt geboten wird.

Ich kenne viele Menschen, die sich nach solchen Orten sehnen. Ich gehöre mit zu ihnen. Christliche Gemeinden und Gemeinschaften dürfen solche Orte sein und werden. Wie kann ich dazu beitragen, dass solche Gemeinschaften wachsen? Beispiele:
- Ich reduziere den Druck auf andere Menschen, was sie auch noch tun sollten und wie sie die Dinge, die sie tun, noch besser tun könnten.
- Ich bejahe die Grenzen, die sich unsere Gemeinschaft gesetzt hat (statt dass ich immer betone, was in unserer Gemeinschaft auch noch möglich sein sollte).
- Ich wehre zuallererst in meinem eigenen Leben allem Chaotischen, etwa indem ich Dinge, die ich sage, auch tue, oder Dinge, die ich anfange, auch zu Ende führe.
Paulus lehrt, dass unser Kampf nicht gegen Fleisch und Blut ist, sondern gegen Gewalten und Mächte, deren Anführer Satan, der Durcheinanderbringer, selber ist. Aus diesem Grund sollen wir die Waffenrüstung Gottes anziehen. Mit aller Beharrlichkeit sollen wir wach sein und «zu jeder Zeit beten» (Epheser, Kapitel 6). Dies ist ein guter Rat, vermutlich ein Gebot der Stunde, in einer Zeit, in der es uns nicht selten schwindlig wird vor Komplexität, Grenzenlosigkeit und ungesunden Geschwindigkeitsüberschreitungen des Lebens.

«Die Seele geht zu Fuss», sagte jemand. Lasst uns wieder etwas mehr «zu Fuss gehen»!

Autor: Markus Müller, Direktor Chrischona-Gemeinden Schweiz

Datum: 14.11.2004
Quelle: Chrischona Magazin

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