Mit ungleichen Ellen gemessen?

Bieler Politiker kämpft weiter gegen das Segens-Plakat

Wenn Werbung des Islamischen Zentralrates auf einem Bus erscheinen würde, würde er in die Luft gehen, sagt der Bieler Politiker Mohamed Hamdaoui. Er selber blitzte bei den Bieler Verkehrsbetrieben mit seinem Anliegen ab, eine Freidenker-Werbung auf einem Bus zu platzieren. Dass gleichzeitig die Segensbotschaft der Agentur C angenommen wurde, stört Hamdaoui. Es müsse mit gleichen Ellen gemessen werden, fordert er.
«Gott segne dich»: Gegen diesen Frieden verströmenden Wunsch will ein Bieler Stadtrat vorgehen.
Mohamed Hamdaoui

Die Berner Sektion der Freidenker wollte einen Spruch grossformatig auf einem Bus der «Verkehrsbetriebe Biel» anbringen lassen, der heisst: «Es gibt wahrscheinlich keinen Gott. Nun denn, hör auf, dir Sorgen zu machen und geniesse dein Leben».

Hamdaoui, der zwar muslimische Wurzeln hat, die Religion aber nicht praktiziert, wie er gegenüber kath.ch sagte, wies auf das Recht hin, das die Verkehrsbetriebe der christlichen «Agentur C» zugestanden hatten. Diese hatte den Bibelvers «Der Herr segne dich» auf einem Bus anbringen lassen.

Heftige Kontroversen

Die ganze Geschichte hat in Biel zu einer grossen Polemik geführt. Die Verkehrsbetriebe krebsten darum vorerst zurück. Am vergangenen Freitag erklärten die Verkehrsbetriebe über ein Pressecommuniqué, dass sie aufgrund der heftigen Reaktionen auf die Werbung der «Agentur C» auf einem Bus und der daraus resultierenden Kontroverse ein Rechtsgutachten von einem Fachanwalt angefordert hätten.

Die Offertenanfrage der Freidenker befinde sich darum «in Arbeit». Sobald das angeforderte Rechtsgutachten vorliege, könne eine «fundierte Antwort» auf die Anfrage gegeben werden. Erst zu diesem Zeitpunkt würde eine «mögliche Entfernung der Werbung der Agentur C in Frage kommen». Die Verkehrsbetriebe möchten, wie sie mitteilen, Richtlinien erlassen, die eine «solide Grundlage für eine Entscheidung darüber bieten, ob eine religiöse und/oder politische Werbung genehmigt werden soll oder nicht».

Verweis auf Bundesgericht

Nach einem Entscheid des Bundesgerichtes aus dem Jahr 2012 über einen Fall der Verweigerung einer religiösen Werbung durch die SBB am Bahnhof Zürich sei es den Bieler Verkehrsbetrieben wichtig, «unseren Handlungsspielraum in Bezug auf mögliche Einschränkungen unter Wahrung des Prinzips der Meinungsfreiheit zu kennen».

Der Bieler SP-Stadt- und Grossrat Mohamed Hamdaoui gibt jedoch nicht klein bei. Gemeinsam mit Vertretern anderer Parteien wie der SVP, der BDP und den Grünliberalen will er einen politischen Vorstoss erreichen, der religiöse Werbung auf öffentlichen Verkehrsmitteln verbieten will. Nicht betroffen wäre die Werbung auf Plakatwänden, sagte Hamdaoui am Montag auf Anfrage.

Mit gleichen Ellen messen

«Man kann nicht Ja zur Werbung einer Religionsgemeinschaft sagen und dann zu einer anderen Nein», erklärte Hamdaoui weiter. So, wie es der Agentur C gestattet wurde, könnte von Rechts wegen auch der extremistische Verein «Islamischer Zentralrat der Schweiz» Werbung anbringen lassen. So etwas würde ihn aber «extrem wütend» machen, sagte der SP-Mann, der den Kampf gegen extreme, religiöse Positionen auf sein politisches Banner geschrieben hat. Seiner Ansicht nach gehört Religion in den privaten Bereich.

Der Präsident der Agentur C, Peter Stucki, hatte im vergangenen Juli gegenüber cath.ch erklärt, dass er bezüglich der Rechtslage für den Zweijahresvertrag mit den Verkehrsbetrieben Biel keine Bedenken habe. Das schweizerische Recht verbiete die religiöse Werbung im Radio und Fernsehen. Im öffentlichen Raum werde sie aber toleriert, solange sie anderen keinen Schaden erbringe.

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Datum: 09.10.2018
Autor: Georges Scherrer
Quelle: kath.ch

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