Christen in Tschechien: Und es gibt sie doch!

Tschechien
Vladimir Ksikal leitet das tschechische Missionswerk «KPK – Kristus pro kazdeho», auf deutsch «Christus für jeden».
Kveta und Vladimir Ksikal
Svitavy

Im Eishockey ist Tschechien eines der besten Teams auf dem Kontinent. Beim Glauben an Gott sind die Osteuropäer dafür das Schlusslicht.

Nicht nur beim Thema Eishockey ist Tschechien ein besonderes Land. Auch wenn es um Kirche und Glauben geht, hebt es sich von anderen Nationen ab. Wir unterhielten uns darüber mit Vladimir Ksikal, Mitarbeiter der Organisation «Christus für alle».

Livenet.ch: Sind die Menschen in Ihrem Land am christlichen Glauben interessiert?
Vladimir Ksikal: Kaum, leider. Sie beschäftigen sich intensiv mit den Dingen des Alltags: Arbeit, Familie, Freizeit, Kultur, Sport und so weiter. Für geistliche Fragen und Themen bleibt keine Zeit. Die Leute schieben sie absichtlich beiseite. Verschiedene Umfragen haben gezeigt, dass die Tschechen das Volk sind, das in Europa am wenigsten an Gott glaubt. Das hat auch damit zu tun, dass im 17. und 18. Jahrhundert die katholische Kirche wieder an die Macht kam. Und es ist auch eine Erbschaft des Kommunismus. In meiner ganzen Verwandtschaft zum Beispiel besucht niemand regelmässig die Kirche. In anderen Familien ist das ähnlich.

1989 ist der Eiserne Vorhang gefallen, und bald darauf hat sich die frühere Tschechoslowakei aufgeteilt. Hat das in punkto Glauben etwas bedeutet?
Kurz nach der Wende merkte man ein grösseres Interesse an der Kirche. Auf christliche Angebote haben die Leute relativ offen reagiert. An den grossen Evangelisationen haben viele Menschen teilgenommen, und auf unsere Traktate bekamen wir zahlreiche Reaktionen. Etwa zwei Jahren später nahm das Interesse wieder ab, und es sinkt bis heute. Wenn man hier „christliche Kirche“ sagt, dann denken alle an die katholische Kirche. Und die ist durch verschiedene Affären diskreditiert, sexuelle Affären und Ansprüche an Vermögen, das die Kommunisten beschlagnahmt hatten.

Wie schaut Ihre tägliche Arbeit aus?
Wir sammeln die Antworten von denen, die auf unsere Angebote reagieren. Wir schicken ihnen kostenlose christliche Literatur, korrigieren die Fernbibelkurse für Erwachsene und Kinder und beantworten die Fragen, die brieflich oder übers Internet eingehen. Viele von ihnen brauchen Seelsorge oder einen praktischen Rat. Ausserdem machen wir bei übergemeindlichen Aktionen mit. Momentan wird ProChrist 2006 vorbereitet.

Wir gehen aber auch direkt auf die Leute zu und suchen den Kontakt in Schulen, Kinder- und Asylheimen. In den vergangenen 14 Jahren waren das über 5000 Personen, mit denen wir uns ausführlich geschrieben haben; das heisst, sie haben einen Bibelkurs abgeschlossen oder uns mehrere Briefe geschickt. Insgesamt haben etwa 25.000 Menschen auf unsere Angebote reagiert.

Was erleben Sie bei der Arbeit?
Manchmal Enttäuschung, die durch die allgemeine Situation in Tschechien verursacht wird. Oft aber auch Freude. Wir freuen uns an jeder positiven Reaktion und an den vielen Briefen, wo uns die Leute schreiben, dass sie mit unserer Hilfe ein neues Leben begonnen haben – ein Leben mit Jesus und mit der Bibel.

Erleben Sie persönliche Nachteile wegen Ihres Glaubens?
Wenn ein normaler Tscheche hört, dass wir Christen sind und an Gott glauben, dann denkt er, wir seien nicht ganz normal. Und gleich kommen sie mit vielen Einwände gegen das Christentum: Kriege, Inquisition, Skandale und Beispiele von schlechten Menschen, die doch auch „Christen“ waren.

Wie stellt sich die Regierung zu ihnen?
Sie verhält sich neutral und macht uns keine Schwierigkeiten. Nur werden mit Kirchenleitungen ständig Gespräche geführt über die Finanzierung von Gebäuden und über Vermögen, das in der kommunistischen Zeit beschlagnahmt wurde.

Ist ein Eishockeyspieler Ihres Landes Christ? Wenn ja, wer?
Ja, Tomas Kapusta, ein ehemaliger Hockeyspieler der Nationalmannschaft, der in Kanada in der NHL spielte. Er ist Christ und hat das auch schon öffentlich erklärt. Er nimmt an christlichen Hockeylagern für Kinder teil. Von den derzeitigen Hockeyspielern hat – soweit ich weiss – gerade unser Star Jaromir Jagr eine positive Stellung zu Glauben und Kirche. In mehreren Interviews hat er gesagt, dass er an Gott glaubt und er Kontakte mit der Orthodoxen Kirche hat.

Quelle: Livenet
Autor: Vladimir Ksikal

Und das mitten in Svitavy!

Wir freuen uns, wenn wir in Tschechien irgendwo einem Christen begegnen, denn so etwas ist hier sehr selten. Aber genau darum geht es in der Geschichte, die ich erlebt habe.

Unser Team war mit einer Schweizer Jugendgruppe unterwegs und hat in der Stadt Svitavy christliche Traktate in den Häusern verteilt. Svitavy ist übrigens der Geburtsort des bekannten Oskar Schindler, der so viele Juden gerettet hat. Ich hatte diese Aktion organisiert und fünf Gruppen von Verteilern geleitet. Dann wollte ich selber auch Anteil mitmachen und hab mich einer Gruppe für kurze Zeit angeschlossen. Ich habe mir gesagt, du musst auch jemandem persönlich ein evangelistisches Traktat übergeben. Da sah ich einen Mann, der zu seinem Auto ging. Ich gab ihm also das Traktat und erzählte ihm kurz von unserer Aktion. Er hat mich angeschaut und zu meiner Überraschung gesagt: «Ich kenne euer Werk. Ich hab in einer anderen Stadt da mitgearbeitet. Meine Gemeinde hat mich dann nach Svitavy gesandt, weil es hier praktisch noch keine lebendige Gemeinde gibt.»

So habe ich Gott danke gesagt. In dieser Stadt, wo es fast keine Christen gibt, traf ich auf einen. Er war sogar der allererste Mensch, dem ich hier begegnet war. Ich kannte ihn sogar von verschiedenen Briefwechseln her. Ausgerechnet er hatte die Aufgabe, hier eine Gemeinde zu gründen.

Datum: 12.05.2005
Autor: Daniel Gerber
Quelle: Livenet.ch

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