Kopten

Christliche Exil-Ägypter fordern ihre Rechte bei der UNO ein

In der Schweiz kämpfen sie gleich zweimal. In Zürich und in Genf verlangen die Kopten, dass sie ihren Glauben in Ägypten frei leben können. Der Gang vor die UNO ist bereits eingeleitet.
Dr. Ibrahim Habib, einer der Referenten an der dritten Koptenkonferenz in Zürich (Fotos Daniel Gerber).
Geschäftsmann Nagy Awad leitet die europäische Koptenbewegung.
Halla el-Masri. Die Menschenrechtlerin beklagt schwere Verletzungen der Glaubensfreiheit.
Adly Youssef, 85, Koptenführer. Im Jahr 2004 einte er in Zürich die Exilkopten.
«Wir gehen vor die UNO und machen einen Skandal», sagt Youssef. (Falls jemand das halbverdeckte Bild nicht passt: Es war extra! Eine Art Hinterzimmerperspektive.)
Adly Youssef im Gespräch mit einer ägyptischen Journalistin. Von Schweizer Medien unbeachtet, reisten mehrere Journalisten aus dem Nahen Osten nach Zürich.

Er mag Schottenwitze und auch die über die Iren. «Wir machen auch Witze über unsere eigene Situation», erzählt der ägyptische Arzt Ibrahim Habib. Er lebt in England und präsidiert die dortige Koptenvereinigung. Vom 25. bis 27. März nahm er an der dritten internationalen Tagung der Auslandskopten in Zürich teil.

Habib blickt aber auch mit ernster Miene nach Ägypten: «Der politische Islam radikalisiert die Menschen. Ich vergleiche es mit Nazideutschland: Dort ging es um die arische Rasse, in Ägypten geht es um den Islam.» Dieser dränge die christliche Minderheit an den Rand der Gesellschaft, zum Beispiel durch einen Kleiderzwang: «Immer häufiger müssen sich die Frauen verhüllen und die Männer Bart tragen, ein Gewand und eine Kopfbedeckung, um als Moslem zu erscheinen. Christen sind Bürger zweiter Klasse.» Was vom Islam abweiche, werde nicht akzeptiert.

«Allahu akbar»

Das gelte auch ausserhalb des Nahen Ostens. Der ägyptische Geschäftsmann Nagy Awad bringt ein Beispiel aus Frankreich. «Viele Geistliche werden an der ägyptischen Al-Azhar-Universität ausgebildet. Manche radikalisieren die Moslems, auch in Europa. Als die Jugendlichen im letzten Jahr in Frankreich randalierten, brannten auch Kirchen. Die Brandstifter schrien dabei: Allahu akbar – Allah ist allmächtig.» Awad steht der europäischen Kopten-Vereinigung vor.

Zürich by night

Adly Youssef sitzt in der Glasveranda des Hotels «Belvedere». Für den nächtlichen Zürichsee hat er jedoch kaum ein Auge. Vor kurzem hatte er zur dritten Koptenkonferenz von Ende März eingeladen, und noch während diese läuft, steht schon die nächste Aktion ins Haus. Der 85jährige Führer der Exilkopten: «Im April ist in Genf eine UNO-Versammlung. Dort vertritt uns ein Anwalt.»

Ein anderer Rechtsberater macht im Mai einen weiteren Vorstoss bei den Vereinten Nationen. «Die Kopten in den anderen Ländern machen die Unterdrückung publik. Wir machen einen Skandal», sagt Youssef bei gedämpftem Licht. Ausserdem plant er in diesem Jahr vier weitere Konferenzen: je eine in Montreal und Sydney und zwei in den USA. «Was in Ägypten geschieht, kümmert die Regierung wenig. Aber was die Welt über sie denkt, ist ihr nicht ganz egal. Hier setzen wir den Hebel an.»

Ein nettes Spektakel für die Polizei

Dies sei auch nötig, versichert die Menschenrechtlerin Halla el-Masri. Sie berichtet von einem Fall im Februar 2006. «Es begann vor drei Jahren. In einer Ortschaft bei Giseh schloss die Polizei von einem Tag auf den andern die Antonius-Kirche und versiegelte sie.» Dann, im Februar 2006, habe der Dorfpolizist um Mitternacht mit einem Mal den Strom im Christenviertel abgestellt.

El-Masri: «Dann kamen fanatische Moslems aus verschiedenen Ortschaften.» Molotow-Cocktails flogen durch die Luft, begleitet von «Allahu akbar»-Rufen. «Die Christen konnten weder Polizei noch Feuerwehr rufen. Mehrere Stunden dauerte die Attacke. Erst am Morgen schritt die Feuerwehr ein. Zehn Häuser waren bis dahin niedergebrannt. Manches Vieh starb, anderes wurde verschleppt und die Ernte auf dem Feld angezündet.»

Resultat: eine Moschee auf dem Kirchenparkplatz

Halla el-Masri stiess dazu, als die Ortschaft noch Kopf stand. «Beim Haus des Polizeichefs Mohammed Mursi sassen ein paar Offiziere. Sie liessen sich von dem Schauspiel unterhalten. Mursis Söhne führten den Mob an.» Um die Menschen wieder zusammenzubringen, wurde ein Mediator eingeschaltet. Man fand auch eine ganz „vernünftige“ Lösung: Die Christen dürfen die Kirche wieder benutzen, während auf dem Kirchenparkplatz eine Moschee erbaut werden soll.

Immerhin: Verschiedene Konferenzteilnehmer berichteten, dass sich die Lage seit der ersten Kopten-Konferenz vor zwei Jahren verbessert habe.

Datum: 31.03.2006
Autor: Daniel Gerber
Quelle: Livenet.ch

Verwandte News
Werbung
Werbung
Livenet Service