Spannungsfeld Schule

Die Glaubensfreiheit ausüben

«In der Schule darf man ja immer weniger von seinem Glauben reden» oder «Die Schule wird ja immer säkularer» höre ich oft. Ich frage dann: Soll das eine Enschuldigung sein, um seinen Glauben weiter zu privatisieren? Oder ist das ein Rückgriff auf fiktive Statistiken, um sich selbst zu bemitleiden?
Matthias Kägi

Kürzlich hat mich eine Schulpflegerin kritisiert, weil ich in der Schule zwei Begriffe gebraucht habe: einmal «Segen» und ein andermal «Vergebung». Ich hätte nun sagen können: Da haben wir's! Jetzt darf ich nicht einmal mehr solche Wörter gebrauchen! So schlimm steht's schon um unsere Schule! – Das habe ich aber nicht gemacht. Ich habe vielmehr die Gelegenheit benutzt, um mit der Vorgesetzten ein wichtiges Gespräch zu führen.

Sie hatte nämlich gesagt, ich verwende hier eindeutig christliche Begriffe, und das sei nicht neutral – unsere Schule sei aber zur Neutralität verpflichtet. Ich sagte, grundsätzlich gehe es ja um die Glaubensfreiheit, die uns in der Bundesverfassung, Artikel 15, garantiert sei. Diese beinhalte einerseits, dass ich meinen Glauben leben und ausdrücken dürfe, und anderseits, dass niemand zu einem Glauben gezwungen werden dürfe.

In der Schule heisse das, dass ich nicht indoktrinieren dürfe, es heisse aber auch, dass ich meinen Glauben nicht verstecken müsse. Die Glaubensfreiheit nach BV Art 15 (das müsste jede Lehrperson, jeder Christ in der Schweiz wissen!) mute den Bürgern zu, dass sie sich in einem gewissen Mass mit andern Weltanschauungen konfrontieren lassen. Wenn sie (die Schulpflegerin) aber den Eindruck habe, ich indoktriniere meine Schüler, ja, dann müsste ich tatsächlich über die Bücher gehen. Das verneinte sie aber klar.

Ich bin froh, dass ich mich in dieser Situation nicht einschüchtern liess. Allzu leicht verfällt man, wenn man auf solche Angriffe nicht gefasst ist, in die Opferrolle und begnügt sich dann mit Statements wie den eingangs erwähnten. Damit dies nicht geschieht, sollten wir uns über drei Tatsachen klar sein:

Es gibt nicht nur Gläubige und Neutrale

Erstens herrscht in Europa weit herum die falsche Meinung (wenn nicht gar Doktrin!), es gebe nur Gläubige und Neutrale. Wer etwas von seinem Glauben preisgibt, gehört in die erste Kategorie. Das gilt aber als uncool. Es passt nicht zu unserer  postmodernen Gesellschaft, sich auf eine Weltanschauung festzulegen. Meine Schulpflegerin meinte, Neutralität heisse, nur das bei uns vorherrschende materialistisch-atheistische Vokabular zu verwenden. Das wäre aber in Wirklichkeit überhaupt nicht neutral, denn es bevorzugt das materialistisch-atheistische Weltbild – nennen wir es säkular. Der Irrtum besteht darin, der Säkularismus sei kein Glaube. Viele säkular orientierte Menschen sind sich ihrer Glaubensannahmen nicht bewusst oder nehmen sich nie die Mühe, sie zu ordnen. Vielleicht fühlen sie sich deshalb verunsichert oder angegriffen, wenn jemand  zu einem bestimmten Glaubensbekenntnis steht. Dann ist das ein «Gläubiger»; der oder die vermeintlich «Neutrale» ist aber in Tat und Wahrheit kein «Ungläubiger», sondern ein «Andersgläubiger».

Was ist Indoktrination wirklich?

Zweitens ist eine Glaubensäusserung noch lange nicht Indoktrination. Indoktrination heisst, nur eine einzige Ansicht als richtige und allgemein gültige darzustellen. Allein dadurch, dass ich meinem Glauben Ausdruck verleihe (und das geschieht auf vielfältige Weise, verbal und nonverbal, bewusst oder unbewusst), indoktriniere ich nicht. Interessanterweise sagte die Geschäftsführerin der Freidenker zum Schluss unseres Podiums «Fromme Lehrer»: «Ich wünsche mir christliche Lehrer, die ihren Glauben leben, ohne zu indoktrinieren.» Ich konnte ihr nur sagen: «Freut mich! Ich auch!» Indoktrination ist vorab eine Haltung, welche Glaubensfreiheit verneint. Gott lässt uns die Freiheit, an ihn zu glauben – oder nicht. Das muss auch unsere Haltung sein.

Werte vermitteln

Drittens verlangen die Schweizer Lehrpläne, dass die Schüler eigene Werte aufbauen. Das ist nur möglich in der Begegnung mit authentischen Menschen, die ihre eigenen Werte haben und dazu stehen – und da sind in einer pluralistischen Gesellschaft die christlichen Werte gleichberechtigt mit den säkularen und allen andern! Wir und alle Andersgläubigen müssen lernen, von unserem Glauben zu reden – ohne zu indoktrinieren.

Matthias Kägi ist Leiter des Bereichs Pädagogik der VBG

Datum: 22.05.2012
Autor: Matthias Kägi
Quelle: Livenet / Bausteine

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