Interesse am Mensch

Schönheitsfimmel ade

Iris Muhl

Soll niemand behaupten, dass er nicht unter dem Modediktat steht. Schon beim Friseur werden einem die Haare nach der Nouvelle Vogue gestutzt, auch wenn einem der Schnitt gar nicht entspricht. Hat man zu Hause den klebrigen Haarspray von den Haaren gekratzt, sehnt man sich aber doch nach der Rüschchenbluse auf dem H&M Plakat. Schliesslich will man am Samstag im Ausgang gut aussehen. Probiert man sie dann endlich in der engen stickigen Kabine an, wähnt man sich im falschen Film: Das Ding sieht einfach nicht so schick aus wie auf dem Megaplakat in der Innenstadt. Enttäuscht stürzt man ohne Bluse aus dem Laden, und schwört sich, dieses Terrain nie wieder zu betreten- ausser vielleicht in grosser Klamotten-Not. Ja, Betrug ist eine schlimme Sache. Doch meist betrügt man sich selber, nur gibt man das ungern zu.

Das erinnert mich an ein anderes Erlebnis, bei dem ich einem Betrug aufgesessen bin. Der ist mir wirklich eingefahren, gerade weil man sich ja nicht jeden Tag etwas Gutes gönnt.
Meine Kosmetikerin ist eine schöne Frau, äusserlich absolut perfekt, keine Makel.
Das letzte Mal, als ich dort war, fühlte ich mich im siebten Himmel- Unreinheiten wurden vernichtet und verbannt, und am Ende fand ich mich entspannt und wunderbar geschminkt wieder. Ich war schön. Es war also doch möglich.

Was mir am nächsten Morgen aus dem Spiegel entgegensah, war dann doch ein anderes Geschöpf. Zerknittert und müde blickte ich drein. Die Fältchen um die Augen, die einen Tag zuvor von einer Paste absolut unsichtbar gemacht worden waren, erschienen nun kratertief, und mein quälend schmerzender Nacken sagte mir: Hey, du bist schon lange nicht mehr 20. Ich war am Boden zerstört. Also schon wieder Betrug!

Geweint habe ich nie um meine Schönheit, wenn ich auch nie viel davon besass. Aber ich war zu oft traurig, habe mich mit einem Kunsthausbesuch oder Gummibärli oberflächlich getröstet, und mir geschworen, meinen Spiegel in Zukunft zu ignorieren. Bis mir mein geduldiger Mann eines Tages mit einem tiefen Blick in die Augen sagte: Gott liebt dich, er erkennt dich in deinem Innern. Gott liebt ausnahmslos jeden Menschen, so wie er ist. Mir wurde klar: Weil der Mensch als Ebenbild Gottes erschaffen wurde, hat er bei Gott unendlich viel Wert und Wertschätzung. Und wenn ich meinen Egoismus von Jesus ausmisten lasse und seinen Eigenschaften freien Raum gebe, entspreche ich dem "Schönheitsideal" Gottes.

Das war ein Tritt ans Bein der Mode- und Schönheitsindustrie. Mann, der tat gut. Und doch musste ich mich an der eigenen Nase nehmen, ehrlich sein mit mir selbst und zugeben, dass mich dieser Schönheitsfimmel enorm viel Zeit, Geld und Glücklichsein gekostet hatte. Als ich endlich begriff, dass enge Hosen mehr quälten als mein freundliches Lächeln förderten, dass drei Kilo weniger auf der Waage mich allenfalls zu einem leichteren, aber nicht zu einem glücklicheren Menschen machten, und dass die Schönheitsindustrie auch ohne mich überleben konnte, da war ich doch sehr erleichtert.

Aber nicht nur das, ich begann den Menschen genauer zuzuhören, wandte meinen wertenden Fotoblick ab vom vergehenden Äusseren und interessierte mich mehr für das Innere der Menschen: alte, krummbeinige, schlampige, wüste, haarige, aber auch wunderschöne Wesen. Und sie alle hatten etwas zu erzählen. Da gibt es so viele Geschichten, die des Zuhörens wert sind. Da gibt es Leben im Innern, in den Herzen, in der Seele, im Geist. Seien wir ehrlich: Gott hat recht! Und erkennen wir Menschen in ihren Herzen, denn genau da spielt sich das echte Leben ab- auch wenn es in den Augen der Schönheitsindustrie anders erscheint.

Datum: 03.05.2002
Autor: Iris Muhl
Quelle: Jesus.ch

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