Atheistischer Pfarrer

Soll das die Zukunft der Kirche sein?

Erfahrungen bringen uns weiter, doch können sie Gott ersetzen? Der Holländer Klaas Hendrikse propagiert den Abschied vom Gott der Kirche. – Eindrücke von einem Abend in Zürich.
Die Zürcher Pfarrerin Verena Mühlethaler, Gastgeberin im St. Jakob, und Klaas Hendrikse

Wer ist interessiert an einem Glauben, der bloss aus Erfahrungen besteht? Für den Holländer Klaas Hendrikse ist «Glauben» nicht mehr als das: Gott geschehe, behauptet er, in solchen Erfahrungen, wenn Menschen sich aufmachten. «Gott kann das Wort sein, mit dem man eine Erfahrung bezeichnet – muss es aber nicht.» Der christliche Gott des Glaubens, der allem den Grund gibt, der allmächtige Gott, der von der Kirche verkündigt wird – den gebe es nicht, sagt Hendrikse. Und ebenso schnörkellos: «Wenn es Gott nicht gibt, gibt es nichts zu beten.»

«Einen Gott predigen, den es nicht gibt»

Wie kommt es denn, dass der Holländer Säle füllt? Über Jahrzehnte Pfarrer, tritt er, kürzlich pensioniert, noch heute mit dieser Berufsbezeichnung auf, obwohl er «einen Gott predigt, den es nicht gibt» und so Unglauben sät. Sein Buch wurde in den Niederlanden ein Verkaufserfolg und ist nun auf deutsch erschienen.

Am 5. April kamen 320 Personen, die meisten über 50, auf Einladung der Zeitung «reformiert.» in die Zürcher St. Jakob-Kirche, um Hendrikse mit dem Grossmünsterpfarrer Christoph Sigrist diskutieren zu hören. Scharfe Kritik übte der Gast an Pfarrern, die selbst nicht glauben, was sie predigen. Das sei tödlich für die Kirche. Er qualifizierte (wie Rationalisten vor 200 Jahren) die biblischen Berichte über Jesus als Mythen ab: als wäre expliziter Unglaube besser als bemäntelter Unglaube.

Pfarrer und Atheist?

Die Veranstalter hatten den Abend im St. Jakob unter die Frage gestellt: Pfarrer und Atheist – geht das? Nein, sagte Christoph Sigrist. Hendrikse habe eine verwirrende Doppelbotschaft und lasse die Menschen orientierungslos, urteilte der Grossmünsterpfarrer. «Menschen, die zu mir kommen, erwarten, dass ich glaube.» Auch wenn angesichts der Weltlage Zweifel mitschwinge. «Ich kann meinen Beruf nicht ausüben, ohne dass ich sage: Ich glaube an Gott.»

Dies war ein Lichtstrahl an dem Abend, an dem die Kälte des Unglaubens durch die Zürcher City-Kirche wehte. Da stand doch ein Zuhörer, pensionierter Pfarrer, auf und wünschte der reformierten Kirche neben frommen und liberalen auch offen atheistische Pfarrer…

Wie weiter?

Wie soll die Kirche mit Hendrikses Provokationen umgehen? Die von Moderator Felix Reich aufgeworfene Frage wurde am Abend nicht beantwortet. Immerhin schilderte ein Kirchenpfleger, dass ein junger Pfarrer in seiner Gemeinde neu Interesse weckt. Dagegen wirkte Hendrikses Bild der Kirche der Zukunft – die Gastlichkeit eines Cafés mit «geistiger» Nahrung – blass.

Die reformierte Kirche wird in den säkular gestimmten Zentren der Schweiz anders ansetzen müssen, um für Menschen relevant zu sein. Sie könnte daran erinnern, dass wir ohne Zuwendung anderer, die uns wohl gesinnt sind, nicht ins Leben finden, nicht leben können. Und mit dem Apostel Johannes sagen: «Wir lieben, weil er uns zuerst geliebt hat.»

Die Zeitung «reformiert.» hat vor der Veranstaltung ein Gespräch mit Fraumünsterpfarrer Niklaus Peter publiziert: «Manchmal hilft es, sich provozieren zu lassen».

Datum: 11.04.2013
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet

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