Mittelasien

Usbekistan am Abgrund

Der bevölkerungsreichste Staat Mittelasiens driftet näher an den Abgrund. Präsident Islam Karimov und seine Cliquen herrschen weiterhin totalitär; ihre Macht halten sie mit allen Mitteln fest. Für die meisten Menschen in Usbekistan bedeutet dies drückende Armut und Hoffnungslosigkeit. Nach der Rebellion in Andischan sind weitere Aufstände absehbar – oder gar ein Krieg wie in Tschetschenien?
Buchara in Usbekistan
Marktplatz in Buchara / Usbekistan
Usbekistan in Zentralasien

Die sozialen Spannungen nehmen zu. Aus vielen Dörfern ziehen die Männer verbittert weg, um anderswo Arbeit zu suchen. Beamte stecken staatliche Mittel in ihre eigene Tasche oder knüpfen damit ein undurchdringliches Netz von Abhängigkeiten.

Die Schüsse in Andischan im unruhigen Fergana-Tal im Mai, die Hunderten von aufbegehrenden, aber unbewaffneten Einwohnern das Leben kosteten, haben die Sackgasse verdeutlicht, in der das zentrale Land Mittelasiens steckt.

Radikale Islamisten wollen seit Jahren das Regime wegputzen; frustrierte arbeitslose Jugendliche können sie leicht für extremistische Vorhaben gewinnen. Droht nach Jahren des forcierten Moscheenbaus eine islamische Revolution?

Zunehmende Empörung unter Muslimen

88 Prozent der 26 Millionen Einwohner Usbekistans sind Muslime. Sie sehnen sich nach Gerechtigkeit – auch wenn ihr Nationalheld Timur Lenk einer der grausamsten Gewaltherrscher der Geschichte war – und hören islamische Prediger. Eine säkulare Opposition gibt es nicht; Karimows Regime hat sie nie zugelassen.

Reformen, die die Bürger an politischen Entscheidungen beteiligen würden, sind kein Thema für den 67-jährigen Herrscher in Taschkent, der noch in Sowjetzeiten an die Staatsspitze gelangte. Er hat sich den USA als Terrorbekämpfer angedient; seit 2001 nutzen die US-Streitkräfte eine Basis in Usbekistan, um ihren Einsatz in Afghanistan wirksamer zu gestalten.

Allianz der Unterdrücker

Im Schatten der grossen Kräfte im Land lebt eine kleine christliche Minderheit. Alle religiösen Gruppen, die sich nicht der totalen Kontrolle des Regimes aussetzen, werden verdächtigt und unterdrückt.

Karimovs Gehilfen handeln im Einklang mit asiatischen Nachbarstaaten, Russland und China, wenn sie selbstständig denkende Menschen und Gruppen observieren und Aktivitäten stoppen. Russland stützt Karimov, damit der US-Einfluss nicht zu gross wird. Laut Beobachtern treibt das Regime, indem es gemässigte Kräfte abwürgt, die Unzufriedenen den Extremisten in die Arme.

Christen unter massivem Druck

Laut der Weltweiten Evangelischen Allianz WEA hat die Verfolgung von Christen in Usbekistan durch islamische Eiferer einerseits und die Behörden andererseits zugenommen. Eine aktive Taschkenter Christin, die ein Hilfswerk leitet, musste Verhöre und eine Hausdurchsuchung über sich ergehen lassen, hatte eine hohe Busse zu zahlen und wurde mit dem Tod bedroht.

Der Pfingstchrist Kural Bekjanov wird seit Mitte Juni in Taschkent von der Polizei in Gewahrsam gehalten und misshandelt. Die Polizei behauptet, gegen ihn im Zusammenhang mit einem Mord an einem US-Amerikaner in der Stadt zu ermitteln, was in Bekjanovs Umgebung als Unsinn bezeichnet wird.

Bibeln beschlagnahmt

Polizei und Geheimdienste sind weiterhin auf der Jagd nach religiöser Literatur, was sich nicht mit den Menschenrechtsgarantien verträgt, welche Usbekistan in Verträgen eingegangen ist. Im Haus eines evangelischen Pastors wurden Mitte Juni 15 Bibeln konfisziert, bei einem Hare-Krishna-Jünger 90 Bücher.

Fünf Christen wurden von den Behörden am 1. Juni verwarnt, nachdem sie Literatur ins Land gebracht hatten. Die Christen bitten ihre Brüder und Schwestern weltweit, für eine Wende zum Besseren zu beten – dass Usbekistan nicht in den Abgrund stürzt.

Aktuelle Meldungen über Religionsverfolgung in Zentralasien
www.forum18.org

Seite mit Hintergrundinfos zu Mittelasien
www.eurasianet.org

Quelle: Livenet / WEA

Datum: 20.07.2005
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet.ch

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