Adly Abadir Youssef

Der «Schweizer Moses» ist tot

Er war ägyptischer Präsidentschaftskandidat und kämpfte von Zürich aus unermüdlich für die unterdrückte, christliche Minderheit: Adly Abadir Youssef. Trotz schwerer Krankheit arbeitete er oft bis tief in die Nacht in seinem Büro, nahe am Zürichsee. Nun starb der «Schweizer Moses» im Alter von 89 Jahren.
Adly Youssef wie er leibte und debattierte (Fotos: Daniel Gerber).
Bilder aus dem Trauergottesdienst
Medhat Klada führt die Arbeit von Adly Youssef weiter
Der Christ Ramy Lakah wurde im Jahr 2000 ins ägyptische Parlament gewählt, dies weckte Opossition, bis er ein Jahr später abgesetzt wurde. Auch er gab Adly Youssef die letzte Ehre.
Michael Meunier (links, Leiter der US-Kopten) trifft hier Generalbischof Anba Dambian

1921 geboren, bildete sich Adly Youssef in Kairo zum Ingenieur und Betriebswirtschafter. Er gründete eine eigene Firma («Nacita») und war im Jahr 1956 in Ägypten führend in der Stahl und Pneuindustrie. Adly Youssef wurde aber von Gamal Abdel Nasser persönlich verfolgt und setzte sich 1961 in die Schweiz ab, wo er die Firma «Okinah» ins Leben rief und die im Laufe der Zeit Firmen vertrat wie Sulzer, Siemens und viele andere. Erst nach Nassers Tod konnte Youssef wieder in seine Heimat reisen. Jahrelang pendelte er zwischen den beiden Nationen, ehe er sich 1987 ganz in der Schweiz niederliess.

«Ein Auge für Blinde»

Er setzte sich ein für Arme und Bedürftige ein, sowie für die Kopten, wie die christlichte Minderheit Ägyptens genannt wird und deren Zahl auf bis zu zehn Millionen beziffert wird. Anba Damian, Deutschlands koptischer Generalbischof, schildert: «Wir haben viele soziale Projekte gemeinsam durchgeführt. Durch ihn war es möglich, viele Kranke hierher zu holen um sie hier behandeln zu lassen, wenn dies in der Heimat nicht möglich war.» Auch habe er vielen Studenten und Hoffnungslosen geholfen. «Er war ein Auge für Blinde und eine Krücke für Gehbehinderte.»

Weltpolitik in Zürich

In der Schweiz machte Adly Youssef Weltpolitik. Er war der erste, der die Verbände verschiedener Kopten zusammenbrachte, womit die Forderung nach Gleichberechtigung der christlichen Minderheit verstärkt wurde; bis heute werden Christen in Ägypten das Bekleiden öffentlicher Ämter, Einsitz in Parlamenten und der Bau von Kirchen in aller Regel verwehrt. Youssef kämpfte für seine Minderheit, deshalb nannte ihn diese Website «der Schweizer Moses».

2004 führte er in Zürich die erste Kopten-Konferenz durch. Die ägyptische Regierung in Kairo versuchte, die Zusammenkunft abzuwenden, doch Kopten aus den USA, England, Frankreich und anderen Nationen trafen sich. Es folgten weitere Konferenzen in Washington, wo die gesamte Versammlung von mehr als hundert Teilnehmern im U.S. Captiol angehört wurden. Weitere Konferenzen in Zürich und New York.

Youssef for President

Adly Abadir Youssef kandidierte auch für das ägyptische Präsidentenamt. Die Reformpläne hätte er in der Schublade gehabt. Dennoch zog er sich aus dem Rennen zurück. «Ich merkte, dass wir Kandidaten lediglich Marionetten waren, um Demokratie vorzutäuschen», begründete er damals gegenüber dieser Website seinen Entscheid. «Es war alles darauf ausgelegt, dass Hosni Mubarak gewinnt.» Und so sollte es auch kommen.

