O Heiland, reiss die Himmel auf

Himmel

Reiss ab vom Himmel Tor und Tür, reiss ab, wo Schloss und Riegel für.

"Ein beunruhigendes, herbes, bedrängendes Lied" hat jemand dieses Adventslied "O Heiland, reiss die Himmel auf" genannt. Hier ist keine kuschelige Kerzenschimmerseligkeit. Eher "verzweifeltes Weinen im Dunkel, ein stürmisches Rufen nach Gott."

"Komm doch, bitte, verlass deinen verschlossenen, verrammelten Himmel. Komm und misch dich unter uns elende Menschen. Zeig uns, dass du wirklich der Heiland bist" Und dann, noch dringlicher: Wo bleibst du, Trost der ganzen Welt, darauf sie all ihr Hoffnung stellt!

Vor fast 400 Jahren, um das Jahr 1620, ist dieses Lied entstanden. Der Verfasser war Friedrich Spee von Langenfeld, ein hochbegabter junger Theologe und Gelehrter. Er hätte eine glänzende Karriere machen können. Aber es war Krieg; ein Krieg, der 30 Jahre lang Europa verwüsten sollte. Und: der Hexenwahn grassierte wie die Pest, schlimmer als je zuvor. - Friedrich Spee bekam mit den Hexenprozessen zu tun. Er las die Verhörprotokolle mit den erpressten Geständnissen. Er stieg in die Kerker und sah die gefolterten Frauen. Er war ihr Beichtvater und begleitete sie zum Scheiterhaufen. Und ihm wurde klar: "Das ist ein Wahn, ein kollektiver Irrsinn und ein furchtbares Verbrechen. Diese Prozesse gründen ausschliesslich auf übler Nachrede, auf Hetze und auf Verleumdung."

Spee riskierte, dass er selber verurteilt würde. Er nahm all seinen Mut und seinen Glauben zusammen und schrieb ein Buch: "Cautio Criminalis. Rechtliche Bedenken wegen der Hexenprozesse." Darin stellte er Rechtsgrundsätze auf, die bis heute gültig sind: "Jeder Mensch muss als unschuldig gelten, solange ihm seine Schuld nicht nachgewiesen ist. - Im Zweifel für den Angeklagten. - Jeder Mensch hat ein Recht auf Verteidigung." Und vor allem: "Die Folter ist völlig abzuschaffen." - Dieses Buch erregte ungeheures Aufsehen. Es war der Anfang vom Ende des Hexenwahns.

Wer etwas ändern will an den Zuständen in der Welt, das lerne ich von Friedrich Spee, der braucht dreierlei: einmal ein heisses Herz für die Menschen, die leiden. Dann einen kühlen Kopf, der mit Vernunft etwas zu Wege bringt. Aber das dritte auch: das Vertrauen, dass Christus uns hier unten nicht im Stich lässt. Er ist da, wenn wir ihn brauchen.
Autorin: Oda-Gebbine Holze Stäblein

Datum: 08.12.2002
Quelle: ARD

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