Christen in Libyen

Polizeichef verweigert Fahndung nach den Attentätern

Ein Anschlag auf koptische Christen am Neujahr macht auf die schwierige Lage der christlichen Minderheit in Libyen aufmerksam. Sie blicken auf eine lange Geschichte der Bewährung zurück.
Die Georgs-Kirche nach dem Anschlag am 31. Dezember 2012

Als koptische Christen im Vorort Dafnija die Abendmesse verliessen, wurden sie von Terroristen angegriffen, die zwei Granaten auf ihre Georgs-Kirche und den angebauten Gemeindesaal warfen. Dieser wurde vollständig zerstört: Dabei wurden drei Christen getötet, einige schwer und eine grössere Zahl leicht verletzt.

Die libyschen Behörden verharmlosen den Anschlag: «Diese koptischen Migranten müssen erst beweisen, dass sie nicht selbst leichtsinnig mit Neujahrsfeuerwerken hantiert haben», sagt der lokale Polizeichef Hadi Schaklauwi gegenüber Livenet auf Anfrage. Er will nicht einmal eine Fahndung nach den Tätern einleiten.

Ein neues Kapitel im bald 1400-jährigen Kreuzweg der Kirche in Libyen! Es war bis zum 7. Jahrhundert ein christliches Land. Die Islamisierung erfolgte dort viel gründlicher als im sonstigen Nordafrika. In Tunis hingegen konnte eine christliche Gemeinde noch 900 Jahre überleben.

Nachkommen der Sklaven von Seeräubern

Die ersten Christen, die wieder nach Libyen kamen, waren fast ausnahmslos Sklaven der tripolitanischen Seeräuber. Zu ihrer Betreuung wagten sich bald katholische Ordensleute an diese damals so genannte «Barbarenküste». Traurige Berühmtheit erlangte Jean Le Vacher, der 1683 als menschliche Kugel aus einer Kanone geschossen wurde. Zuvor hatte er es abgelehnt, Muslim zu werden. Von ihm ist eine Beschreibung des Elends, aber auch von Glaubensstärke der christlichen Galeerensklaven im libyschen Tripolis erhalten.

Erste evangelische Christen

Mit der Eröffnung von Konsulaten der jungen USA kamen Ende des 18. Jahrhunderts erste evangelische Christen nach Libyen. Von der Tochter eines Konsuls, Judy, sind ergreifende Tagebücher über diesen Neuanfang erhalten. «Verfolgt wie die Kirche der Märtyrer und Katakomben.»

Die italienische Kolonialisierung von Libyen ab 1912 brachte katholische Siedler ins Land. Mussolini und seine Marschälle bekämpften und unterdrückten die Muslimbevölkerung. Kein Wunder, dass nach Gaddafis Machtergreifung 1969 die Kathedralen der Kolonialzeit geschändet, erst in Ziegenställe und dann in Moscheen verwandelt wurden.

«Unter Ghaddafi war es besser ...»

Mit dem Zuzug vieler Schwarzafrikaner ins Erdölwunderland Libyen trafen dort in den letzten 50 Jahren wiederum zahlreiche evangelische Christen ein. Sie bilden evangelikale Hausgemeinden, an denen inzwischen um die 200 bekehrte Muslimas und Muslime teilhaben. Edward Blasu aus Ghana, Pastor einer Pfingstkirche: «Unter Ghaddafi war es für uns etwas besser. Jetzt herrschen Islamismus und Willkür. Wann sind nach den Kopten wir an der Reihe?»

Datum: 07.01.2013
Autor: Heinz Gstrein
Quelle: Livenet

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