Lebenswerk geht weiter

Sein Lebenswerk geht weiter. Seit Jahren arbeitete Medhat Klada als rechte Hand Adly Youssefs und für dessen Menschenrechts Stiftung, nahm an Protesten Teil und schrieb offene Briefe an Würdenträger. Medhat Klada: «Das Werk führe ich mit seiner Tochter weiter, in seinem Geist.»
Unermüdlich habe Youssef gearbeitet. «Er war sehr krank, aber er arbeitete bis zu 16 Stunden pro Tag. Zweimal in der Woche musste er in die Chemotherapie. Nach dem Aufenthalt im Spital kam er ins Büro.»

Tausende können ihn nicht ersetzen, sagt Klada. «Er ist ein grosser Verlust, wir versuchen seine Ziele und Gedanke weiterzuführen.» Das Büro sei die Schlüsselstelle bei der Forderung nach gleichen Rechten. Eine der nächsten Handlungen ist ein Protest bei der EU in Brüssel, um auf die Lage aufmerksam zu machen.

Ein Verlust für die christliche Welt

«Er war ein Energiebündel, das keinen Kompromiss kannte, weder gegen sich noch gegen andere», sagt Annette Walder, Leiterin von «Christian Solidarity International» (CSI); CSI engagierte sich in den erwähnten Kopten-Konferenzen. «In seiner strenge war er zugleich ein herzensguter, charmanter Mann. Sein Tod ist ein Verlust für die christliche Welt.» Zuletzt hatte Youssef einen Bericht über entführte Koptinnen unterstützt. Die Zusammenarbeit mit seinem Büro dürfte weitergehen. «Es ist gut, wenn nicht nur wir als europäische Christen uns einsetzen, sondern auch sie, die direkt betroffen sind. Denn sie können aus eigener Erfahrung bekräftigen, was wir an Christenverfolgung beklagen.»

Der Grand Senieur

Zur Beerdigungs-Gottesdienst erschien auch Michael Meunier, der Leiter der amerikanischen Kopten-Organisation. «Adly lehrte mich viel. Er gab sein Geld dahin, wo sein Mund war. Und er trieb die Sache der Kopten voran, wie niemand bisher in der Geschichte.» Er habe wie ein ägyptischer Farmer reden können, aber auch weltmännisch Shakespeare und Schriften aus verschiedenen Zivilisationen zitieren, vermischt mit Psalmen. «Auch wenn man nicht seiner Meinung war, man liebte ihn. Er vereinte uns und gab uns eine Stimme. Diese Arbeit geht weiter.»

Als Grand Senieur bezeichnete seine Tochter ihren Vater, als Mann mit viel Humor. Und: «Er war ein Vulkan der Wut gegen Ungerechtigkeit.»

Beederdigung Überschattet

Die Beerdigung fand am 7. Januar statt, vor zwei Tagen. An diesem Tag feierten die Kopten Weihnachten - auf eine feiernde Gemeinde wurde am Vorabend in Ägypten ein Anschlag verübt. Bei einem Angriff auf eine koptische Kirche im mittelägyptischen Nag Hamadi wurden acht Christen getötet, Medhat Klada spricht von bis zu 21 Verletzten.
Bischof Anba Damian sagte, das Attentat habe auch dem Bischof von Nag Hamadi gegolten, Bischof Kyrill. Dieser wurde aber nicht getroffen.

«My Son»

Adly Youssef war ein Mann mit einem grossen Herzen. Und er nannte viele «my son» («mein Sohn»); auch den Schreibenden. Engagiert kämpfte er für die Unterdrückten und scheute sich nicht, Ross und Reiter beim Namen zu nennen. Er tat es auch mit Ironie und Humor. Etwa wenn er schilderte, dass in Ägypten Kirchen nicht erbaut der umgebaut werden dürfen und selbst die Renovation einer Sanitäranlage nur vorgenommen werden darf, wenn es der Staatschef persönlich erlaubt - Adly Youssef formulierte, Hosni Mubarak kümmere sich um Kirchetoiletten.
In unserem letzten Interview sagte er, der Schreibende solle einst eine Rose auf sein Grab legen. Im Alter von 89 Jahren ist er nun verstorben. Er lebt nicht nur in den Herzen vieler weiter, sondern in der Bewegung, die er aufgebaut hat und die zur Freiheit der Unterdrückten aufruft.


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Website
www.coptsunited.com (englisch)

www.copts-united.com (arabisch)

Datum: 09.01.2010
Autor: Daniel Gerber
Quelle: Livenet.ch

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