Arm und doch reich: christliche Gemeinden in der Ukraine

Auch das kommt vor: Der Leiter eines christlichen Verlages wurde angegriffen.
Päckliverteilaktion. Das Schweizer Hoffnungsnetz verteilte 30'000 Päckli an arme Menschen.
Arbeit im Jugendheim …
... und eine Strassenimpression.

In den Eishockey-Olymp reicht es der Ukraine noch nicht. Dafür wächst die Christenheit stark und prägt das Land zunehmend.

«Viele Ukrainer identifizieren sich mit der Orthodoxie», sagt Linus Pfister. Und, so der Leiter der HMK* Schweiz weiter: «Die Freikirchen wachsen jährlich um rund zehn Prozent. Die am schnellsten wachsende Baptistengemeinde Europas ist diejenige der Ukrainer.» Manche Gemeinden hier hätten vor ein paar Jahren nur wenige Menschen gezählt. Heute träfen sich dort zwischen 500 und 1000 Personen.

Hinaus in alle Welt

Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion sei man zunächst euphorisch gewesen über die neue Freiheit, auch in den christlichen Gemeinden. «Das gab auch Strohfeuer», berichtet Pfister. «Andere waren misstrauisch.» Insgesamt seien die Gemeinden mit den vielen neuen Besuchern überfordert gewesen. «Man wusste auch nicht, ob es sich um richtig Interessierte oder um Spitzel handelte. Mit der Zeit ging das dann aber in ein solides Gemeindewachstum über. Das gefühlsmässige Interesse der Menschen führte schliesslich doch zu einem echten Wachstum»; einem Wachstum über die Landesgrenzen hinaus. Denn die ukrainischen Christen seien missionarisch orientiert. Sie lebten das in anderen Teilen der früheren Sowjetunion, wo viele von ihnen tätig seien.

Lehrer mit Bibel musste gehen

Nicht, dass die Ukraine nun ein Vorzeigestaat sei. «Korruption ist omnipräsent. Es ist gut, wenn da die christlichen Wertmaßstäbe zum Tragen kommen.» Ein ganzes Volk suche nach neuen Maßstäben. So hatte man die Diktatur des bisherigen Präsidenten Leonid Kutschma nicht mehr ertragen, und nach dessen Wahlbetrug im November 2004 kam es zur sogenannten Orangfarbenen Revolution. Sie endete mit dessen Absetzung und einem Wahlsieg des Oppositionsführers. Politisch hat man sich hierbei einiges an der Slowakei abgeschaut. «Auch die Christen spielten eine Rolle. Sie beteten rund um die Uhr für einen friedlichen Ausgang. Es war gar nicht selbstverständlich, dass tatsächlich alles ohne Blutvergiessen ablief.»

Diskriminierung gibt es immer noch. Pfister: «Wir wissen von einem Lehrer, der sich die neue Freiheit nicht nehmen lassen wollte und im Sprachunterricht mit biblischen Texten arbeitete. Er wollte das auch nicht ändern. Da warf ihn die kommunistische Rektorin raus.» Schwierig werde es auch, wenn man bei der Korruption nicht mitmache oder nicht bereit sei, einen Sachverhalt falsch wiederzugeben.

Direkte Verfolgung gebe es nicht, «aber Auflagen und Beamtenschikane. Die geht aber nicht mehr vom System aus, sondern nur noch von Einzelpersonen, die noch durch die kommunistische Zeit geprägt seien.»

Der neue Geheimdienstboss: ein Baptist

Die Regierung selbst stelle sich positiv zu den Christen. «Die meisten Präsidenten suchen den Kontakt zu den Leitern», sagt Linus Pfister. «Das zeigt Gewicht und Wertschätzung. Und das Land braucht eine tragfähige Entwicklung. Man sucht sie in christlichen Werten, neben der Demokratie. Der neue Geheimdienstchef zum Beispiel ist praktizierender Baptist.»

Bedrückend sei noch immer die Armut. Invalide und Alte müssen mit kleinen Renten unten durch. Auf dem Land gebe es zudem kaum Arbeitsmöglichkeiten. «Das ist auf den Reformstau der früheren Regierung zurückzuführen. Man wollte weder Russland ärgern noch den Westen. Daher kam es fast zum Stillstand. Aber jetzt ist das Land im Aufschwung.» Der Ausblick sei positiv – wenn das Land stabil bleibe.

Das erste Geschenk

Den geistlichen Aufschwung hat auch die HMK bemerkt. «Wir haben einen Verlag dort, der Bücher übersetzt und herausgibt. In den letzten fünf Jahren stieg der Absatz um jeweils 30 Prozent. Das zeigt das Interesse am Glauben. Wir unterstützen auch einheimische Pastoren. Ihre Gemeinde trägt sich in der Regel nach drei Jahren selber und sendet nach einiger Zeit sogar Missionare aus.» Man sei auch humanitär tätig und schicke jährlich zehn Sattelschlepper mit gebrauchten Kleidern ins Land. Über das «Hoffnungsnetz»** kämen zudem 30'000 Weihnachtspäckli. So habe man zum Beispiel einem Strassenkind, dessen Eltern alkoholsüchtig sind, ein Paket gegeben. «Das war das erste Geschenk, das es je erhalten hat.»

* Hilfsaktion Märtyrerkirche

** Fünf christliche schweizer Hilfswerke haben sich in der Arbeitsgruppe Hoffnungsnetz zusammengeschlossen, die in Katastrophenfällen Nothilfe leistet.

Datum: 17.05.2005
Autor: Daniel Gerber
Quelle: Livenet.ch

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