Blick unter die Chuppah

Wenn der Sex eines Paares öffentlich analysiert wird

In der US-Fernsehshow «Sex Box» haben neuerdings Paare während der Sendung in einer Kabine Sex und reden anschliessend darüber. Wir leben in einer Welt, die ständig versucht, die Sexualität unter der Chuppah hervorzuziehen und öffentlich zur Schau zu stellen – mit verheerenden Folgen. Gedanken dazu von Florian Wüthrich.
Eine Chuppah
Ein Paar, das in der Sex-Box war.
Rob Bell
Livenet-Redaktionsleiter Florian Wüthrich.

«In dieser Kiste hat's grad gerappelt – und direkt danach geht's zum Beziehungstherapeuten». Mit dieser Schlagzeile kündigte das deutsche Boulevardblatt «Bild» das neuste Sendeformat an, das Anfang März in Amerika angelaufen ist. Das Konzept der Sendung sieht vor, dass ein Paar zuerst mit Therapeuten über Probleme in ihrem Sexleben redet und dann in einer schalldichten Sex-Box die Expertentipps gleich umsetzt (im Inneren wird nicht gefilmt) und dann unter dem Jubel des Publikums herauskommt. Auf einer Couch wird anschliessend über den soeben erlebten Sex gesprochen. «Bild» spekuliert bereits, dass dieses Format wohl bald auch im deutschen TV zu sehen sein wird.

Zu viele Leute unter der Chuppah

Ich wurde durch diese skurrile Idee an meine eigene Hochzeit im Herbst 2013 erinnert. Der Pastor stellte meine Frau und mich, als wir den Ehebund schlossen, symbolisch unter die sogenannte Chuppah. Die Chuppah ist eigentlich nur ein Stück Stoff, unter dem gerade mal die Braut und der Bräutigam Platz haben. Unter der Chuppah stehen ist eine antike Hochzeitstradition, die ihre Wurzeln im 2. Buch Mose hat. Sie symbolisiert dort die Hochzeit oder den Treuebund Gottes mit seinem Volk Israel, das in der Bibel oft als Braut bezeichnet wird.

Wenn nun ein Mann und eine Frau zusammenkommen, dann ist das aus Sicht der Bibel ein Bild dafür, wie Gott und sein Volk zusammenkommen. Um dieses Zusammentreffen zu symbolisieren, haben die Juden seit Tausenden von Jahren einen Gebetsschal genommen, wie ihn Gott im 4. Buch Mose seinem Volk zu tragen befiehlt (4. Mose, Kapitel 15, Vers 38), und haben seine vier Ecken an vier Stangen befestigt. Dann mussten Hochzeitsgäste die vier Stangen halten, sodass die Brautleute ihre Versprechen unter dieser Chuppah austauschen konnten. Für die Juden bedeutet dies: Derselbe Gott, der über seinem Volk schwebte und es schützte, beschützt auch das Brautpaar und segnet ihre Gemeinschaft. Die Ehe ist in diesem Sinne eine heilige Angelegenheit.

Gültig nach körperlicher Vereinigung

Nun gab es noch eine wichtige Sache, die notwendig war, damit sie verheiratet waren: Ihre körperliche Vereinigung. Deshalb geleitete die Hochzeitsgesellschaft das Brautpaar zum Schlafgemach, befestigte die Chuppah über ihrem Bett, liess sie allein und das Paar genoss seine Zweisamkeit. Alle Gäste warteten draussen.

Wenn das Brautpaar wieder herauskam, konnte die Feier beginnen. Nachdem die beiden miteinander geschlafen hatten, waren sie wirklich verheiratet. Die sexuelle Verbindung, die unter der Chuppah vollzogen wurde, war in der jüdischen Tradition schon immer zentral und heilig – und es war etwas, das ausschliesslich für das Paar bestimmt war!

Von der jüdischen Tradition mit dem Chuppah-Gebetsschal können wir heute noch viel über die Heiligkeit der ehelichen Intimität lernen. Darüber schreibt der US-amerikanische Pastor und Autor Rob Bell in seinem Buch «Sex.Gott»: «Ehe ist etwas zwischen zwei Personen, nicht zwischen uns allen. Was zwischen den beiden vorgeht, ist ein tiefes Geheimnis. Das Geheimnis der Verbindung zweier Seelen. Was unter dem Baldachin (oder unter der Chuppah) geschieht, geht nur diesen Mann und diese eine Frau etwas an. Was auch anderen mitgeteilt wird, gehört nicht mehr ausschliesslich ihnen. Dessen Kraft schwindet. Die Kraft ihres Zusammenseins wurzelt in ihrer Entscheidung, sich in dieser Weise ausschliesslich einander zu schenken und niemand anderem. Von den sechs Milliarden Menschen auf diesem Planeten habe ich dich gewählt. Niemand anderem gehöre ich auf diese besondere, heilige, emotionale, geistliche, körperliche Art und Weise. Die Kraft der Ehe erwächst aus der Ausschliesslichkeit. Wir müssen sehr sorgsam sein mit dem, was wir mitteilen. Was wir weitergeben, weggeben, besitzen wir nicht länger.»

Zurück zur «Sex Box»

Und nun zurück zu der US-Show, die das Sexleben der verheirateten oder unverheirateten Paare (ist in diesem Zusammenhang nicht relevant, auch homosexuelle Paare werden eingeladen) derart zur Schau stellt. Stärker könnte der Widerspruch zur jüdischen Tradition, welche die Ausschliesslichkeit und Heiligkeit der Intimität betont, kaum sein. Hier wird die Sexualität schamlos unter der Chuppah, dem Ort der Vertrautheit, hervorgezogen. Die geistliche Kraft der intimen Gemeinschaft spielt keine Rolle mehr. «Wenn man die Sexualität unter der Chuppah hervorzerrt, bleibt nur noch Mechanik übrig», schreibt Rob Bell dazu. «Schauen Sie die Auslagen irgendeines Kiosks an und zählen Sie, auf wie vielen Titelseiten von Frauenmagazinen das Wort Technik auftaucht. Oder die Wendung 'Soundso viele Schritte zum…' oder das Wort 'Anleitung'. Nichts gegen Technik, Mechanik und Anleitungen, aber darum geht es eigentlich doch nicht.»

Eigentlich geht es bei einer Ehe und auch beim Sex um Vertrautheit. Wenn ich mir sicher sein kann, dass mich meine Frau auch mit all meinen Gewohnheiten und Schwächen annimmt und diese nicht bei ihren Kolleginnen ausbreitet (was vielleicht noch schlimmer als ein gemeinsamer Auftritt in einer Show sein kann), dann fällt es mir leichter, ihr zu vertrauen. Dieser geschützte Rahmen beeinflusst, wie viel ich ihr sagen werde, wie weit ich mich ihr öffne, wie nackt ich vor ihr sein kann. Auch meine Frau wird sich bewusst oder unbewusst immer wieder die Frage stellen: «Lasse ich dich meine Gewohnheit sehen, weil ich weiss, dass du mich bedingungslos liebst, oder ist es etwas, mit dem du deine Freunde auf einer Party unterhalten wirst?

Wir leben in einer Welt, die ständig versucht, die Sexualität unter der Chuppah hervorzuziehen und ihr das Geheimnisvolle zu nehmen. Lassen Sie das nicht zu. Die Chuppah ist ausschliesslich für Sie und Ihren Ehepartner bestimmt.

Zum Buch «Sex.Gott»:
Schweiz
Deutschland

Datum: 06.03.2015
Autor: Florian Wüthrich
Quelle: Livenet

Verwandte News
Werbung
Werbung
Livenet Service