Vielen Menschen geht es wie der Schweizer Nati

Nati
Thomas Zindel

"Wir alle leben oft in ehrenvollen Niederlagen", sagt Sportler-Seelsorger Thomas Zindel. Unsere weiteren Themen im EM-Expertengespräch: Wird die Schweiz gemobbt? Und warum wurde Italien-Star Totti zum spuckenden Lama?

Wir sprechen an dieser Stelle nicht über taktische Finessen; das machen bereits alle anderen. In unserem Talk steht die mentale Ebene des Spielgeschehens im Zentrum und was sie für unser Leben aussagen kann.
Thomas Zindel ist Leiter von "Athletes in Action", Importeur der "Fussball-Bibel" und unser EM-Experte.

Daniel Gerber: Thomas Zindel, das Spiel Schweiz gegen England wurde mit einer Begegnung "4. Liga gegen Super League" verglichen. Dabei ist die Schweiz schon lange kein Zwerg mehr. Steckt hinter solchen Aussagen einfach nur Dummheit oder lassen sie tiefer blicken?
Thomas Zindel: Ich merkte bei mir selber, dass ich überrascht war, wie gut die Schweiz spielte. Ich hab ähnliche Denkmuster bei mir wahrgenommen. TV-Kommentator Beni Turnherr sagte, dass Länder wie Frankreich und England mit einem ganz anderen Selbstbewusstsein auftreten. Vergleiche im Leben führen dazu, dass man sich einstuft, und zwar entweder zu hoch oder zu tief. Man wird dann stolz oder versinkt in Minderwertigkeit.
Ich denke, Köbi Kuhn hatte die Situation mit seinen Aufträgen an die Spieler sehr gut gelöst. Wichtig ist, dass man sich selbst kennt und weiss, was in einem steckt. Sobald man zu vergleichen beginnt, kommt man in Gefahr. Da tauchen dann solche Ideen auf wie "4. Liga gegen Super League" - ob man nun ein Länderspiel austrägt oder in seiner Gemeinde einen Auftrag ausführt. Der andere Blickwinkel ist sinnvoller: Der Trainer oder Auftraggeber hat einen berufen und geht davon aus, dass man jetzt das Bestmögliche daraus macht.

Sie sprechen davon, dass der Fussball Parallelen zum allgemeinen Leben hat. Was macht die Schweiz so gesehen an der EM durch? Mobbing? Denn von bisher drei Platzverweisen vielen zwei auf die Schweiz, ohne dass sie auch nur ein Prozent brutaler gespielt hätte als die anderen 15 Teams.
Das kann ich nicht beurteilen. Mich beschäftigt mehr die Frage nach dem Aufwand und dem Ertrag. Das Team hat stets ehrenvoll gekämpft. Ein Gefühl, das sehr viele Menschen kennen: Man hat alles gegeben, aber wenig erhalten. Paulus in der Bibel fragte sich: "Bin ich denn vergeblich bei euch gewesen?" Anders gesagt: "Habe ich euch umsonst trainiert?"
Woanders in der Bibel, im Buch "Chronik", heisst es: "Ihr aber: Seid stark, denn es gibt einen Lohn für euer Tun." Wenn wir etwas gemacht haben, dann fragen wir uns, was dabei herausschaut. Die Bibel ermutigt uns, unseren Auftrag auszuführen und das Resultat Gott zu überlassen.

Oder ich denke an die Zusage im ersten Korintherbrief, ebenfalls in der Bibel. Am Ende des 15. Kapitels lesen wir: "Gott aber sei Dank, der uns den Sieg gibt durch unseren Herrn Jesus Christus! Daher, meine geliebten Brüder, seid fest, unerschütterlich, allezeit überreich in dem Werk des Herrn, da ihr wisst, dass eure Mühe im Herrn nicht vergeblich ist!"

Wenn wir eine Aufgabe erledigt haben und denken: "Das war für die Katz'", sagt Jesus: "Nein, well done! Gut gemacht! Du hast den Auftrag ausgeführt." Wir leben oft in ehrenvollen Niederlagen und denken: Niemand bemerkt mich. Aber wenn man im kleinen treu ist, stellt einen Gott über vieles. Wir geben unser Bestes und denken dann trotzdem, es würde ja nichts bringen. Doch Jesus sagt, dass er uns berufen hat und stolz auf uns ist. Er ist der Coach, und er hat eine langfristige Perspektive.

EM-Parallelen gibt es nicht nur zum alltäglichen Leben, sondern auch zu Professor Grzimeks Tierwelt. Im Match Italien gegen Dänemark hatte sich ein offenbar ungezähmtes Lama mit dem Trikot von Stürmerstar Totti getarnt und einen Dänen angespuckt*. Was sagen Sie dazu?
Es ist wie in unserem ersten Gespräch: Der Spieler steht unter enormem Druck. Und der Frust eines Spiels kann etwas auslösen, was im Betreffenden latent schon vorhanden ist. Eine Ablehnung gegenüber dem anderen zum Beispiel. Das kann aber auch aus einem tiefen Frust über sich selbst kommen, aus einer Selbstablehnung, die in so einer Situation nach aussen dringt. Das Ganze hat mit der Innenwelt zu tun. Aggressionen nach aussen können auf Selbstzerstörerisches im Inneren hinweisen. Totti ist mit seiner Spielsperre aber genug gestraft. Die Ausgangslage seines Teams ist dadurch ja nicht besser geworden.

Thomas Zindel, danke für das Gespräch.


* Francesco Totti spuckte im Spiel Italien gegen Dänemark einen dänischen Gegenspieler an. Totti bedauert und ist einsichtig. "Ich erkannte mich nicht wieder", gab er zu Protokoll. Der Italiener ist nun für drei Spiele gesperrt (beantragt waren zuerst vier Spiele). Somit fehlt(e) er in den Gruppenspielen gegen Schweden, Bulgarien und in den Viertelfinals, sofern sich das Team dafür qualifiziert.

Weitere Artikel zum Thema: www.fussball.jesus.ch

Webseite: www.athletes.ch

Datum: 19.06.2004
Autor: Daniel Gerber
Quelle: Jesus.ch

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