Bibel-Atlas erschienen

Atlas

Am Anfang stand die Frage eines Studenten: "Abraham, was ist denn das für ein Typ?". Dann kam die Erkenntnis: "Die Leute wissen gar nichts mehr von der Bibel". Sieben Jahre später ist die Freiburger Theologin Annemarie Ohler nun am Ziel: Seit September liegt ihr "dtv-Atlas Bibel" in den Buchhandlungen.

Wer weiss noch, was die Schlange zu Eva sagt; wie alt Noah war, als er Sem, Ham und Jafet zeugte; was bedeuten die Namen der Söhne Leas Ruben und Simeon und was träumt Josef die ganze Zeit? Um das zu wissen, braucht man „nur“ die Genesis, das Erste Buch Moses gelesen zu haben, doch sogar dieser kurze Text ist heute den meisten fremd und rätselhaft. Also braucht man zum Einstieg diesen Atlas, der den Aufbau der Bibel und den geschichtlichen Hintergrund erklärt.

"Die Bibel ist ein kostbares Buch, das wieder mehr Freunde finden sollte", findet Annemarie Ohler. Schliesslich sei die Schrift über viele Jahrhunderte gewachsen und tief verwurzelt im Alltag und in der politischen Geschichte. Wer die Bibel lese, erkenne, wie "tief das biblische Denken in der Gesellschaft und der Welt verhaftet ist", sagt die 67-Jährige.

Das Wissen über die Bibel kompakt und anschaulich vermitteln – das war der grösste Wunsch der freiberuflichen Studienrätin für Deutsch, Religion und Hebräisch. Als Grundlage dienten die Erkenntnisse, die sie bei den Fernkursen Theologie für die Universität Würzburg, den Seminaren und Vorlesungen an der Uni Freiburg gewonnen hatte.

Ihr Sohn, der Germanistik studiert und einen dtv-Atlas auf seinem Tisch liegen hatte, brachte Ohler dann auf die Idee, ein Kompendium über die Bibel zu verfassen. Eine mühsame Arbeit, denn das Wissen musste für den Atlas in kleine Abschnitte unterteilt und dann nach genauen Vorgaben auf einer Doppelseite untergebracht werden. Auf der einen Seite Text, auf der anderen Grafiken und Schaubilder.

Besonders wichtig war ihr die historische Verankerung. "Denn die Bibel ist ein Spiegel einer mehr als tausendjährigen Geschichte Altisraels, des jüdischen Volkes und frühchristlicher Gemeinden", sagt Ohler. Die Bibel habe ein kleines, nur kurze Zeit politisch erfolgreichen Volk befähigt, mit wechselnden geschichtlichen Wirklichkeiten und Weltdeutungen vernünftig umzugehen.

Auch für die Grafiken legte die Theologin hohe Massstäbe an. "Man kann doch nicht einen uralten Moses zeichnen, wenn dieser ein junger Mann war, oder Gott immer bärtig darstellen", erklärt Ohler. Also suchte sie Motive aus dem Orient und dem frühen Christentum als Vorlage heraus.

Wieviele Bücher sie gelesen hat, um den Atlas zu erstellen, hat Ohler längst vergessen. Die eigene Bibliothek ist in den letzten Jahren beträchtlich gewachsen, und zum Glück liegt die Unibibliothek um die Ecke, denn sonst wäre ein so umfangreiches Projekt kaum möglich. "Natürlich habe ich auch Kollegen und Experten wie einen Altorientalist um Rat gefragt", erzählt Ohler. Der Atlas umfasst auch 13 Seiten Literaturverzeichnis, ein Register der Bibelstellen und ein detailliertes Personen- und Sachregister.

Nur einen Wunsch hätte sich Ohler noch gerne erfüllt – aber dafür reichten die vorgegebenen 110 Seiten nicht: "Eine verständliche, einfache Darlegung der Auslegungsgeschichte der Bibel." Die muss dann eben, so hofft die Autorin, in der nächsten Auflage erscheinen.

Fakten oder Thesen?

Als Nachschlagewerk klärt der Atlas rasch und differenziert auf über alle Bücher der Bibel und deren historischen Hintergrund. Annemarie Ohler geht am biblischen Kanon entlang und beschreibt in knappen, gut verständlichen Worten Entstehung, Aufbau und Inhalt der biblischen Bücher. Dazu kommen - wie in jedem dtv-Atlas - Grafiken. Sie sind auf den ersten Blick verwirrend, aber dann doch hilfreich. Man bekommt also eine ausführliche, fundierte Bibelkunde - man vemisst aber weitergehende Informationen, wie man sie in anderen Bibelatlanten bekommt, etwa über die Umwelt, in der die Bibel entstand oder auch über die Wirkungsgeschichte der Bibel. Aber wahrscheinlich hat man sich hier bewusst beschränkt. Störender ist, dass vielfach Auffassungen der Autorin einfach als Fakten präsentiert werden, ohne dass darauf hingewiesen wird, dass es sich um - umstrittene - Thesen handelt.

"dtv-Atlas Bibel"
Hrsg: Annemarie Ohler
Deutscher Taschenbuch Verlag (dtv)
ISBN 3-423-03326-1
Euro 19,50 [D] 20,10 [A] CHF 33.00

Quellen: Livenet/dtv/epd

Datum: 22.09.2004

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