«Orte, an denen es keine Christen mehr gab, sind wiederbelebt»
Marrakesch in Marokko (Bild: Unsplash)
Im muslimisch geprägten Marokko füllen sich die christlichen Kirchen. Wie ein Beitrag des Deutschlandfunk zeigt, sind dafür die Christen aus den übrigen Teilen Afrikas verantwortlich. Für Marokko könnte diese Situation zu Herausforderungen führen.
In Marokko ist der Islam Staatsreligion. Doch in den vergangen Jahren
ist die Zahl der Christen gewachsen. Dafür verantwortlich sind
Menschen, die aus afrikanischen Ländern nach Marokko gezogen sind. Sie
feiern Gottesdienste in Messen oder Hauskirchen, wie ein Beitrag des Deutschlandfunks zeigt.
Der Erzbischof von Rabat berichtet, dass die Zuwanderung aus der
Mitte Afrikas darauf einen entscheidenden Einfluss hat: «Orte, an denen
es keine Christen mehr gab, sind wiederbelebt», sagt Cristóbal Kardinal
López Romero. Wo früher 20 Menschen Gottesdienst gefeiert hätten, seien
es heute 120.
Die Gemeinden seien vor allem durch die Freude und den Enthusiasmus
der jungen Generation geprägt worden. Viele Gläubige seien Studierende
aus den afrikanischen Staaten südlich der Sahara. Insgesamt habe Marokko
36 Millionen Einwohner. Etwa 30'000 von ihnen seien Christen aus über
100 Nationen. 90 Prozent der Bevölkerung bekennt sich zum Islam, der
auch Staatsreligion ist.
«Christliche Gemeinde habe erst neu zueinander finden müssen»
Für die Menschen seien die Gottesdienste nicht nur ein Ort, um Gott
zu feiern und gemeinsam zu beten, sondern auch um Freunde zu treffen
oder neue Menschen kennenzulernen. «Kirche ist ein Zufluchtsort – für
Migranten aus Subsahara-Afrika und andere Ausländer», sagt etwa Frank
Nama, der selbst aus Kamerun nach Marokko gekommen ist.
Dadurch habe sich der Charakter der Gottesdienste geändert. Dieser
sei zum Fest geworden, wodurch sich mancher Europäer «etwas verloren
gefühlt» und darin eine «Abweichung vom Glauben» gesehen habe. Die
christliche Gemeinde habe erst neu zueinander finden müssen. Die
Pastorin Karen Thomas Smith spricht in dem Radiobeitrag von einem «Revival des Christentums».
Früher seien die weissen Kolonialisten sowie die Reichen und Mächtigen das
Gesicht der Kirche gewesen. Heute handele es sich um Menschen, die über
die Migrationsroute gekommen sind. Kirche sei zu einem Ort des Schutzes
und der Hilfe für Migranten und Geflüchtete geworden. Neben diesen gebe
es aber viele legale Einwanderer, sagt Hannes Stegemann, Direktor der
Caritas in Marokko. Das Land versuche sich durch Visa für Studierende als verlässlicher Partner zu profilieren, betont er.
Hauskirchen als Ärgernis für die Nachbarschaft
Diese Entwicklung gehe aber auch nicht ohne Spannungen vonstatten.
Die Muslime fühlen sich von afrikanisch-christlichen Bräuchen bedroht.
Auch die vielen Hauskirchen in der Hauptstadt Rabat, die sich vor allem
in den einkommensschwachen Vierteln entwickelten, seien sonntags hörbar
und immer wieder ein Ärgernis für die Nachbarschaft.
Aus Sicht von Karen Thomas Smith, Präsidentin der Evangelischen
Kirche, entstünden die Hauskirchen dort, wo die offiziellen Kirchen
fehlten. Diese Entwicklung gefalle nicht allen. Viele befürchteten, dass
mit den Hauskirchen keine Integration gelingen kann, sondern sich
Parallelstrukturen aufbauten.
Konvertierten Christen droht Gewalt
Ein Problemfeld seien auch die Konversionen marokkanischer Frauen. In
dem Beitrag des Deutschlandfunk wird exemplarisch Farah genannt, die
sich als erste Konvertitin des Landes bezeichnet. Nach ihrem Schritt
hätten sich Familienmitglieder von ihr abgewandt, andere würden es
tolerieren. Sie selbst versuche, jegliche Konflikte zu vermeiden. Ihr
Mann Adam sagt, dass konvertierten Christen Gewalt auf der Arbeit oder
in der Familie drohe. Bestattungen auf christlichen Friedhöfen seien
genauso verboten wie christliche Namen für Kinder.
Die marokkanische Verfassung garantiert der Bevölkerung eigentlich
Religionsfreiheit, verbiete aber parallel dazu Konversionen vom Islam
zum Christentum. Adam und Farah versuchen trotzdem neben Gottesdiensten,
auch Strukturen für marokkanische christliche Kinder zu organisieren.
Sie haben sich in einem Brief an den Regierungschef gewandt, um sich für
Religionsfreiheit einzusetzen. Die 2011 beschlossene Verfassung habe
diese extrem beschnitten. Mit der derzeitigen liberaleren Regierung
können man diesen Schritt nun rückgängig machen.