Die
weltweite Haltung zur Homosexualität pendelt zwischen den Extremen staatlicher
Bestrafung und zunehmend aufdringlicher Propagierung. Nur in Afrika verläuft
die Entwicklung gegenteilig. Das freue Evangelikale, behaupten sonst angesehene
Zeitungen.
Als
besonders trauriges Beispiel für fortschreitende Kriminalisierung
gleichgeschlechtlicher Praktiken wird Ghana genannt, wo sich 2022 eine
empfindliche Erhöhung der Strafen für Schwule und Lesben abzeichnet. Bisher
konnte die einst britische «Goldküste» für sich in Anspruch nehmen, das erste
Land zu sein, das schon drei Jahre vor «Afrikas Befreiung» 1960 seine
Unabhängigkeit erlangte, seinen Frauen 14 Jahre vor der Schweiz das Stimm- und
Wahlrecht einräumte und «wiederholte homosexuelle Taten» mit maximal drei
Jahren Gefängnis bestrafte. Das war nach afrikanischen Massstäben, wo
praktizierende Homosexuelle sonst lebenslang hinter Gitter kamen, ein Gipfel
menschlicher Milde. Nun will aber die afrikanische Vorzeigedemokratie Ghana
eines der härtesten Gesetze der Welt gegen Gleich- und Transgeschlechtliche
beschliessen.
Populistische
Anti-Homo-Politik
Hinter
dem unverfänglich klingenden Titel «Gesetz zur Förderung ordentlicher
menschlicher Sexualrechte und ghanaischer Familienwerte» verbergen sich die
Einführung langjähriger Haftstrafen für homosexuelle Handlungen und breite gesellschaftliche
Ächtung jeder, auch gar nicht ausgelebter Homophilie. Der Gesetzesantrag kommt
von der grössten Oppositionspartei des Landes, dem «Nationaldemokratischen
Kongress» (NDC). Der galt eigentlich bisher als «progressiv» und gehört der «Sozialistischen Internationale» (SI) an. Bis 2016 hatte der NDC in Ghana
regiert.
Jetzt
will sie aber offenbar mit der Homo-Hetze wieder an die Macht kommen. Ihr parlamentarischer
Antragsteller Samuel Narty George beabsichtigt künftig «auch das Eintreten für
Homosexualität in ihrer heutigen und zukünftigen Form» unter Strafe zu stellen.
Homosexualität sei nicht nur eine Perversion, sie breite sich wie eine Seuche aus.
Sein Gesetzesantrag solle das bisherige «lückenhafte» Strafrecht ergänzen und
jene Ideale verteidigen, die «uns als Volk Identität geben». Doch auch die in
Accra regierenden Konservativen sind darin zum Teil mit dem NDC einig.
Lesbische
Ehen in der Kulturgeschichte
Die
Sozialministerin dieser «Neuen Patrioten», Adwoa Safo, betont, dass das Verbot
der Homosexualität «nicht verhandelbar» sei. Diese Praxis sei «bei uns
verpönt». Daher unterstützte sie auch die Gesetzesvorlage der Opposition
insoweit, als sie «Bürgerrechtsaktivitäten» für die «Menschenrechte von Homo-
und Bisexuellen» verbieten will. Ihre nicht so rigorosen Parteifreunde
argumentieren, dass Homosexualität vor der Kolonisierung durchaus zu
verschiedenen afrikanischen Kulturen gehört habe. So gab es in Kenia bei vier
Völkerschaften gleichgeschlechtliche Ehen von Frauen mit Frauen.
Muslime
und Christen als Treiber beschuldigt
Die
Befürworterinnen und Befürworter der Homosexualität machen für ihre Ausgrenzung
und Bestrafung die Missionierung Afrikas durch die christlichen Kirchen und den
Islam verantwortlich. So lehnen 91 Prozent der Muslimbevölkerung und 87 Prozent der
afrikanischen Christenheit Schwule und Lesben ab. Bei der verbliebenen
Anhängerschaft bodenständiger Naturreligionen betrage die Homo-Feindschaft aber
nur 33 Prozent. Generell überwiegt jedoch auf dem Schwarzen Kontinent die Ablehnung
der Homosexuellen und sogar der Ruf nach ihrer Bestrafung.
Massive
Ablehnung auch in andern Staaten Afrikas
Jene
87 Prozent der heute rund 31 Millionen Menschen in Ghana, die es heute nach einer im
Februar 2021 veröffentlichten Umfrage des «Africa Centre for International Law
and Accountability» (ACILA) ablehnen, dass Homosexuelle öffentlich über ihre
Diskriminierung sprechen und sich organisieren dürfen, und die Homosexualität nach
Korruption als zweitgrösstes Problem des Landes ansehen, sind immerhin weniger
als in anderen afrikanischen Staaten: in
Kenia 90 Prozent, in Uganda 96 Prozent und in Nigeria sogar 98 Prozent der Bevölkerung. Dort wurden
auch die Gesetze gegen Homosexualität schon 2014 empfindlich verschärft.
Pfingstkirche
in Ghana orientiert sich an deutscher Stellungnahme
In Uganda können sexuelle Handlungen sogar mit lebenslanger Haft bestraft
werden. Wesentlich besser sieht es im benachbarten Ruanda aus, das die
Homosexualität nicht strafrechtlich verfolgt, aber auch keine
gleichgeschlechtlichen Beziehungen zu Rang und Würde einer Ehe von Mann und
Frau erheben will. In Ruandas Hauptstadt Kigali gibt es mit der «Church of God
of Africa and Ruanda» (EGAR) eine Pfingstgemeinde, deren Pastor Joseph Tolton
im Namen «radikaler Einbeziehung» auch «Homosexuelle,
Transgender, Arme, Frauen, alle Marginalisierten» willkommen heisst.
Ghanas «Church of Pentecost», in der über eine Million Menschen zu Jesus gefunden
haben, hält sich angesichts der Gesetzesvorlage gegen Homosexuelle an
Wegweisungen, die der «Bund Freikirchlicher Pfingstgemeinden» (BFP) schon 2013
erarbeitet hat: «Im
Mittelpunkt unserer Stellungnahme zu (homo)sexuellen Fragen steht daher das Ja
zur Ehe und zur Familie und nicht die Ausgrenzung von Menschen oder
Lebensformen… Das Verständnis von Homosexualität als einer Schöpfungsvariante
ist der Bibel fremd. Sie kennt auch keine homosexuelle Identität, sondern nur
homosexuelles Verhalten…»