Kirchen geben Politikerbibel heraus

Politiker machen sich Gedanken zur Bibel.
Die CDU-Vorsitzende Angela Merkel und Bundestagspräsident Wolfgang Thierse haben wie andere Spitzenpolitiker an dieser ganz besonderen Bibel mitgewirkt.

In Deutschland haben 56 Politiker aller Fraktionen in einer "Politikerbibel" ihr liebstes Bibelwort kommentiert. Die "Politikerbibel" mit dem Titel "Suchet der Stadt Bestes" solle nachdenklich stimmen und dazu einladen, selbst die Bibel wieder in die Hand zu nehmen.

Man könnte meinen, im politischen Tagesgeschäft spielten religiöse Überzeugungen nur eine sehr untergeordnete Rolle, doch wenn man den Spitzenpolitikern glauben darf, liegt ihnen das Wort Gottes am Herzen. In der „Politiker Bibel“ gaben sie persönliche Kommentare zu ihren Lieblings-Bibelstellen: 56 Spitzenpolitiker vom Bundeskanzler Gerhard Schröder bis zur Oppositionsführerin Angela Merkel kommentierten „ihre“ Verse bei der Buchpräsentation der neu erschienenen „Politikerbibel“. „Dieses Buch zeigt eine in der Öffentlichkeit kaum bekannte Seite der teilnehmenden Politiker“, sagte Karl Jüsten von der Deutschen Bischofskonferenz.

Politiker aus allen Fraktionen

An dem ökumenischen Buchprojekt unter dem Motto „Suchet der Stadt Bestes“ haben sich Politiker aus allen Fraktionen beteiligt, von Schröder bis Merkel, keiner hat gekniffen. Das Buch sei weder ein „Knigge“ für die politische Arbeit noch eine Sammlung guter Ratschläge der Kirche, erklärten die Herausgeber der "Politikerbibel", der Bevollmächtigte des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland, Prälat Stefan Reimers und der Leiter des Kommissariates der Deutschen Bischofskonferenz, Prälat Karl Jüsten.

Hitparade der Bibelstellen

Für ein Zitat aus dem Alten Testament entschieden sich 17 Politiker, 39 für eine Stelle aus dem Neuen Testament. Die „goldene Regel“ aus der Bergpredigt: “Alles, was ihr aber von anderen erwartet, das tut auch ihnen“ (Matthäus 7,12) wählten gleich zwei Politiker: CSU-Chef Edmund Stoiber und sein Parteifreund, der Sozialexperte Horst Seehofer. Stoiber kommentierte: „Wenn ich diesen Satz ernst nehme, darf ich nichts fordern, was ich nicht selbst zu geben bereit bin“. Seehofer fasste seinen Kommentar mit den Worten zusammen: „Für uns gehört jeder dazu.“

Passend zu seiner Adoption eines dreijährigen Mädchens scheint die Lieblingsstelle von Bundeskanzler Gerhard Schröder zu sein: „Wenn ihr nicht umkehrt und werdet wie die Kinder, so werdet ihr nicht ins Himmelreich kommen. Wer nun sich selbst erniedrigt und wird wie dies Kind, der ist der Grösste im Himmelreich. Und wer ein solches Kind aufnimmt in meinem Namen, der nimmt mich auf.“ (Matthäus 18,3-5). Der Kanzler sieht in den Versen einen „Perspektivenwechsel“, der „gut tut“, er will das Bibelzitat in dem Wortsinn von „sich klein machen“, „die Welt mit den Augen der Kinder sehen“, verstanden wissen. „Kinder zeichnet Neugier und Wachheit, elementares Gerechtigkeitsgefühl und ihr natürliches Mitempfinden für Schwächere aus“. Für ihn sind Kinder der Schatz einer Gesellschaft.

Der Oppositionsführerin Angela Merkel angetan hat es (1. Korinther 13,13): „Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei, aber die Liebe ist die grösste unter ihnen“. Die Pfarrerstochter kommentiert: „Die Liebe als das Grösste ist etwas, wofür man selbst etwas beitragen muss, die Liebe öffnet die Menschen füreinander und hebt sie über alltägliche Sorgen und Probleme hinaus. Sie ist das Band, das alles zusammenhält. Ohne sie wäre unser Leben arm, ziellos und ohne Perspektive“.

Bundestagspräsident Thierse hat sich als Jugendlicher an der Bergpredigt (Matthäus 6, 26-33) mit ihrem Gleichnis von den Vögeln im Himmel, die der himmlische Vater ernährt, gestossen. „Erst später habe ich gelernt, dass dies eine wunderbare Einladung zu einer bestimmten Art von Sorglosigkeit ist, und zwar zur Absage an die Selbstüberforderung - alles selbst leisten zu müssen oder zu können - und die Selbstüberschätzung, dass man auch alles zustande bringt“.

Ausgerechnet die Stelle im Alten Testament von dem goldenen Kalb, dem das Volk Israel nach dem Auszug aus Ägypten huldigt und sich damit den Zorn Gottes zuzieht (2 Mose 32, 7-8), hat sich der FDP-Vorsitzende Westerwelle ausgesucht. Er mache sich kein Bild von Gott, sondern spüre „ein Gefühl des Halts, der Ruhe, der Hoffnung“. Er fügte hinzu: „Der Gedanke an Gott wärmt einen“.

Für den nahezu aus dem Sprachgebrauch verschwundenen Begriff Weisheit wirbt Bundesinnenminister Otto Schily mit den Sprüchen Salomos 1,5: „Wer weise ist, der höre zu und wachse an Weisheit, und wer verständig ist, der lasse sich raten.“ Schily wies auf die Verdienste der alten, weisen Männer hin, und schloss seine Betrachtung ganz pragmatisch: „Das Wort des weisen Salomo enthält sicher keine Anleitung zum Umgang mit Beraterverträgen. Es hilft aber auch bei der Entscheidung, ob, wann und von wem man sich raten lassen will“.

Ein Euro von jedem verkauften Exemplar des Buches kommt dem "Zentrum Lehrter Strasse" der Berliner Stadtmission zugute. Dort werden Obdachlose und allein stehende Jugendliche betreut. Die Politikerbibel ist in jeder Buchhandlung erhältlich.

Jüsten, Karl/Reimers, Stephan
Suchet der Stadt Bestes
Politikerbibel
2004, 120 Seiten, kartoniert
ISBN 3-8048-4486-3
Friedrich Wittig Verlag
Preis: 9.90 €/18.30 SFr

Quellen: Livenet/epd

Datum: 25.09.2004

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