Jonathan und Flore Meyer in Haiti (Bild: IDEA Schweiz)
Die Westschweizer Jonathan und Flore Meyer bringen Hoffnung in die Slums von
Haitis Hauptstadt. Die Hauptschwierigkeit ist aktuell die anwachsende Unsicherheit. Dabei sind sie auf den Schutz durch die Bandenchefs angewiesen.
Sie arbeiten für Menschen in der Cité Soleil in der
Karibik. Was nach einem Ferienressort tönt, ist in Realität der riesige Slum
von Port-au-Prince, der Hauptstadt des leidgeprüften Landes Haiti. Jonathan
Meyer (Landwirt, 31) und seine Frau Flore (Lehrerin, 27), beide aus der
Westschweiz, wollten Gott nach einem ersten Aufenthalt in Haiti eigentlich in
Afrika dienen. Dort wuchs aber die Überzeugung, dass ihr Platz in Haiti ist.
Dem Land, das Meyers momentan als völlig gelähmt erleben. In den letzten Jahren
hat sich die Sicherheit in Haiti massiv verschlechtert und die Menschen leiden
darunter. Dass nun der bestbewachte Mann im Land, Präsident Jovenel Moïse, in
der Nacht vom 6. auf den 7. Juli ermordet werden konnte, trifft sie noch
tiefer.
Besuche empfangen statt hinausgehen
Meyers können ihr Haus momentan kaum verlassen. Besuche und Einsätze in den
Slums sind aus Sicherheitsgründen nicht angesagt. Die Kommunikation ist
schwierig. Jetzt müssen meist Einheimische für sie zu den Menschen in der Cité
Soleil gehen.
Statt zu ihrem dortigen Lokal kommen jetzt einige zu Meyers nach
Hause, damit die Kontakte nicht völlig abbrechen. «Schon die Corona-Krise war
ein massiver Einschnitt in unsere Arbeit, bei der es darum geht, Familien in
der Nachfolge von Jesus Christus zu fördern», berichten die beiden im Gespräch
mit IDEA via instabiler Internetverbindung. Seit drei Jahren wohnen sie in
Port-au-Prince und haben zwei Kleinkinder. Einmal mussten sie umziehen, weil
die Gewalt in ihrem damaligen Quartier so stark zunahm.
Umgang mit Banden
Cité Soleil in der Karibik
Weil die Cité Soleil in Bereiche verschiedener Banden
aufgeteilt ist, wo sich die Polizei nicht hinwagt, waren Meyers schon von
Beginn weg darauf angewiesen, die Bandenchefs kennen zu lernen. «Es ist eine
Gratwanderung für uns. Wir sind einerseits auf den Schutz durch die Bandenchefs
angewiesen, andererseits wollen wir uns nicht mit ihnen verbünden. Klar ist für
uns, dass wir kein Schutzgeld bezahlen», stellt Jonathan fest.
Nothilfe auf dem Weg zur Selbständigkeit
«Wir möchten Menschen hier nicht von uns abhängig machen. Deshalb wollten wir
zu Beginn unseres Dienstes auch keine Lebensmittel verteilen», erklärt Jonathan
Meyer. Doch alte und schwache Menschen praktisch am Verhungern zu sehen, habe
ihr Praxis verändert. Heute ist Nothilfe Teil ihres Dienstes. Diesen üben sie
im Rahmen des Schweizer Vereins Iris Port-au-Prince und ab dem 1. August in
Zusammenarbeit mit der Schweizerischen Missionsgemeinschaft SMG aus.
Sie
verfolgen die Vision, Familien in Haiti zu unterstützen, damit Eltern für ihre
Kinder sorgen können. In einer ganzheitlichen Sicht bringen sie mit Nahrung
Hilfe, fördern die Familien im Leben mit Jesus Christus, tragen zur
Schulbildung und medizinischen Versorgung bei und organisieren Mikrokredite.
Mitten in all diesen Engagements wollen sie sich immer Zeit nehmen können für
den Nächsten, der in Not ist.
Export von Bambusröhrchen
Einer Familie konnten sie mittlerweile helfen, aus dem
Slum herauszukommen. Damit die Familie aber wirklich auf eigenen Füssen stehen
kann, braucht es weitere Begleitung. Nebst den geistlichen Bedürfnissen ist die
Arbeitslosigkeit in Haiti ein riesiges Problem. Als Tropfen auf den heissen
Stein haben Meyers die Produktion von Bambus-Trinkröhrchen lanciert. Über einen
Internetshop werden die Röhrchen in der Schweiz verkauft. Die Röhrchen dienen
als waschbare und deshalb wiederverwendbare Alternative zu Plastikröhrchen und
geben rund zehn Personen in Haiti Arbeit und ein Einkommen. Eltern sollen sich
nicht mehr gezwungen sehen, ihre Kinder aufgrund der eigenen Armut wegzugeben.