Frieden für Kaduna

Die Begegnung eines Imam mit Jesus ermöglichte Friedensinitiative

Der nigerianische Bundesstaat Kaduna und seine Christen werden von Gewalt heimgesucht. Mittendrin sind «Friedens-Tandems» aktiv geworden.
Ein Teil von Kaduna (Bild: africafoicentre.org)

Der mittelnigerianische Bundesstaat Kaduna geht nicht wie viele andere auf ein altes Muslim-Königreich zurück, sondern ist eine Verwaltungseinheit aus der britischen Kolonialzeit. Dort fanden sich Völkerschaften und Religionen aus allen Teilen Nigerias zusammen, die es auch lernten, friedlich zusammenzuleben.

Diese gute Nachbarschaft wird aber seit dem späten 20. Jahrhundert immer wieder durch Feindseligkeiten von islamischen Wanderhirten gegen sesshafte Christen gestört. Auch jetzt wieder beklagt die «Christian Association of Nigeria», die unter pfingstkirchlicher Führung steht, anhaltende Angriffe auf Dörfer, Häuser und Kirchen sowie Viehdiebstähle und Entführungen im Bundesstaat Kaduna.

Ruf nach interkirchlicher Unterstützung

In ihrem August-Aufruf wird die Entsendung von internationalen interkirchlichen Kommissionen gefordert, um der Gewalt gegen die Christen von Kaduna ein Ende zu setzen und für Gerechtigkeit zu sorgen. «Was hier geschieht, ist ein Völkermord, eine Verfolgung des Glaubens», stellt die Christian Association fest. Sie beklagt auch das geringe Eingreifen des Staates: «Seit vergangenem Jahr wurden etwa 1'000 Menschen getötet und 500 Christen entführt, unter ihnen 18 evangelische Pastoren.» Vier von ihnen wurden getötet, für die übrigen umgerechnet fast 600'000 Franken Lösegeld bezahlt.

Miss World 2001: Allahs Wohlgefallen?

Den Anlass zur Verschlechterung des Verhältnisses von Muslimen und Christen bot um die Jahrtausendwende die Wahl einer nigerianischen «Miss World». Eine Zeitung in Kaduna äusserte dazu, dass daran «auch Allah seine Freude habe». Darauf töteten islamistische Milizen dutzende Menschen, Häuser wurden verwüstet, Kirchen und Moscheen brannten. Seitdem ist Kaduna nie mehr richtig zur Ruhe gekommen. Höhepunkt war der Anschlag auf eine Kirche am Ostersonntag 2012, bei dem über 40 Menschen ums Leben kamen. Kaduna ist heute nicht wiederzuerkennen.

Christenghetto im Süden

Kaduna war einst eine aufstrebende Stadt. Die Textilindustrie lockte Menschen aus ganz Nigeria an, egal welcher ethnischen Gruppe oder Religion sie angehörten. Heute ist keine andere Stadt im Land so gespalten. Seit den ersten Gewaltausbrüchen sammelte sich die grosse Mehrzahl der Christen im unterentwickelten Süden Kadunas. Dort wollte früher kaum jemand leben. Es gab nur eine schlechte Anbindung an das Stromnetz und auch sonst kaum öffentliche Einrichtungen. Doch jenseits vom gleichnamigen Fluss, der den Süden Kadunas von ihrem Norden trennt, fühlten sich die Menschen sicherer.

Dort, in den Vierteln Rido und Narayi, leben heute fast nur Christen, finden sich ihre Kirchen und Schulen. Vertreten sind vor allem Baptisten und Pfingstgemeinden wie die «Living Church», die «Redeemed Church of Christ» oder die «Evangelical Church Winning All». Die Pfingstchristen sind in Nigeria überhaupt nach den USA und Brasilien am drittstärksten auf der Welt vertreten.

Fanatismus und Kriminalität

Die Baptisten traf jedoch in diesem Sommer der letzte grosse Gewaltakt im Hinterland von Kaduna: Bei einem Überfall auf die Bethel Baptist High School wurden 140 von den anwesenden 165 Schülern entführt.

Nur ein Teil von ihnen wurde im Lauf vom August wieder freigelassen. Gegen Lösegeld versteht sich. Der islamisch-christliche Konflikt wird in Kaduna nicht nur von religiösem Fanatismus befeuert, sondern nährt sich ebenso aus rein kriminellen Motiven. Es sind organisisierte Verbrecherbanden, die im Namen des Islam ihr Unwesen treiben. Der Widerstand gegen die vordergründig als «Glaubenskrieg» betriebenen Überfälle auf Christen muss daher gleichzeitig als Kampf gegen die Kriminalität geführt werden. Bei vielen vorgeblichen «Dschihadisten» handelt es sich um gemeine Räuber.

Erweckung zum Friedensstifter

Das bedeutet nicht, dass eine religiöse Bewältigung der Auseinandersetzung vernachlässigt werden darf. Diese Aufgabe haben sich Pastor James Wuye von den «Assemblies of God» und der Korangelehrte Imam Mohammed Aschafa gestellt. Dabei waren sie ursprünglich auch persönliche Gegner, Verfechter eines militanten Christentums und Islams. Ihre Feindschaft hatte sich bis zu bewaffnetem Kampf gesteigert, bei dem Wuye einen Arm verlor. Das brachte ihn zur Einkehr, worauf ihn eine persönliche Erweckung durch den Heiligen Geist zum Friedensstifter machte.

Die Saat der Bibel

Für Mohammed Aschafa wurde es entscheidend, dass er eine Methodistenschule besucht und dort die Bibel noch vor dem Koran kennengelernt hatte. Diese frühe Saat ging dann später zusammen mit James Wuye auf. Ihr «Interreligiöses Meditationszentrum» steht im Herzen von Kaduna an der Grenze von islamischem und christlichem Stadtteil. Menschen beider Religionen beten dort auf pfingstkirchliche Weise um Erleuchtung und göttlichen Frieden durch den Geist. Und sie senden «Tandems» von einem Pfarrer mit einem Imam zu Streitigkeiten aus, damit diese nicht in Gewalt ausufern.

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Datum: 30.08.2021
Autor: Heinz Gstrein
Quelle: Livenet

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