Fern von Jerusalem: Arafat am Ende

Ofer Amitai in Winterthur
Arafat und Rabin in Washington 1993/94 mit Bill Clinton
Fromme Juden auf dem Tempelberg

Jasser Arafat liegt im französischen Militärspital im Koma, doch die Palästinenser scheinen unverändert fixiert auf ihren Führer. Dass er sich trotz allen Offerten nicht von der Gewalt lossagte, trug wesentlich zum Scheitern des Osloer Friedensprozesses bei, sagt Ofer Amitai.

Amitai, Pastor einer Gemeinde messianischer Juden in Jerusalem, weilte am Wochenende an der Israel-Konferenz der Stiftung Schleife in Winterthur. Er kennt die Motive, die Jizchak Rabin und seine Berater zu den Verhandlungen mit Arafat bewogen. Denn sein eigener Vater kommandierte die Jerusalemer Brigade, die 1967 die Heilige Stadt einnahm.

‚Peace must be tried’

Rabin und Amitai senior gehörten der Generation säkularer Zionisten an, die die Anfänge des modernen jüdischen Staats miterlebten und ihm den Respekt der Welt erkämpften. Nach dem Abflauen der ersten Intifada wähnten sie, Arafat sei „schwach genug, um ein berechenbares Gegenüber in Verhandlungen zu werden“, wie Ofer Amitai im Rückblick sagt. „Peace must be tried“ – Friede muss versucht werden, um Israel die Zukunft zu sichern: Dies war die Motivation von Rabin und Co., die Perspektive der liberalen, zionistischen Linken.

Arafat, einst aus Jordanien und dann aus dem Libanon vertrieben, erhielt ein weiteres politisches Leben, als Israel ihn in die besetzten Gebiete einreisen und Chef der Autonomiebehörde werden liess. Doch der PLO-Führer, der seine Organisation mit List, Gewalt und Terror hochgezogen hatte, änderte sich im Grunde nicht, wie Amitai meint: „Es war nicht in seinem Denken, nicht in seinem Plan, nicht in seinem Herzen – und wohl auch nicht im Herzen seines Volks.“

Vernünftige Illusionen

Rabin und später Ehud Barak wollten darüber hinweg sehen. Bei den Verhandlungen im Jahr 2000 erhielten die Palästinenser fast alles angeboten, was sie forderten – Arafat und seine Berater schlugen die Offerte gleichwohl aus. Amitai vermutet, dass auch das Volk der Palästinenser sich nicht zum Frieden bequemt hätte: „Israel ist in den Augen der islamischen Religionsgemeinschaft, die für sich Überlegenheit in Anspruch nimmt, ein Stein des Anstosses. Palästinenser, die bezüglich der besetzten Gebiete den Kompromiss mit Israel suchen, gefährden ihr Leben.“

Auf der israelischen Seite spielte das Verlangen nach internationaler Anerkennung mit. „Europa ist wichtig für Israel“, sagt Amitai. Rabin und Barak hätten den Forderungen aus den europäischen Hauptstädten entsprechen wollen. Doch verstünden Europas Politiker wie auch die UNO weder die Natur des Konflikts noch die Geschichte des jüdischen Volks. Und jedenfalls gehe ihnen eine biblische Perspektive ab.

Jerusalem – von den Muslimen einst vernachlässigt

Als Jerusalem 1917 von den Briten erobert wurde – nach 400 Jahren türkischer Oberherrschaft –, war es eine vergessene, von Ruinen übersäte Kleinstadt am Rand der Wüste. Erst als die Muslime die Kontrolle über Jerusalem verloren hatten, pochten sie wieder auf ihren Charakter als dritte heilige Stadt des Islam.

„Jerusalem steht immer im Hintergrund als der letzte, grösste Prüfstein“, sagt Amitai. Und ist unaufgebbar für Israel. Kein anderer als Justizminister Tommy Lapid machte vor kurzem klar, dass Arafat kein Grab am Tempelberg zusteht. In Jerusalem hätten die jüdischen Könige ihre letzte Ruhestätte gefunden, sagte Lapid, der mit Religion gar nichts am Hut hat, „und wir werden nicht zulassen, dass ein Terrorist da begraben wird.“

Hauptstadt seit 3000 Jahren

Das Verlangen nach Jerusalem – dem Ort, da einst Gott im Tempel aufgesucht werden konnte – erhielt die Juden in den finstersten Zeiten ihrer Zerstreuung am Leben; es ist „das Herz unserer nationalen Existenz, der Hauptgrund für die Wiedergeburt des Volks“, wie Amitai sagt.

Interessanterweise kamen die Zionisten auf die Idee, Jerusalem zu teilen. Die säkulare (nicht religiös motivierte) Bewegung, die seit den Tagen Herzls den Juden ein Heimatland erringen wollte und 1948 den Staat gründete, kann sich nicht für die Heilige Stadt begeistern. Einige Angehörige von Ofer Amitais Familie haben sich über 20 oder 30 Jahre nie nach Jerusalem begeben – sie sehen die Stadt „als Symbol der alten jüdischen Religion, die sie verachten, nicht des neuen Israel, das sie schaffen wollen. Aber seit wir im Land sind, ist Jerusalem eben doch das Zentrum des Landes geworden, das Herz unseres nationalen Lebens.“

Jeder Anlauf, den Nahostkonflikt zu beenden, wird sich schliesslich an Jerusalem entscheiden. „Wird Israel die Teilung Jerusalems zulassen? Nein. Werden die Palästinenser ihren Anspruch auf Jerusalem aufgeben? Nein.“ Amitai erinnert an die lange Geschichte der Juden: „Wenn Sie mir ein Volk zeigen, das bereit ist, seine Hauptstadt aufzugeben, die es bereits vor 3000 Jahren hatte, ist es ein totes Volk. Es wird nie funktionieren.“

Ein Bericht von der Winterthurer Konferenz ‚Israel und die Nationen’ folgt.

Datum: 09.11.2004
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet.ch

Verwandte News
Werbung
Werbung
Livenet Service